Was ist ein GIS – und was kann das Spessart-GIS?
Ein GIS (Geoinformationssystem) ist ein digitales Werkzeug, mit dem man räumliche Informationen – also Daten, die mit einem bestimmten Ort verknüpft sind – sammeln, speichern, verknüpfen, analysieren und anschaulich darstellen kann. Man kann sich GIS wie ein extrem vielseitiges, intelligentes Kartenwerkzeug vorstellen, das weit mehr kann als nur Wege und Orte zeigen.
Ein GIS erlaubt es beispielsweise, historische Karten, archäologische Fundstellen, Pflanzen- und Tierverbreitungen, landwirtschaftliche Nutzungsformen oder sogar alte Straßennetze miteinander zu verbinden und sichtbar zu machen. So können räumliche Zusammenhänge erkannt und Entwicklungen über Zeiträume hinweg nachvollzogen werden.
Das Spessart-GIS ist ein besonders leistungsfähiges Beispiel für den Einsatz eines solchen Systems. Es basiert auf einer umfangreichen, gut strukturierten Datenbank, in der Informationen aus vielen verschiedenen Bereichen zusammengeführt werden: Archäologie, Geologie, Biologie, Forst- und Landwirtschaft, historische Karten, Dokumente und vieles mehr. Daraus lassen sich vielfältige Karten, Zeitreihen und sogar 3D-Modelle erstellen, um die Landschaft des Spessarts besser zu verstehen.
Das zentrale Ziel ist die sogenannte Historische Landschaftscharakterisierung (HLC). Dabei wird untersucht, wie eine Landschaft im Laufe der Zeit entstanden ist, welche Spuren vergangener Nutzungen und Veränderungen heute noch sichtbar sind und was den „Charakter“ dieser Landschaft ausmacht.
- Geländemodelle
- Historische Karten
- Naturraum Spessart
- Wanderkarten
HLC – Ein flexibles Werkzeug mit unterschiedlichen Maßstäben und Zielen
Wie genau eine HLC durchgeführt wird, hängt stark vom Maßstab und dem Zweck der Untersuchung ab:
Großräumige HLC, wie sie in Großbritannien oder Irland praktiziert wird, deckt oft ganze Regionen oder Regierungsbezirke ab. Sie basiert meist auf bereits vorhandenen Karten und Archiven, wird überwiegend am Schreibtisch durchgeführt und verzichtet weitgehend auf neue Feldforschung. Das spart Zeit und Geld, führt aber zu einer eher allgemeinen Darstellung der Landschaft.
Kleinteilige HLC, wie sie im Spessart praktiziert wird, nutzt eine Vielzahl von Quellen – darunter auch gezielte Feldforschung vor Ort. Hier können spezielle Fragen untersucht werden, z. B. zur Nutzung alter Wege, zu Hecken oder Lesesteinwällen. Solche Untersuchungen liefern detaillierte und lokal angepasste Ergebnisse, sind aber aufwändiger und schwer mit großflächigen Studien vergleichbar.
Ein gutes Beispiel dafür ist unser Partnerprojekt „Pathways to Cultural Landscapes (PCL)“ in Lancashire (England). Dort wurde nach Abschluss einer großflächigen HLC zusätzlich ein kleineres Gebiet intensiver untersucht. Ziel war es herauszufinden, wie gut die groben und die feinen Ergebnisse miteinander übereinstimmen – und wie sie sich gegenseitig ergänzen können.
Maßstab, Zielsetzung und Organisation – drei entscheidende Faktoren
Nicht nur der Maßstab, sondern auch die Zielsetzung beeinflusst die Ergebnisse stark:
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Wird HLC als Planungsinstrument genutzt, liegt der Fokus auf der aktuellen Landschaft und ihrer künftigen Entwicklung.
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Geht es um wissenschaftliche Forschung, steht die zeitliche Veränderung im Vordergrund – also: Wie hat der Mensch die Landschaft über Jahrhunderte verändert? Welche Rolle spielte das Klima?
Auch die Organisation der Projekte spielt eine Rolle. Projekte wie das Archäologische Spessartprojekt (ASP) sind „bottom-up“ organisiert. Das bedeutet: Sie binden ehrenamtliche Helfer, lokale Vereine, Kommunen und Unternehmen ein. Diese Nähe zur Bevölkerung sorgt dafür, dass auch die Sichtweisen und das Wissen der Menschen vor Ort in die Forschung einfließen – etwas, das großen, zentral gesteuerten („top-down“) Projekten oft fehlt.
Verschiedene Wege – ein gemeinsames Ziel
Die Ansätze in England und im Spessart widersprechen sich nicht – im Gegenteil: Sie ergänzen einander. Jede Kulturlandschaftsanalyse beginnt zwangsläufig mit dem Blick auf die heutige Landschaft. Selbst wer sich für die Vergangenheit interessiert, muss bei dem beginnen, was heute sichtbar ist.
Eine sorgfältig erstellte HLC, die vorrangig auf zukünftige Planungen ausgerichtet ist, bildet damit auch die Basis für tiefere historische Untersuchungen. Neben großflächigen Landschaftsanalysen helfen auch einzelne Fundstellen – etwa Altwege, Grenzsteine oder Hecken –, den Charakter der Landschaft zu beschreiben. Doch gerade solche Fundpunkte hängen stark von der Arbeit früherer Forscher ab – und sind daher oft lückenhaft oder subjektiv. Neue Feldforschung kann hier helfen, ist jedoch aufwendig und daher meist nur punktuell möglich.
GIS als Schlüssel zur Vergleichbarkeit
Ein großes Problem bei HLCs: Die Unterschiedlichkeit der Quellen erschwert den Vergleich von Ergebnissen. Genau hier kommt das GIS ins Spiel. Denn ein GIS ist nicht nur ein Kartenwerkzeug, sondern vor allem eine strukturierte Datenbank, in der Informationen geordnet, miteinander verknüpft und nach Herkunft gefiltert werden können.
Wer sauber arbeitet und jede Information mit ihrer Quelle dokumentiert, kann im GIS Karten erzeugen, die z. B. nur auf Archivmaterial, nur auf archäologischen Funden oder nur auf Feldforschung beruhen. So entsteht Transparenz und Vergleichbarkeit – trotz unterschiedlicher Methoden.
Zusammenarbeit über Grenzen hinweg
Das Verständnis für die Möglichkeiten von GIS und eine offene Haltung gegenüber den unterschiedlichen HLC-Ansätzen haben sich im europäischen Pilotprojekt „Pathways to Cultural Landscapes“ bewährt. Es zeigt, dass Vielfalt in der Herangehensweise kein Hindernis, sondern eine Stärke sein kann – solange die Projekte vernetzt, transparent und im Austausch miteinander stehen.
Deshalb engagiert sich das ASP aktiv in europäischen Partnerschaften. Der stetige Dialog mit Forschern aus anderen Ländern – mit anderen Traditionen, anderen Denkweisen – bringt neue Perspektiven, stellt das eigene Tun immer wieder auf den Prüfstand und macht die Arbeit reichhaltiger und nachhaltiger.