Siedlungen und ihre Baubefunde lassen sich oft nur über das Fundgut datieren, so auch bei den Dörsthöfen bei Alzenau-Michelbach. Dies trifft dort auf alle Perioden zu. Erst die Analyse hunderter Keramikfragmente erlaubte die zeitliche Einordnung der Befunde in die Perioden 0 bis 8.
Vor den Grabungen 2022 waren von diesem Areal lediglich jene Fundstücke bekannt, die anlässlich der Anlage der Kläranlage nördlich der Grabungsschnitte ohne Kontext geborgen wurden. Die Auswertung im Nachgang der Ausgrabungen ließ eine Verfeinerung der Siedlungsabfolge zu: An eine hochmittelalterliche Erstbesiedlung im 13. Jahrhundert (Periode 1), die sich über Verfüllungen konstatieren lässt, schloss in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts eine intensive, flächendeckende Nutzung an (Periode 2). Markant ist in diesem Zusammenhang der Betrieb einer Töpferei, die allerdings nördlich der ergrabenen Flächen zu verorten ist. Deutlich hebt sich von diesem Fundgut durch die Vielfalt unterschiedlicher Formen und durch den Einsatz glasierter Oberflächen jenes Fundgut ab, dass am Ende des 13. Jahrhunderts in den Schnitte 1 und 3 in den Boden gelangte. Als terminus ante quem für diese Besiedlungsphase kann in Schnitt 3 auf ein Brandereignis verwiesen werden (Periode 4). Über den Abgleich mit den letzten Zerstörungshorizonten auf der nahegelegenen Burg in Mömbris sowie auf der Burg Hauenstein beim Krombach1 ist ein Zusammenhang mit den Zerstörungen während der Wetterauer Fehde konstatierbar, die zeitlich in den Sommer 1405 zu verorten wäre.
Über eine datierte Silbermünze und die Ausführungsmerkale von Irdenwaren und Steinzeugen aus der den gesamten Schwemmfächer bedeckenden, mächtigen Sedimentationsschicht liegt es nahe, das Starkregenereignis, in dessen Folge es zu dieser Kolluvienbildung in der Periode 5 kam, mit der Großwetterlage Anfang 1784 in Verbindung zu bringen.
Fundgut stammt darüber hinaus aus einem Feldbrandofen, der um 1900 (Periode 6) in Schnitt 2 betrieben worden sein dürfte. Ausschlaggebend für die zeitliche Einordung ist dort die Nutzung von Steinkohle als Brennmaterial.
Nur wenige Fundstücke sind dem 20. Jahrhundert zuzuweisen (Periode 7/8).
Die Funde liefern wesentliche Aufschlüsse über das Leben der Dorfbewohner. Gebrauchsgegenstände, Geräte und Werkzeuge zeugen von ihrem Alltag. Erstaunlicherweise ist anhand des Fundguts eine Abgrenzung der Bauern von Niederadeligen, wie wir sie etwa gleichzeitig für die Burg bei Mömbris fassen können2, kaum möglich. Sowohl im niederadligen als auch im bäuerlichen Milieu bildete der Kachelofen das Zentrum der guten Stube. Als Schank- und Trinkgefäße bediente man sich regionaler Keramikprodukte.
Bei den Grabungen bei den Dörsthöfen konnten 2023 schnitt- und befundgetrennt insgesamt 71 Fundnummern vergeben werden. Die Funde weisen ein breites Spektrum auf:
- Keramiken (18),
- Protosteinzeug (2),
- Steinzeug (2),
- Ofenkeramiken (5),
- Ziegel (4)
- Glas (3), davon Flachglas (2), Hohlglas (1)
- Knochen (3),
- Eisen (10),
- Buntmetall (6), Silber (2), Aluminium (1), Blei (4),
- Steinobjekte (3),
- verziegelter Gefachelehm (1),
- Ofenlehm (4),
- Schlacke (1),
- Kunststoff (1),
- Holz (1).
Weiterführende Literatur:
Krauskopf, Christof (2005): Tric-Trac, Trense, Treichel. Untersuchungen zur Sachkultur des Adels im 13. und 14. Jahrhundert. Braubach: Deutsche Burgenvereinigung (Reihe A, Forschungen, 11).
Krauskopf, Christoph (1995): …davon nur noch wenige rutera zu sehen seyn sollen… Archäologische Ausgrabungen in der Burgruine Schnellerts. Bamberg (Kultur- und Lebensformen in Mittelalter und Neuzeit, 1).
Rosmanitz, Harald; Bachmann, Sabrina; Galina, Irina (2020): Mömbris, Lkr. Aschaffenburg, Burg Mömbris. Maßnahmen-Nr. M-2019-743-1_0. Archäologische Untersuchungen, April bis September 2019. (masch. Manuskript). Partenstein.
Rosmanitz, Harald; Bachmann, Sabrina; Geißlinger, Michael (2019): Krombach, Lkr. Aschaffenburg, Burg Hauenstein, Maßnahmen-Nr. M-2017-1232-1_0. Archäologische Untersuchung, August bis November 2017. (masch. Manuskript). Partenstein.
- Rosmanitz et al. 2019; Rosmanitz et al. 2020
- Rosmanitz et al. 2020. Vergleichbar ist auch die Situation auf der Burg Schnellerts bei Brensbach im Odenwald (vgl. Krauskopf 1995). Unabhängig gibt es Überlegungen, die soziale Stellung der Niederadeligen über das in ihren Burgen geborgene Fundgut zu gliedern (Krauskopf 2005).