Graben in Quadraten
Im Herbst 2015 untersuchte das Archäologische Spessartprojekt im Auftrag der Denkmalschutzbehörde des Main-Kinzig-Kreises gemeinsam mit den für die Behörde tätigen Ehrenamtlichen die Wüstung Stubach. Im Verlauf von zwei Monaten, von September bis Oktober, konnten auf einer Flur nordwestlich der Gemeinde Ulmbach bei Steinau an der Straße auf einer Gesamtfläche von ca. 250 Quadratmetern die Reste einer mittelalterlichen Siedlung ausschnittsweise archäologisch untersucht werden. Das Projekt war nur möglich aufgrund des Entgegenkommens der Eigentümer und der Unterstützung durch den Heimat- und Kulturverein Ulmbach. Eine maßgebliche Förderung erfolgte durch den Main-Kinzig-Kreis, die Stadt Steinau a. d. Straße und die Hessische Sparkassenstiftung.
Die 1289 anlässlich ihrer Erwerbung durch das fuldische Kloster Neuenberg erstmals erwähnte Siedlung war nach Ausweis der Schriftquellen bis mindestens 1414/15 besiedelt. Als im Jahre 2014 im Bereich des späteren Grabungsareals ein bis dahin als Wiese genutztes Gelände aufgepflügt wurde, kamen zahlreiche Siedlungszeiger zu Tage. In Folge einer von der Denkmalschutzbehörde des Main-Kinzig-Kreises initiierten Feldbegehung und einer geophysikalischen Prospektion entschied sich der zuständige Denkmalpfleger dafür, das Areal im Folgejahr ausschnittsweise archäologisch untersuchen zu lassen. Mit Hilfe der Grabungen sollte der Grad der Bedrohung des Bodendenkmals durch die künftige landwirtschaftliche Nutzung ermittelt werden. Darüber hinaus standen wissenschaftliche Fragen zur Siedlungsart und -dauer im Mittelpunkt der avisierten Erdarbeiten.
Da sich die archäologischen Spuren in einer Tiefe von nur etwa 30 Zentimetern direkt unter dem Pflughorizont erhalten hatten, mussten sämtliche Bodeneingriffe manuell vorgenommen werden. Zur Klärung der Verteilung der Funde und der Befunde fanden die Untersuchungen in Quadranten mit einer Seitenlänge von jeweils zwei Metern statt. Nur durch die Einbindungen der für die Denkmalschutzbehörde aktiven Ehrenamtlichen sowie von weiteren freiwilligen Helfern aus der Region und aus dem Spessart war es möglich, in dem vorgegebenen Zeitfenster ein Maximum an Untersuchungsfläche aufdecken und dokumentieren zu können. Damit konnte das Grabungsteam vor Ort, bestehend aus Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Archäologischen Spessartprojekts, auf das dort seit nunmehr elf Jahren etablierte Verfahren des „open dig“ zurückreifen.
Die Grabungen erbrachten neben zehntausenden von Scherben die Steinfundamente von Grundstücksmauern. Weitere Steinsetzungen können als Gründungen von Fachwerkgebäuden angesprochen werden. In einem der Grabungsschnitte lagen die Reste eines überbauten Ofens. Die relative Chronologie der Befunde lässt auf eine zweimalige Bebauung der hochmittelalterlichen Siedlung schließen. Die Keramik aus den ältesten Straten lässt sich über Parallelen aus dem westlichen Spessart in das zweite Drittel das 13. Jahrhundert datieren. Die Folgebesiedlung ist, ebenfalls über die Keramikfunde, der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts zuzuweisen. In der Zeit, bevor die Ansiedelung einer Brandkatastrophe zum Opfer fiel, hatte man sich dort allem Anschein nach auf die Erzeugung und die Weiterverarbeitung von Milch spezialisiert. Davon zeugen die Fragmente großer Abrahmschüsseln, die in fast allen untersuchten Quadranten angetroffen werden konnten. Die archäologischen Untersuchen warfen darüber hinaus ein Licht auf die ursprüngliche Größe der Wüstung Stubach. Davon ausgehend, dass nun das nördliche Ende dieser über Flurnamen und Archivalien schon länger bekannten Siedlung zu Tage gebracht werden konnte, spricht vieles dafür, dass die Ansiedelung eine Nord-Süd-Erstreckung von mehr als zwei Kilometern besaß.
Mit den Grabungen in einer ländlichen Siedlung nicht weit vom Kinzigtal konnte auf ein bestehendes Forschungsdefizit aufmerksam gemacht werden: Über ländliche Siedlungen, die das wirtschaftliche Rückgrat der umliegenden Burgen, Klöster und Städte im Hochmittelalter bildeten, haben sich erstaunlich wenige Informationen bis in unsere Zeit erhalten. Ihre archäologische Untersuchung scheint von vorne herein wenig attraktiv zu sein. Die Befunde aus den weitgehend in Fachwerktechnik errichteten Siedlungen sind schwierig zu graben und zu interpretieren. Es sind keine hochwertigen Fundstücke zu erwarten. Eine Anbindung an Schriftquellen ist nur mit Mühe möglich.
Dass ein solches Unterfangen trotz der geschildeten Problematik lohnenswert ist, belegen die im Rahmen der Grabungen in der Wüstung Stubach gewonnenen und noch zu gewinnenden Erkenntnisse. Sie lassen den ländlichen Raum um Steinau an der Straße nun in ganz anderem Licht erscheinen. Sie geben einer Region einen Teil ihrer historische Tiefe zurück, die in den 1960er/70er Jahren durch die unter ökonomischen Gesichtspunkten in aller Konsequenz durchgeführte Flurbereinigung massiv überprägt wurde. Damals verlor die Kulturlandschaft um Ulmbach weitgehend ihr Gesicht.
Nach Abschluss der Grabungen am 30. Oktober 2015 wurden Grabungsflächen absprachegemäß wieder verfüllt und so hergerichtet, dass auf Ihnen künftig wieder Ackerbau möglich sein wird. In Folge der Auswertung der Befunde und Funde sind eine temporäre Ausstellung sowie die Aufstellung einer Informationstafel in der Nähe der Grabung geplant.