Das Spessart-GIS ist ein höchst leistungsfähiges Werkzeug mit einer hochstrukturierten Datenbasis zur Erfassung archäologischer, geologischer, biologischer, land- und forstwirtschaftlicher Informationen, historischer Dokumente und Karten und vieles mehr. Das GIS ermöglicht es, diese Daten in einer nahezu unendlichen Vielfalt zu kombinieren, hochinformative Karten zu produzieren, die Entwicklung der Landschaft in der Zeit darzustellen und sogar 3D-Animationen zu entwickeln. Vorrangiges Ziel des Spessart-GIS ist es, die Daten aus dem gesamten Spessart gleichermaßen zusammenbringt. In seiner Komplexität und der Größe der untersuchten Landschaft ist dies bislang in Deutschland ein ziemlich einzigartiges Unterfangen.
Wofür aber wird dieses leistungsfähige Werkzeug eingesetzt? Es soll helfen, große Datenmengen zu strukturieren und zu verarbeiten, sie rasch verfügbar zu machen und auszuwerten. Kernaussage ist für uns die historische Landschaftscharakterisierung (HLC), die es erlaubt, die Geschichte und Entwicklung einer Landschaft zu rekonstruieren, die heute noch sichtbaren Spuren dieser Entwicklung zu fassen und den „Charakter“ der Landschaft darzustellen. HLC und seine Anwendung werden in hohem Maße durch ihre Zielsetzung beeinflusst und hängen im Wesentlichen vom Maßstab der Erfassung einzelner Merkmale und Merkmalsgruppen ab. Der Maßstab ist also mehr als nur eine Frage der Quantität, er ist ein qualitativer Faktor.
Wenn HLC in einem großen Maßstab ausgeführt wird, etwa ganze Regierungsbezirke abdecken soll und dabei in einem nationalen Programm eingebunden ist, wie dies etwa in Großbritannien oder Irland der Fall ist, dann muss es zwangsläufig auf einige grundlegende Fragestellungen reduziert werden. Es wird im Wesentlichen am Schreibtisch ausgeführt und basiert auf bereits bestehenden Karten- und Archivmaterial. Feldarbeit vor Ort findet kaum noch statt. Andererseits kann die Charakterisierung eines kleinen Areals auf einer Vielzahl von Quellen aufbauen, wobei auch Feldforschung mit speziellen Fragestellungen durchgeführt werden sollte. Der Unterschied in der Methodik macht es schwierig, die Ergebnisse zu vergleichen. Deshalb hat unser englische Partner in dem Projekt „Pathways to Cultural Landscapes“ (PCL) in Lancashire, einem Bezirk in dem gerade die HLC abgeschlossen wurde, eine kleine Region innerhalb des Bezirks ausgewählt, um dort eine weit detailliertere Untersuchung durchzuführen. Es galt herauszufinden, wie die Ergebnisse in diesem kleinen Gebiet mit den Ergebnissen der großflächigen HLC korreliert werden können.
Aber nicht nur der Maßstab macht einen großen Unterschied in der Aussagekraft eines geographischen Informationssystems. Natürlich beeinflusst auch die Zielsetzung von HLC die Resultate. Wenn etwa das Ziel vor allem darin gesehen wird, ein Instrument für zukünftige Planungsentscheidungen zu entwickeln, wird sich das Interesse ganz auf den Charakter der aktuellen Landschaft konzentrieren. Wird das Projekt jedoch mehr durch eine wissenschaftliche Fragestellung angetrieben, etwa die Darstellung der Veränderung der Landschaft in der Zeit und das Verständnis menschlicher Einflussnahme auf die Veränderung der Landschaft wie auch des Klimas, dann wird der Prozess der Veränderung im Vordergrund des Interesses stehen. Aber auch die Art der Organisation, die die Forschungsarbeit durchführt, übt einen großen Einfluss aus. Bottom up Projekte, wie das ASP, die auf die Arbeitskraft ehrenamtlicher Mitarbeiter angewiesen sind und örtliche Politiker wie Wirtschaftsunternehmen als Geldgeber gewinnen müssen, sind gezwungen, ihre Arbeit in engstem Kontakt zur Bevölkerung durchzuführen. Sie müssen die Menschen vor Ort in ihre Arbeit einbeziehen und sie für ihre Arbeit gewinnen. Daher werden sie auch die spezifischen Ansichten und Vorstellungen dieser Menschen stärker wahrnehmen, und sich mehr mit ihrer Sichtweise auf ihre eigene Umgebung auseinandersetzen, als dies bei top down Projekten der Fall ist, die von großen Institutionen im Auftrag übergeordneter Gremien durchgeführt werden.
Die Ansätze in England und im Spessart müssen sich nicht zwangsläufig ausschließen. Tatsächlich gibt es eine Menge gemeinsamer Faktoren bei jeder Studie zur Kulturlandschaft und HLC. HLC muss immer mit der heutigen, aktuellen Landschaft beginnen. Selbst wenn man nur an der Geschichte der Landschaft oder sogar nur dem Zustand der Landschaft in einer ganz bestimmten Periode, interessiert ist, muss man den vergangenen Landschaften vordringen zu können. Daher stellt eine HLC, die nur an der gegenwärtigen Landschaft interessiert und auf zukünftige Planungen ausgerichtet ist, eine erstklassige Ausgangsbasis für jede weitere Untersuchung zur Vergangenheit dieser Landschaft dar. Die Erforschung einer ganzen Landschaft bedingt die Beschreibung von größeren Flächen, nicht nur die Kartierung von Punkten und Linien. Dennoch können auch die klassischen Fundpunkte und archäologischen wie historischen Strukturen – wie Altstraßen, Feldgrenzen, Lesesteinwälle oder Hecken – eine wertvolle Quelle für die Charakterisierung einer Landschaft sein. Natürlich sind sie oft eine sehr subjektive Quelle, da ihre Dichte, Qualität und oft sogar die Zeit, aus der die bekannten Fundpunkte stammen, vor allem vom Interesse und den Möglichkeiten der Forscher, die sie uns erschlossen haben, abhängen. Eigene Feldforschung ist arbeitsintensiv, zeitaufwendig und teuer, und kann daher meist nur in kleinen, ausgewählten Gebieten stattfinden.
Die verschiedenen Quellen und die Unterschiede in ihrer Qualität sind eines der größten Hindernisse bei der Herstellung von Vergleichbarkeit der Resultate. Hier kann jedoch die moderne Technik helfen, die Probleme zu überwinden. Das wichtigste Werkzeug für HLC, zur Sammlung und Verarbeitung der Daten, ist das computergestützte GIS. GIS ist ein leistungsfähiges Instrument zur Erstellung informativer Karten. Vor allem aber ist es eine hoch strukturierte Datenbank. In ihr können die Daten praktisch beliebig miteinander verknüpft werden. Wenn man sich an einige allgemeinverbindliche Grundregeln wissenschaftlichen Arbeitens hält, etwa die saubere Angabe der Quellen für jede Information, so ist es ganz einfach, Karten zu erzeugen, die jeweils nur auf einer bestimmten Quellengattung basieren, egal wie komplex die gesammelten Daten auch sein mögen. Damit kann Vergleichbarkeit garantiert werden.
Das volle Verständnis der Möglichkeiten von GIS und eine offene Sicht der HLC, ihrer Philosophie und ihres Zwecks, können als Grundlage dienen, auf der sich die verschiedenen Ansätze vereinigen und die unterschiedlichsten Partner miteinander interagieren können. Was im Verlaufe des europäischen Pilotprojektes PCL erreicht wurde, kann als Modell für zukünftige Zusammenarbeit und Austausch von Informationen dienen. Die verschiedenen Ansätze können dabei nebeneinander gleichberechtigt existieren, jedoch nicht isoliert, sondern eingebunden in ein Netzwerk des Austauschs und der Kommunikation. Auch aus diesem Grund engagiert sich das ASP so intensiv in europäischen Partnerprojekten, weil durch den ständigen Austausch mit Kollegen mit ganz anderen Traditionen und Vorstellungen die eigene Arbeit immer wieder neu definiert und durch neue Perspektiven und Denkansätze bereichert wird.