Die Befunde aus den Grabungen bei den Dörsthöfen können nach der Befundanalyse und der ersten Begutachtung des Fundmaterials grob in sechs Perioden unterteilt werden:

  • Periode 1 – Besiedlung in der Mitte des 13. Jahrhunderts
  • Periode 2 – Besiedlung in der ersten Hälfte 14. Jahrhundert; Betrieb einer Töpferei
  • Periode 3 – Besiedlung ausgehendes 14. Jahrhundert einschließlich des Baus eines Handwerkshauses sowie des Baus und Betriebs einer Straße
  • Periode 4 – Zerstörung 1405 (?)
  • Periode 5 – Starkregenereignis von 1784
  • Periode 6 – Betrieb eines Feldbrandofens um 1900
  • Periode 7 – Drainagierung des Areals im 20. Jahrhundert
  • Periode 8 – Anlage der natürlichen Kläranlage nördlich der Grabungsfläche um 1980
  • Periode 9 – landwirtschaftliche Nutzung nach 1980

Prozentuale Verteilung der Befunde auf den Dörsthöfen

 

Periode 0: Geologisch (undatiert)

Geologische Straten wurden bei den Ausgrabungen 2023 in Schnitt 1 und Schnitt 3 in einer Tiefe von maximal zwei Metern erreicht. Keiner der Befunde wurde bis auf den anstehenden Gneis abgetieft. Über diesem lagen dem Charakter des Schwemmschotters entsprechend, wasserundurchlässige Lehmschichten sowie Schwemmschichten mit vom Berg angeschwemmtem, kleinteiligem Gneis ohne anthropogene Zusätze. Erst darüber setzt die menschliche Einflussnahme auf die Landschaftsgestaltung und –nutzung ein (ab Periode 1).

Das in Schnitt 1 teilaufgedeckte Bachbett könnte noch geologischen Ursprungs sein. Es erfuhr aber seit Periode 1, verstärkt in den Perioden 2 bis hin zu seiner Verfüllung in der Periode 3 zahlreiche Abwandlungen.

Periode 1: Besiedlung in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts

Die Nutzungsphase des 13. Jahrhunderts wird auf den Dörsthöfen ausschließlich an den Rändern des Bachlaufes in Schnitt 1 archäologisch fassbar. Wenige Scherben aus hell brennender Vorspessartware geben über Parallelfunde aus den Burgen Wahlmich bei Waldaschaff (AB) und vom Alten Schloss bei Kleinwallstadt (MIL) für diesen Befund ein Zeitfenster an, welches in die 1260/70er Jahre verweist. Allerdings finden sich vergleichbar gearbeitete Keramiken auch auf dem Kugelberg bei Goldbach (AB) (Straten zwischen 1120 und 1180) sowie von der Ketzelburg bei Haibach (AB) (ca. 1160-1180). Das nächste Aufkommen dieser Ware ist für die Burg Mömbris (dort Periode 1) sowie für das Wasserschloss in Alzenau-Michelbach1 belegt.

Keramik des 13. Jahrhunderts von den Dörsthöfen

Trotz der geringen Anzahl der Fundstücke, die sich der hell brennenden Vorspessartware zuordnen lassen, sind diese für die Bewertung der Siedlungsabfolge der Dörsthöfe von nicht zu unterschätzender Relevanz. Es zeigt sich, dass im Nachgang der prähistorischen anthropogenen Landnutzung, die unter anderem durch eine latenezeitliche Ringwallanlage auf dem nördlich anschließenden Höhenrücken bezeugt ist, spätestens im 13.Jahrhundert gründend auf einer durch ein Klimahoch bedingten Rodungsphase die ertragreichen Löß- und Lehmrücken am Fuße der bewaldeten Höhenzüge gerodet und einer landwirtschaftlichen Nutzung zugeführt werden. Kontinuierliches Sedimenteinträge zeigen, dass ein Wüstfallen der Landschaft um die Dörsthöfe – wenn überhaupt – nur noch in vergleichsweise kurzen Zeitphasen erfolgt sein dürfte. Dies ist beispielsweise in der zweiten Hälfte des Dreißigjährigen Krieges (ca. 1630/35 bis 1648/50) zu vermuten.

Periode 2: Besiedlung erste Hälfte 14. Jahrhundert

Die Periode 2 ließ sich auf der Grabung Dörsthöfe annäherden flächendeckend fassen. Eine Zuweisung der Befunde, in vorliegendem Fall ausschließlich Verfüllungen sowie deren zeitliche Einordnung gelingt durch die Abfolge der Straten, in erster Linie jedoch über die Homogenität der darin enthaltenen Keramiken. Das Gros des zum Vergleich heranzuziehenden Fundguts stammt allerdings nicht von der Grabung selbst

Bei Anlage einer Sickerwasseranlage auf dem südlich der Dörsthöfe vorgelagerten Hang wurde in den 1980er Jahren beim maschinellen Abtrag der Oberfläche eine große Anzahl von Keramik freigelegt. Ein Hinweis auf einen konkreten Befund lässt sich nicht herleiten, da es weder eine Dokumentation der Arbeiten noch genauere Informationen über die Fundverteilung gibt. Die Gesamtsituation mit dem nördlich der Sickergrube anschließenden Hang, der heute dichten Bewuchs aufweist, und den südlich anschließenden Auelehmbereichen ist auch heute ein idealer Ort zur Anlage einer Töpferei. Sowohl geeignete Rohstoffe (Ton und Holz) als auch ausreichend Wasser standen zur Verfügung.

Ungeklärt ist bislang, wann die ersten auf handwerklicher Grundlage tätigen Töpfer im Umkreis von Alzenau ansässig wurden und woher sie kamen. Zu fragen ist, ob die ersten Töpfer Einheimische gewesen sind oder Zugewanderte, die ihre Kenntnisse mitbrachten – um nur die entgegengesetzten extremen Möglichkeiten zu nennen. Eine schlüssige Antwort auf diese Fragen ist beim gegenwärtigen Wissensstand nicht zu geben, jedoch darf angenommen werden, dass die Kenntnis und die Mode der reduzierend bei hohen Temperaturen gebrannten Irdenware ohne gewisse Anregungen und personelle Verknüpfungen mit formgebenden Werkstätten, wie sie zum Beispiel im Rheinland bestanden, nicht möglich gewesen wäre. Aber wenn auch derartige Verbindungen wirksam gewesen sind, hat dies zunächst keinen nachhaltigen Einfluss auf die Formenwelt der Keramik ausgeübt: Die seit der Karolingerzeit in der Region dominierende Gefäßart des Kugeltopfes blieb allein vorherrschend. Der Abnehmer bestimmte also ganz wesentlich den Markt, unvertraute Formen wurden nicht ohne weiteres akzeptiert.

Im Bachbett

Die mit Scherben der Periode 2 angereicherten Verfüllungen ballen sich nördlich des Bachbetts. Hier führen die Ausläufer von Abwurfhalden der Töpferei bis in das Bachbett hinein. Allerdings zeigt die Konsistenz dieser Straten, dass wir hier abgeschwemmtes Material besagter Abwurfhalden vor uns haben, die deutlich nördlicher gelegen haben dürften. So ist das Fundgut kleinteilig zerschlagen, lassen sich die Scherben nicht zu Gefäßen ergänzen. Die Keramiken, deren Konsistenz von lederhartem Ton bis zur fast steinzeugartig überfeuerter Keramik reichen, bildet das komplette Spektrum der Produktionsabläufe ab.

Fragmente der Wandung der Brennöfen der Töpferei des 14. Jahrhunderts

Während die Töpferei betrieben wurde, verlandete der Bachlauf ganz allmählich. Allerdings sind nur die untersten 10 Zentimeter der Bachsedimente dieser Nutzungsperiode zuzuweisen. Am südlichen Ufer des Baches setzt sich die Keramik, dann eingetreten in Laufhorizonte, bis an die südliche Schnittkante fort. Befunde wie Gruben, Pfostenreihen oder Steinsetzungen, die auf eine Uferbefestigung mit anschließender Bebauung hindeuten würden, waren in Schnitt 1 nicht zu fassen. Auch der Interpretationsansatz einer anfangs als Setzkasten eines Brunnens angesprochene Verfärbung erwies sich beim Tiefergehen als nicht haltbare Hypothese.

In den Schnitten 1a und 3 waren ebenfalls keine klar ansprechbaren Besiedelungsstrukturen in den Straten mit entsprechender Fundbestückung erkennbar.

Periode 3: Besiedlung ausgehendes 14. Jahrhundert

Die Periode 3 beschreibt die Besiedlungsphase der Dörsthöfe im letzten Drittel des 14. Jahrhunderts. Diese Periode zeichnet damit den gesamten Zeitraum der Besiedlung bis zur Zerstörung im Jahre 1405 (?) ab (Periode 4). Die Befunde in Schnitt 1 lassen keinen Zweifel daran, dass diese Besiedlung eher als Besiedlungsabfolge anzusprechen ist, da die Verfüllung des Bachbetts deutlich vor der Nutzung der dann darüber angelegten Straße erfolgt sein dürfte.

Wie auch in Periode 1 und 2 gelingt die zeitliche Differenzierung der Straten und deren Zuweisung in die Periode 3 über keramische Artefakte, in diesem Fall über Geschirrkeramik und Ofenkeramik. Die Keramiken unterscheiden sich in Größe, Form und Machart von jenen der vorangegangenen Perioden. Es herrschen unglasierte Töpfe mit Linsenböden und sehr dünner Wandung vor, wie sie in ähnlicher Form für die Burg Mole bei Heimbuchenthal (AB)2 und für die Latrine im Museum in Miltenberg (MIL) belegt sind.

Getauchte Ware, wie sie ab dem letzten Drittel des 14. Jahrhunderts in Dieburg gefertigt wurde, ist vergleichsweise selten anzutreffen. Häufiger im Fundgut dagegen innen grün oder gelb glasierte Töpfe mit oder ohne Henkel und mit fein geriffelter Wandung. Hinzu kommen unglasierte Deckel, die innen steilwandig erhöht an ihrer Spitze mit einem Knauf besetzt sind.

Als Ofenkeramiken werden die Becherkacheln (Schnitt 3) und Napfkacheln mit glatten Böden und doppelt gekehlten Mündungsleisten (Schnitt 1 und 3) genutzt. Sie sind ebenso den exportorientierten Töpfereien in Dieburg bei Frankfurt/Main zuzurechnen wie die voll ausgeprägten Halbzylinderkacheln vom Typ Tannenberg. Sie bilden das Gros der reliefierten Ofenkeramik der Straten aus Periode 3. Dass dieser mit dem Setzen repräsentativer Öfen aus Dieburg einherging, spricht bereits in dieser Phase der Besiedlung für einen gewissen Reichtum der Eigentümer.

Eingebettet in die Straße waren auch Fragmente reliefierter Ofenkacheln.

Im Gegensatz zu den älteren Befunden (Periode 1 und 2) sind die bei den Dörsthöfen ergrabenen Strukturen der Periode 3 in ihrer Funktion deutlich klarer anzusprechen: Völlig unerwartet stießen die Ausgräber in Schnitt 3 auf einer Geländestufe oberhalb derjenigen, welche die Wiese mit den Schnitten 1 und 2 bildet, auf Spuren eines Gebäudes. Von diesem hatten sich die Süd- und die Ostmauer in Teilen erhalten. Die Norderstreckung des Gebäudes war aufgrund der Dimensionierung des Schnittes nicht zu fassen. Nach Westen hin waren die Mauerstrukturen im 20. Jahrhundert anlässlich der Anlage einer Entwässerung (Periode 7) abgebaggert worden. Bei den Befunden handelt es sich um die Fundamente eines Fachwerkhauses. Bis zu torsogroße Platten des örtlich anstehenden Gneises und Kristallin waren in Trockenmauertechnik sorgfältig aufeinander geschichtet in schmale Fundamentgräbchen eingebettet worden. Wie die darüberliegende Brandschicht vermuten lässt, die zu einem Gutteil aus verziegeltem Gefachelehm bestand, waren die aufgehenden Teile des Gebäudes, welche auf dem Steinfundament auflagen, in Fachwerktechnik ausgeführt. Das Gebäude dürfte mit Schilf oder mit Holzschindeln gedeckt gewesen sein. Reste von einer Dachdeckung mit Ziegeln konnten an dieser Stelle nicht ergraben werden. Das Hausinnere war mit einer bis zu 50 Zentimeter mächtigen Lehmschicht nach unten hin isoliert. Darunter fand sich feinkröniges Geschiebe aus anstehendem Gestein. Der unter diesen Befunden liegende Fels wurde bei den Grabungen nicht erfasst. Eine Datierung des Hausbefundes ist über die in den Stampflehmboden eigetretene Keramik möglich. Hinzu kommen die Scherben, die in der darüberliegenden Brandschicht enthalten waren.

Der flächenmäßig größte Befunde, der der Periode 3 zuzuweisen ist, ist die Wegtrasse, die in Schnitt 1 die Fläche von Osten nach Westen quert. Der maximal 160 cm breite Straßenkörper hat sich aufgrund der Überlagerung mit zum Teil übermannshohen Straten in den Perioden 5 und 8 weitgehend erhalten können. Die Oberfläche des nach beiden Seiten (Norden und Süden) leicht abfallenden Straßenkörpers dürfte durch die Nutzung, durch die Kompression der nicht so stark unterbauten Randbereiche durch das Befahren mit Wägen mit einer Achsbreite von ca. 140 cm, entstanden sein. Flankierende Gräbchen zum Abhalten von Oberflächenwasser konnten nicht festgestellt werden. Der Straßenkörper war an seiner Oberfläche mit bis zu armlangen, den umgebenden Gesteinsformationen entnommenen und flach in den diese umgebende Kiesschüttung eingebauten Seinen besetzt.

Beim Säubern der Strassenrollierung

Eine Wegebefestigung erfolgte ausschließlich in jenen Bereichen, in denen der Straßenkörper über durchfeuchteten Grund geführt werden musste. Im Zuge der Errichtung der für die Infrastruktur der Dörsthöfe sicher bedeutenden Wegetrasse wurde der bereits in der Periode 2 allmählich verlandende Bachlauf systematisch verfüllt. Die Auffüllung setzt sich abwechselnd aus bis zu 20 cm mächtigen Kies- und Lehmpackungen zusammen. So entstanden allmählich bis zu acht Verfüllungshorizonte. Vornehmlich die kiesführenden waren mit Scherbenkleinschlag durchsetzt. Dessen Homogenität lässt den Schluss zu, dass die Verfüllungsmaßnahme in einem vergleichsweise kurzen Zeitraum erfolgt sein dürfte.

Zu den Funden im Straßenköper gehören auch die Reste einer gestauchten Flasche.

Die Straßenbauarbeiten unterscheiden sich im konsequenten Vorgehen und in der Sorgfalt ihrer Ausführung deutlich von Wegetrassen, wie sie archäologisch im Bereich des Klosters Elisabethenzell ergraben werden konnten. Ein Gutteil des Weges, der ursprünglich Mömbris mit Alzenau-Michelbach verbunden haben dürfte, ist als nicht befestigt zu charakterisieren. Daher verwundert es nicht, dass dem archäologisch bei den Dörsthöfen ergrabenen Straßenkörper nach Ausweis der Funde an der Oberkante des Befundkonvoluts nur eine vergleichsweise kurze Nutzungszeit beschieden gewesen sein dürfte. Spätestens in der Mitte des 15. Jahrhunderts geriet die Straße in Vergessenheit. Es ist davon auszugehen, dass zu diesem Zeitpunkt bereits eine alternative Wegführung in Nutzung war.

Periode 4: Zerstörung von 1405

Abb. 08

Die Periode 4 zeichnet einen Zerstörungshorizont aus, der ausschließlich in Schnitt 3 fassbar war. Das in ihm enthaltende Fundmaterial (Keramiken, Ofenkeramiken) ist der Periode 3 zuzurechnen. Die Brandschicht bildet damit den terminus ante quem für besagte Nutzungsphase.

Die Massierung von stark verziegeltem Gefachelehm sowie die brandverursachte Verformung des Fundguts sprechen dafür, dass das Fachwerkhaus abgesehen von seiner Fundamentierung diesem Brandereignis vollständig zum Opfer gefallen sein dürfte. Beim Niederbrennen wurden dabei partiell Temperaturen erreicht, die über 1300° C erreichten.

Ein Wiederaufbau erfolgte an dieser Stelle nicht mehr. Allerdings war in der Zusammensetzung der Brandschicht erkennbar, dass diese sehr intensiv im Nachgang nach noch Brauchbarem durchwühlt worden war. Durch Umlagerung kam es zum Verlust des ursprünglichen Fundzusammenhangs. Die keramischen Fragmente wurden kleingeschlagen. Sie lassen sich nur noch im Ausnahmefall zusammenfügen.

Freilegen des 1405 zerstörten Fachwerkhauses in Schnitt 3

Trotz des geringen Fundanfalls fällt auf, dass sich die Innenausstattung des Fachwerkhauses bei den Dörsthöfen nur unwesentlich in seiner Innenausstattung von den Steinernen Häusern in der Burg Hauenstein und der Burg Mömbris unterschieden haben dürften. Wir können mit aller Vorsicht trotz ganz anderer Baubefunde davon ausgehen, dass der Eigentümer des Anwesens bei den Dörsthöfen und Burgherren in den nahegelegenen Niederadelssitzen vor der Zerstörung 1405 einen vergleichbaren Lebensstil geführt haben dürften.

Die Brandschicht war nach Westen hin durch die Anlage einer Drainage (Periode 7) zerstört worden, nach Osten und Süden war sie von bis zu mannshohen Auflagerungen aus der Periode 5 bedeckt. Da Schnitt 3 erst wenige Wochen vor Grabungsende angegraben wurde, blieb keine Zeit, der Ausdehnung der Brandschicht in diese Richtungen nachzuspüren. Gleiches gilt für die dem Befundkomplex vorgelagerte, tiefergelegene Geländestufe.

Das bei den Dörsthöfen nur partiell, und zwar für einen einzigen Gebäudekomplex nachgewiesene Brandereignis kann mehrere Ursachen gehabt haben, die sich einer genaueren zeitlichen Bestimmung entziehen: Neben einem Schadfeuer sollte auch ein Blitzeinschlag mit sich anschließend entzündetem Dachstuhl in die Überlegungen einbezogen werden.

Die eklatanten Übereinstimmungen der Fundstücke mit den Zerstörungshorizonten auf den nahegelegenen Burgen Hauenstein und Mömbris anlässlich deren Niederlegung im Zuge der Wetterauer Fehde im Jahre 14053 rückt dieses Ereignis in den Fokus der Betrachtung. Das ergrabene Gebäude könnte bei den Truppenbewegungen, die zu diesem Zeitpunkt im Kahlgrund zu verzeichnen sind, aufgrund seiner exponierten Lage direkt an der Straße zwischen Alzenau und Mömbris in den Fokus des Interesses gerückt sein. Möglicherweise fanden sich die Dörsthöfe auch in partiellem Besitz der durch die Zerstörung der Niederadelssitze punktuell zu schädigenden Burgeigentümer. Aus Mangel an Schriftquelle, die Dörsthöfe im 14. und 15. Jahrhundert betreffend, muss ein Zusammenhang der Brandzerstörung mit dieser für die Niederadelssitze gut dokumentierten Vorgehen im Jahre 1405 auch nach Abschluss der Grabungen und der Auswertung der Befunde und Funde hypothetisch bleiben.

Periode 5: Starkregenereignis von 1784

Nach der Brandzerstörung von 1405 lassen sich für annähernd fünfhundert Jahre keine keine weiteren Bebauungsspurten auf den Dörsthöfen archäologisch erfassen.

Allerdings fällt auf, dass sämtliche Geländestufen, die sich im Bereich des Schwemmfächers des Wolfsbachs befinden, von einer mehr als meterdicken, in einigen Bereichen sogar von einer annähernd zwei Meter mächtigen Lehmauflagerung bedeckt sind. Dies gilt auch für die Befunde aus den Perioden 3 und 4.

Untersuchung der Schwemmschicht von 1784

Das Besondere an dieser Auflagerungsschicht ist, dass diese nicht lamellenartig durch Saisonale Überschwemmungen entstanden, bei der die obersten Schichten des der agrarischen Nutzung unterworfenen Geländes nördlich der Grabungsfläche bei den Regen im Frühjahr und Herbst allmählich ins Tal der Kahl geschwemmt wurden. Die von solchen Sedimentierungsprozessen frühzeitig erfassten humosen Bestandteile legten sich jeweils als dünnes Band unter die dünnen Lehmpackungen, die bei stärkerem Regen auch heute noch anfallen. Solche im Schnitt dann gebänderte Strukturen konnten in Baustellen in Partenstein und Frammersbach mehrfach beobachtet werden. Ursachen und Auswirkungen solcher Sedimentationsprozesse sind gut nachvollziehbar, da diese bei heute andauern und seit dem Ende des 19. Jahrhunderts auch bildlich festgehalten werden. Dem Thema nahm sich anlässlich der Grabungen der Burg Mole in Heimbuchenthal in den Jahren 2008 und 2009 ein eigenständiges Forschungsprojekt der Universität Kiel an.4

Das Fehlen einer Binnenstruktur in den mächtigen Lehmpackungen südlich der Dörsthöfe kann als Beleg dafür herangezogen werden, dass das gesamte Schichtenpaket innerhalb recht kurzer Zeit anlässlich eine Starkregenereignisses entstanden sein könnte. Solche dann meist mit Runzenbildung einhergehende, kleinräumige Wetterphänomene dürften maßgeblich zum Entstehen der Klüftungen im Umfeld der Randenburg bei Alzenau oder beim Alten Schloss bei Kleinwallstadt beigetragen haben. Unterhalb solcher Runzen entstehen dann in kurzer Zeit mächtige Auflagerungsschichten mit dem abgetragenen Sediment. Ähnliche Vorgänge sind auch für die Dörsthöfe zu postulieren.

Münze mit Prägejahr 1741

Für eine genauere zeitliche Einordnung eines solchen Starkregenereignisses eignet sich das darin eingeschlossene Fundgut. Neben Holzkohlestücken sind es vor allem Keramiken. Sie lassen sich in die ersten beiden Drittel des 18. Jahrhunderts datieren. Hinzu kommt eine im Jahre 1741 geprägte Silbermünze. Durch letztgenanntes Fundstück ist der terminus post quem auf das Jahr 1741 zu verorten. Bei den Keramiken ist auf den vergleichsweise kurzen Nutzungszeitraum von malhorndekorierten Tellern mit weit ausladenden Fahen zu verweisen. Deren Laufzeit lässt sich jedoch aufgrund fehlender Vergleichsstücke lediglich grob ins 18. Jahrhundert legen. Dieses Themas haben sich bislang nur wenige Forscher im Umfeld von Erst Schneider (1964) und Werner Loibl (1988) angenommen.5 Die Publikationslage erweist sich damit für einen präziseren Datierungsansatz als zu dürftig.

Als Schlüssel zur zeitlichen Bestimmung von Starkregenereignissen, auch kleinräumigen, erweisen sich zeitgenössisch Chroniken.

Im Jahre 2022 fassten Gerhard Nees und Hermann Kehrer auf der Grundlage solcher Schriftquellen die Alzenauer Wetterchronik.6 Als für den Kahlgrund besonders einschneidende Ereignisse dieser Art verweisen die Autoren auf das Magdalenenhochwasser von 13427 sowie auf den Eisbruch zwischen dem 25. und 28. Februar 1784.8

Letztgenannte Wetterkatastrophe, die für die Bewohner der gesamten westliche Hemisphäre ein einschneidendes Ereignis darstellte, gilt es, im Folgenden genauer zu betrachten. Das Ganze ist nur verständlich, wenn man die Kette der Ereignisse lückenlos darstellt:9

Den Anfang bildeten Verschiebungen der tektonischen Erdplatten. Am 5. Februar 1783 begannen heftiger Erdstöße in Kalabrien, deren Epizentrum etwa im Bereich der Straße von Messina lag. Besonders betroffen waren die Stadt Messina, sowie Sizilien und Kalabrien. Am folgenden Tag ereignete sich ein Nachbeben und in den darauffolgenden beiden Monaten weitere kleine Erdstöße an der Westküste Italiens. Insgesamt wurden 181 Ortschaften zerstört, wobei über 30.000 Menschen ihr Leben verloren.

Etwa drei Monate später begann in Island eine Serie ungewöhnlich heftiger Vulkanaktivitäten, die zu drastischen Änderungen der Lebensumstände auf der Insel führen sollten. Die Ausbrüche begannen im Mai 1783 mit dem Eldeyjar und endeten erst im Februar 1784. Ihren Höhepunkt fanden die Eruptionen am 8. Juni 1783 mit der Öffnung der so genannten Laki-Spalte im Süden der Insel, die in den nächsten Monaten etwa 130 Vulkane freigab. Bei den darauffolgenden Eruptionen handelte es sich um die heftigsten, jemals auf Island verzeichneten Vulkanaktivitäten und weltweit gesehen um das drittgrößte historisch verbürgte Ereignis dieser Art.

Die Krater spuckten in dieser Zeit ca. 12 Milliarden Kubikmeter Lava, Asche, Schwefeldioxyd und verschiedenste Gase aus. In historischen Dokumenten wird von mehreren hundert Meter hohen Rauchfontänen berichtet. Zwei riesige Lavaströme wälzten sich in Flussbetten auf das Meer zu, wobei die beiden Flüsse vollständig verdampft wurden. Im Umkreis von ca. 40 km wurden alle menschlichen Behausungen zerstört.

In einem zeitgenössischen Bericht heißt es: „Der faule Geschmack der Luft, bitter wie Seetang und nach Fäulnis stinkend, war tagelang so intensiv, dass die Menschen kaum atmen konnten. Außerdem drang das Sonnenlicht nicht mehr durch. Alles war von Dunst eingehüllt.“ Neben der Atemnot litten Menschen und Tiere besonders am akuten Wassermangel. Das gesamte Trinkwasser war durch eine viel zu große Menge an Fluoriden vergiftet und nicht mehr genießbar. Bei der Katastrophe kamen etwa 10.000 Menschen direkt oder indirekt ums Leben, das entspricht einem Fünftel der damaligen isländischen Gesamtbevölkerung. Die Tierbestände Islands gingen dramatisch zurück. Dies betraf sowohl Haustiere als auch wildlebende Tiere. Schätzungen gehen davon aus, dass ca. 80% der Schafe und 75% der Pferde eingingen. Es folgte eine jahrelange Hungersnot. Damals gehörte Island noch zu Dänemark und das zuständige Ministerium in Kopenhagen erwog zunächst eine völlige Evakuierung der Insel, weil man nicht bereit war die immensen Kosten für den Wiederaufbau zu tragen.

Die Vulkanausbrüche hatten aber nicht nur Folgen für Island selbst, sondern für ganz Europa und noch weit darüber hinaus. Es ist davon auszugehen, dass auf den britischen Inseln im August und September 1783 ca. 23.000 Menschen an den Folgen der Vulkanausbrüche starben, insbesondere an Vergiftungen. In England und Frankreich stieg die Sterblichkeitsrate im Winter 1783/84 um ca. 25 Prozent.10 In den angrenzenden Ländern dürften ähnliche Zahlen erreicht worden sein, doch gab es dort noch keine Aufzeichnungen dieser Art.

Parallel zu den isländischen Vulkanausbrüchen ereignete sich in Japan eine weitere Katastrophe dieser Art. Am 03. August 1783 brach auf der Halbinsel Honshu der Asama aus, von dem bereits noch ältere Aktivitäten verbürgt sind. Der Ausbruch von 1783 ist allerdings bis heute die heftigste registrierte Aktivität dieses Vulkans. Dabei wurde die Spitze des Vulkankegels weggesprengt und gewaltige Mengen an Asche und Staub in die Atmosphäre geschleudert. Heute ist von diesem Vulkan nur noch ein Stumpf vorhanden, der oben eine Art Plateau bildet.

Etwa 1000 Menschen starben unmittelbar durch heiße Lava oder erstickten an den ausgestoßenen Gasen. Aber auch hier waren die Langzeitfolgen noch wesentlich schlimmer: Für mehrere Monate wurde das Sonnenlicht durch den Staub blockiert und es kam zu Missernten und Hungersnöten. Allein in Japan sollen ca. 1,4 Millionen Menschen an den Folgen der Katastrophe gestorben sein.

Durch die gewaltige Energie die bei den Vulkanausbrüchen freigesetzt wurde, gelangten Asche und Staubpartikel bis in die Stratosphäre und konnten sich somit auf dem ganzen Globus verteilen. Diese Staubwolken wurden in den folgenden Monaten überall auf der Welt als eine Art Dunstschleier wahrgenommen, der sich vor die Sonne schob. Astronomen berichteten, dass in etwa 10.000 Fuß Höhe „große Wolken trockenen Nebels“ dahinzogen.

Die Staubpartikel führten aber auch noch zu weiteren ungewöhnlichen Phänomenen, die in verschiedenen Ländern beobachtet wurden. Neben dem seltsamen „Höhennebel“ kam es zu außerordentlich farbenprächtigen Sonnenuntergängen und Polarlichtern.

Wissenschaftler gehen heute davon aus, dass sich durch die reduzierte Sonneneinstrahlung die Durchschnittstemperatur für mindestens fünf Jahre spürbar verringerte. Es kam in vielen Regionen der Erde zu Missernten und einer erheblichen Verschlechterung des Nahrungsangebotes. Die Folge waren weitverbreitete Hungersnöte und Mangelkrankheiten.

Besonders dramatische Veränderungen zeigten sich im Winter 1783/ 84. Die Kälte betraf ganz Europa, wurde aber auch in Asien und Amerika registriert. Der Politiker und Naturwissenschaftler Benjamin Franklin verzeichnete im Osten der Vereinigten Staaten eine bemerkenswerte Kältewelle. Der Hafen von New York war zehn Tage lang zugefroren und der Long Island Sound konnte mit Schlitten befahren werden. Gleiches galt für die Lagune von Venedig. Auch der anschließende Sommer war ungewöhnlich kalt und feucht. Untersuchungen an den Jahresringen von Bäumen in Sibirien und Alaska zeigten, dass der Sommer 1784 in diesen Regionen der kälteste innerhalb von 500 Jahren war.

Besonders dramatisch war der Verlauf dieses Winters aber in Deutschland und den angrenzenden Ländern. Er war außergewöhnlich kalt und schneereich und ging als einer der härtesten Winter seit Beginn der Wetteraufzeichnungen in die Geschichte ein. Die Frostperiode begann schon im November 1783 und hielt praktisch den ganzen Winter über an, bis März 1784. Die Temperaturen fielen überall in Europa auf Rekordmarken.

Hinzu kam, dass in diesem Winter unglaubliche Mengen Schnee fielen. Mancherorts gab es von Weihnachten 1783 bis Mitte Februar 1784 kaum einen Tag, an dem es nicht schneite. Im Rhein-Neckar-Raum fielen Ende Dezember 1783 innerhalb von zwei Tagen fast 50 cm Neuschnee. Insgesamt erreichte die Schneedecke in Heidelberg und in Köln eine Stärke von etwa 1,50 m. In Würzburg soll die Schneehöhe sogar 1,80 m betragen haben.

Ein Warmlufteinbruch um den 23. Februar 1784 und großflächiger Starkregen bewirkten ein plötzliches Tauwetter, das die erheblichen Schneemengen im Flachland und in den Mittelgebirgen rasant abschmelzen ließ. Ausgelöst wurde der Warmlufteinbruch von einem blockierenden Hoch über Osteuropa, das eine südliche Luftströmung über Mitteleuropa zur Folge hatte. Neben den Flüssen Elbe und Donau waren vor allem der Rhein und seine Nebenflüsse durch das Eishochwasser massiv betroffen

Die Veränderung der Großwetterlage führte auch im Spessart warme Luftmassen aus westlichen und südlichen Richtungen heran. Bedingt durch die rasche und starke Erwärmung, die von heftigen Regenfällen begleitet war, kam es Ende Februar 1784 zum Bruch und Aufstau des Eises. Aufgrund der enormen Schmelzwassermassen, des Eisstaus und der starken Niederschläge begannen die Pegel sehr schnell zu steigen. An allen größeren Haupt- und Nebenflüssen erfolgte der Eisgang gleichzeitig. Erschwerend kam hinzu, dass sich durch zeitweise herrschende Tauphasen mehrere Eisdecken übereinander geschoben hatten, die dann wieder festgefroren waren.

Das unweigerlich daraus resultierende Hochwasserereignis wird als eine der größten Naturkatastrophen der Neuzeit in Mitteleuropa angesehen. Das Hochwasser verwüstete ganze Talzüge, unzählige Brücken wurden zerstört.

Köln wurde vom schlimmsten jemals verzeichneten Hochwasser heimgesucht. Beim erwähnten Temperatursprung war der Rhein fest zugefroren, während die Schneeschmelze sowie das aufbrechende Eis für einen Rekordpegel von 13,55 Metern sorgten – zum Vergleich: der Normalpegel beträgt 3,48 Meter. Die Fluten, auf denen schwere Eisschollen trieben, verwüsteten weite Teile der Uferbebauung und alle Schiffe. Einzelne Gebäude, darunter auch Befestigungsbauten, stürzten aufgrund des Schollengangs ein. 65 Tote waren zu beklagen. Die rechtsrheinisch gelegene alte bergische Stadt Mülheim am Rhein, heute ein Kölner Stadtteil, wurde vollständig zerstört.

Hochwassermarke von 1784 an der St.-Anna-Kapelle in Obernburg

Auch der Main führte extremes Hochwasser. Dieses nach 1342 (Magdalenenhochwasser) zweithöchste Hochwasser wird im mittleren Maingebiet als 300- bis 500-jährliches Ereignis eingestuft. Die Hochwassermarke am Rathausportal von Würzburg zeigt für dieses Hochwasser einen Maximalpegel, der 94 cm über jenem von 1845 liegt und sich auf 173,83 m ü. NN befindet. Im Vergleich zu dem am Pegel registrierten Hochwasser von 1845 hatte das Hochwasser von 1784 einen Pegelstand von 928 Zentimetern, bei einem Abfluss von 2600 m³/s. In Bamberg fiel dem größten Hochwasser aller Zeiten die Uferbebauung im Mühlenviertel zum Opfer. Auch die Brücken wurden stark beschädigt. Insbesondere die erst 1756 fertiggestellte Seebrücke, die heutige Kettenbrücke, mit ihrer barocken Ausstattung wurde durch Eisschollen und mitgerissene Baumstämme zerstört.

Aufzeichnungen darüber, welche Auswirkungen der Eisbruch von 1784 auf den Kahlgrund hatte, finden sich in den Lebenserinnerungen des Alzenauer Pfarrers Franz Joseph Krick:11

… 1783 am 30. Dezember war die größte Kälte, welche in diesem 18. Jahrhundert unsere Gegend jemals betroffen hat. An dem genannten Datum morgens um 8 Uhr stand das Thermometer 24 Grad unter dem Null­punkt. Als am 25. Februar in diesem Winter das Eis der hiesigen Kahl aufbrach und sich auftürmte, gab es einen solchen Greuel von Eis und Wasser, der nur mit größtem Schrecken anzusehen war und kein Mensch hier dachte, dergleichen schon erlebt zu haben. Wasser und größte Eisschollen strömten über die hiesige steinerne Brücke hinaus, die Michelbacher und Kälberauer Brücken nahm es mit fort, aus den meisten Häusern hier mussten die Einwohner flüchten, weil die Häuser im Wasser standen und von den durchströmenden erschreckenden Eisschollen große Gefahren zu befürchten waren.

Man konnte an dem genannten Tag nicht einmal ohne Lebensgefahr über die hiesige Brücke reiten oder fahren. Als ein Knecht des hiesigen Müllers Jörg Barthel Neumann mit einem Sack Mehl darüber reiten wollte, wurde er durch die Heftigkeit des Wasserstroms und Eises vom Pferd geworfen und wäre augenblicklich mit fortgerissen worden, hätten ihm nicht die Einwohner eine lange Stange hingehalten, sodass er so mit großer Mühe herausgezogen werden konnte. Der Mehlsack wurde vom Strom fortgerissen. Ein anderer hiesiger Einwohner namens Johann Jörg Botzem wäre beinahe mit Wagen und zwei Pferden vor der hiesigen Brücke dem Strom zur Beute geworden, wenn er nicht unter wirklichen Todesängsten mitten im Strom die Pferde mit aller Gewalt angetrieben und so endlich doch übergesetzt hätte.

In diesem Jahr 1784 hörte man von allen Orten am Rhein und Main her von den erschreckendsten Verwüstungen. Das Wasser war höher als jemals in diesem Jahrhundert: so stand es zu Seligenstadt in der Abtei und zu Mainz im Kapuziner-Kloster, an der Augustinerkirche und bis an das Alexi-Hospital am Stadionischen Hof auf der Großen Bleiche. Ganze Dorfschaften an Rhein und Main standen bis an die Dächer unter Wasser und der ungeheure Eisstrom riss ganze Gebäude mit sich fort. Der Jammer am Rhein-, Main- und Neckarstrom und sonstigen Flüssen war allgemein. Seit 1565 weiß man in der Geschichte sich keines so hohen Wasserstandes zu erinnern.

Ja, es übertraf diesmal jenes in der Höhe um einen Schuh. Der schreckliche Eisbruch und die Überschwemmung des Rhein- und Mainstroms geschah in diesem Jahr am 27., 28. und 29. Februar und die Erinnerung daran kann bei keinem fühlenden Menschen ohne tränenvolle Augen geschehen. Im Auftrag seiner Eminenz wurde im ganzen Mainzer Land eine Kollekte abgehalten, um den bedrängten und notleidenden Untertanen eine helfende Hand zu reichen …

Im Falle des Sedimentbefunds südlich der Dörsthöfe geht es nur indirekt um die zerstörerische Kraft des Eisbruchs, der allenthalben bis dahin ungekannte Zerstörungen zeitigte. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass ein Art Schlammlawine die ergrabenen Aufwerfungen dort angelandet haben könnte. Ursächlich verantwortlich ist die heute noch erkennbare topographische Situation: Etwas nördlich der Dörsthöfe, südlich der heutigen Waldgrenze hat der Wolfsbach eine breite, vergleichsweise ebene Talaue geschaffen. Das heute beidseitig eines Wirtschaftswegs als Streuobstwiese genutzte Areal weist alle Anzeichen dafür auf, dass dieses einst für die Fischzucht genutzt worden sein könnte. Es fehlt heute der talseitige Abschlussdamm. Vielleicht hat ein Bruch besagten Deiches im Februar 1784 mit den am Deich angelagerten Erdmassen sowie mit den Seesedimenten eine Gerölllawine verursacht, die erst auf Höhe des Grabungsareals von 2023 zum Stehen kam.

Periode 6: Betrieb eines Feldbrandofens um 1900

Der anstehende viskose Lehm wurde auf dem 2022 untersuchten Areal südlich der Dörsthöfe an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert zur Fertigung von Backsteinen genutzt. Dies ergab ein Aufschluss in Schnitt 2. Direkt unter der Humusoberkante stießen die Ausgräber auf den Versturz eines Feldbrandofens. Neben Fehlbränden von Ziegeln, von Brennmaterial in Form von Steinkohle sowie von Schlackeresten konnte auch die untere Lage des auf einen Stampflehmboden gesetzten Feldbrandofens für Backsteine in Teilen freigelegt werden. Weitere Spuren der Backsteinherstellung wie Lehmentnahmegruben, Unterbauten für Fertigungsbereiche oder Pfosten der Trockengestelle wurden nicht erfasst. Dies hängt möglicherweise mit der vergleichsweise kleinen Untersuchungsfläche zusammen. Zudem lagen, wie bereits erwähnt, die dieser Periode zugehörigen Befund unmittelbar unter der Humuskante und sind damit bis heute der Zerstörung ausgesetzt.

Säubern der Reste des Feldbrandofens

Eine Datierung der Backsteinproduktion, die aufgrund der Dimensionierung für den Eigenverbrauch der Dörsthöfe gedacht worden sein dürfte, ist über den Einsatz von Steinkohle als Brennmaterial möglich. Dieses musste aus dem Ruhrgebiet herbeigeschafft werden. In der Mitte des 19. Jahrhunderts kam es unter anderem aufgrund des enormen Verbrauchs der Eisenhämmer im Spessart, die für Frankfurt am Main Alteisen aufbereiteten, durch deren Bedarf an für den Schmiedeprozess benötigten Holzkohle zu einem weitgehenden Kahlschlag des Spessarts. Aufgrund der erst allmählich effizient werdenden Forstämter, die nach dem Übergang der Wälder aus dem Besitz des Erzbischofs von Mainz im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts an die Königreiche Hessen und Bayern gefallen waren, begannen zu diesem Zeitpunkt, die ersten Wiederaufforstungsmaßnahmen Raum zu greifen. Diese waren jedoch nicht dazu angetan, den bestehenden Mangel an Brennholz zu beseitigen. Mit dem Bau der Bahnlinie zwischen Aschaffenburg und Würzburg sowie 1889 mit dem Bau der Kahlgrundbahn war der Anschluss an ein weit ausgreifendes Bahnsystem geschaffen, konnte Steinkohle vergleichsweise kostengünstig in den Spessart transportiert werden. Die Steinkohle wurde von Industrie und Haushalt gleichermaßen benötigt. Zusätzlich versuchten größere Betriebe, mittels mit Steinkohle betriebenen Maschinen ihre Produktion zu steigern. Wie im Falle der Hasenmühle in Alzenau dargestellt, waren solche Investitionen nicht immer von Erfolg gekrönt.12

Im Falle des vermutlich nur einmal gefeuerten Feldbrandofens bei den Dörsthöfen kam der neue Brennstoff ebenfalls zum Einsatz. Das Jahr 1889, an dem die Steinkohle erstmals für solche Zwecke günstig an diesen Ort hätte verbracht werden können bildet den terminus post quem zur Datierung des Gewerks und damit auch der Periode 6.

Der Feldbrandofen wurde mit Steinkohle gefeuert.

Ziegelsteine werden aus Lehm, einem Gemisch aus verschiedenen Tonarten und Sand, hergestellt. Die Zusammensetzung des Lehms ist regional sehr unterschiedlich und bestimmt die Qualität der Ziegelprodukte. In vorliegendem Fall lassen sich bist zu faustgroße Einschlüsse von Kristallinem Urgestein als Magerungsmittel nachweisen. Sie sprechen dafür, dass der Ziegelton in unmittelbarer Nähe zum Feldbrandofen gestochen worden sein dürfte. Nach der Aufbereitung des Tons, dessen Formgebung am Streichtisch und dem Trocknen in Trockengestellen folgte das Einsetzen der lederharten Backsteine in den Ofen.

Dort wurde das Baumaterial bei einer Temperatur von ca. 1000°C in einem Feldbrandofen gebrannt. Der Feldbrandofen, auch Meiler genannt, bestand ausschließlich aus Rohlingen und Feinkohle. Beim Aufbau des Ofens wechselte je eine Schicht Kohle mit einer Schicht Rohlinge. Auf der Ofensohle legte man sogenannte Schürgassen an. Hier wurde das Feuer entzündet. In zwei bis sechs Wochen, je nach Größe des Meilers, fraß sich das Feuer von den Schürgassen bis in die Ofendecke. Der Brenner, meist ein besonders erfahrener Ziegler, kontrollierte während der gesamten Brennphase das Feuer. Danach kühlten die gebrannten Ziegel noch einige Tage aus, bevor sie mit Pferdefuhrwerken zur Baustelle gebracht werden konnten.

Periode 7: Drainagierung des Areals im 20. Jahrhundert

Als in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Gastronomie auf den beiden zu den Dörsthöfen gehörenden Anwesen ausgebaut wurde, ging dies auch mit größeren Kanalisationsarbeiten einher. Eine der offensichtlichsten war die Abführung des Wolfsbachs durch einen unterirdischen Kanal. Dieser verläuft parallel zur Fahrtstraße östlich von Schnitt 1. Zusätzlich wurden mindestens drei Abwasserkanäle von den beiden Liegenschaften der Familie Simon angelegt. Dieser queren die 2023 untersuchte Fläche. Vor der Entscheidung, an dieser Stelle archäologisch tätig zu werden, waren diese lediglich dem Eigentümer bekannt. Wäre dies auch den Ausgräbern bekannt gewesen, hätte man von der mehrmonatigen Grabung mit Sicherheit Abstand genommen.

Die in einer Tiefe von ca. einem Meter verlegten Betonröhren weisen einen Durchmesser von annähernd einem Meter auf. Als bei den Baggerarbeiten zwei dieser Rohre zutage traten, musste die Grabungsfläche erheblich verkleinert werden, um die Funktion der Röhren weiterhin zu gewährleisten. Die mangelnde Dichtheit der Rohre führte in einem Fall zum Abbrechen eines Profils. In der Folge musste die Fläche dann aufgrund der Gefahr der Instabilität der Rohre genau zu dem Zeitpunkt aufgegeben werden, als sich die Möglichkeit zur genaueren Untersuchung der Verfüllung des Bachlaufs bot.

Die Rohre wurden ohne Berücksichtigung der anthropomorphen Spuren verlegt. In den Trassen liegende Fragmente von Steinzeugrohren lassen vermuten, dass bereits zuvor an dieser Stelle allerdings deutlich kleiner Leitungen existiert haben dürften.

Periode 8/9: Anlage der natürlichen Kläranlage nördlich der Grabungsfläche um 1980 (Periode 8); landwirtschaftliche Nutzung nach 1980 (Periode 9)

Bald nach Beginn der Grabungen wurde am Nordprofil von Schnitt 1ein Teil jener Aufwerfungen abgetragen, die um1980 anlässlich der Anlage einer natürlichen Kläranlage dort angeböscht worden war. Es zeigte sich, dass das Aushubmaterial aus jenem Bereich stammt, in dem sich in der Periode 2 der Keramikbrennofen befunden haben dürfte. Die Fundstücke (Fz-Nr. 34 und 35) entsprechen in ihrer Art und formalen Gestalt den bei der Anlage der Kläranlage geborgenen Keramiken und Ofenlehmteilen.

Die Strate mit dem Aushub setzte sich durch ein breites, darunter liegendes humoses Band von jenen Auflagerungen ab, die sich dort in der Periode 5 gebildet haben.

Fazit

In einer annähernd vier monatigen Grabungskampagne konnte die Arbeitsgemeinschaft Dörsthöfe unter Federführung des Archäologischen Spessartprojekts e.V. das südlich an die Dörsthöfe angrenzende Areal archäologisch untersuchen. Mit der Maßnahme betrat das ASP weitgehend Neuland. Es ging nicht darum, eine bereits bekannte Baustruktur nach ihrer Einbettung in die Kulturlandschaft zu hinterfragen. Vielmehr wurde ein weitgehend befundfreies Gelände danach befragt, wie lange und wie intensiv der anthropogene Einfluss war und welche Auswirkungen dies auf die eine historische Baulichkeit umgebende Landschaft hat.

All diese Fragen konnten zur Zufriedenheit beantwortet werden. Überraschend war die zeitliche Tiefe. Auch konnte erkannt werden, dass der achtperiodige human impact immer nur zeitlich befristet erfolgte. Periodenübergreifende Investitionen in das direkte Umfeld einer Siedlung waren nicht zu erkennen.

Es gelang darüber hinaus, Strukturen und Befunde genauer mit archäologischen und naturwissenschaftlichen Methoden in den Fokus der Betrachtung zu rücken, deren Relevanz für die Feldforschung und Bodendenkmalpflege noch nicht erkannt ist. Als Beispiele dafür seien die Spuren des Starkregenereignisses von 1784 (Periode 5) und der um 1900 an dieser Stelle betriebene Feldbrandofen benannt.

Die Grabung bei den Dörsthöfen ist ein weiterer Baustein in einer nunmehr neunzehnjährigen Forschungstätigkeit, bei der mittelalterliche und neuzeitliche Strukturen im Spessart und angrenzenden Regionen an ausgewählten Bodendenkmälern ausschnittsweise untersucht werden. Beispielhaft für vergleichbare Mittelgebirgsregionen sind inzwischen weitreichende, zum Teil sehr detaillierte Aussagen über die Territorialpolitik, die Wirtschaftsweise und den Alltag in Dörfern, Burgen und Klöstern möglich. Zu der für die archäologischen Forschungen relevanten Zeit erfuhr die Kulturlandschaft Spessart außerhalb der Städte einen tiefgreifenden Wandel. Im Hinterland der urbanen Ballungszentren Aschaffenburg und Würzburg wurden Rohstoffe abgebaut und verarbeitet. Eine Optimierung brachte der Auf- und Ausbau einer angemessenen Infrastruktur, wie sie sich beiden Dörsthöfen im archäologischen Befund aufzeigen lässt.

 

Harald Rosmanitz 2024


Weiterführende Literatur:

Brunk-Tan, Jeanne (2021): Hasenmühle in Alzenau. 700 Jahre Geschichte. Alzenau (Mittelungsblatt des Heimat-und Geschichtsvereins Alzenau e.V. Geschichtsnotizen, 18).

Courtillot, Vincent (2005): New evidence for massive pollution and mortality in Europe in 1783–1784 may have bearing on global change and mass extinctions. In: C. R. Geoscience 337, S. 635–637.

Endres, Werner; Loibl, Werner (Hg.) (1988): Beiträge zur handwerklichen fränkischen Keramik. Lohr a. Main (Schriften des Geschichts- und Museumsvereins Lohr a. Main, 22).

Fleck, Peter (1993): Der Hauenstein im Kahlgrund. Burg und Höfe im Laufe der Jahrhunderte. In: Gemeinde Krombach/Ufr. (Hg.): Krombach 1237 bis 1993. Aus der Geschichte einer Spessartgemeinde. Krombach, S. 145–166.

Grendel, Ingrid (2008): Miscellania. Aufzeichnungen des Pfarrers Franz Joseph Krick von 1772 bis 1814. Wie der „kleine Mann“ die umwälzenden Neuerungen einer ereignisreichen Zeit erlebte und erlitt. Alzenau.

Griebel, Emil (1982): Chronik des Marktes Mömbris unter besonderer Berücksichtigung des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandels im 19. und 20. Jahrhundert. Kahl am Main.

Larsen, Annegret (2011): Past natural and anthropogenically sediment flux in the Spessart mountains. A central European landscape. (masch. Diss.). Kiel.

Nees, Gerard; Kehrer, Hermann (2002): Alzenauer Wetterchronik. Die interessantesten Wetterereignisse in Alzenau, im Kahlgrund und am Untermain von 365 bis 1999. Großkrotzenburg.

Nelle, Oliver; Dannath, Yasmin; Paysen, Arne; Larsen, Annegret (2013): Historische Köhlerei im Spessart. Holzkohlespektrum und Waldnutzung am Beispiel des Kirschgrabens, Heimbuchenthal. In: Hoppea. Denkschrift der Regensburgischen Botanischen Gesellschaft 74, S. 121–134.

Rosmanitz, Harald (2010): Fund(ge)schichten. Die Keramik des 13. Jahrhunderts vom Schlösschen Michelbach und den Dörsthöfen bei Alzenau, Lkr. Aschaffenburg. (masch. Manuskript). Partenstein.

Schinauer, Claudia (2020): Die Funde von der Burg Mole bei Heimbuchenthal. Material des 14. und 15. Jahrhunderts und sein kulturlandschaftlicher Kontext. (masch. Masterarbeit). Blankenfelde.

Schneider, Ernst (1964): Keramik am Untermain. Aschaffenburg: Pattloch (Veröffentlichungen des Geschichts- und Kunstvereins Aschaffenburg, 8).


 

  1. Rosmanitz 2010, S. 5-15
  2. Schinauer 2020, S. 32-42
  3. Vgl. dazu Fleck 1993; Griebel 1982. Zur Wetterauer Fehle und ihrer Auswirkungen auf die Niederadelssitze im Kahlgrund erscheint demnächst eine ausführliche Abhandlung von Lina Schöder.
  4. Larsen 2011; Nelle et al. 2013
  5. Endres und Loibl 1988; Schneider 1964
  6. Nees und Kehrer 2002
  7. Nees und Kehrer 2002, S. 27-29
  8. Nees und Kehrer 2002, S. 98-100
  9. Nach https://www.bernd-nebel.de/bruecken/index.html?/bruecken/4_desaster/1784/1784.html. Der Website ist auch die zeitgenössische Literatur zu diesem Thema und die aktuellen Forschungen zu entnehmen.
  10. Courtillot 2005
  11. Grendel 2008
  12. Brunk-Tan 2021