Der Gebrauch des Feuers zum Kochen und zum Heizen ist ein Grundbedürfnis des Menschen. Er war bestrebt, durch technische Innovationen die von der Natur zur Verfügung gestellte Energie möglichst effizient zu nutzen. Dies lässt sich an der Entwicklung der Raumheizung ablesen. Erste Kachelöfen sind in Süd- und Südwestdeutschland bereits für das 11. Jahrhundert archäologisch nachgewiesen.1 Die von einem Lehmmantel umschlossene Feuerstelle ermöglichte sowohl die Befeuerung als auch die Entsorgung der Abwärme von einem gesonderten Raum aus. Durch das anfänglich vereinzelte und später flächendeckende Einfügen von Keramik in die Ofenwandung konnte die Ofenoberfläche vergrößert werden. Mit Hilfe der erweiterten Abstrahlungsfläche des Heizkörpers ließ sich bei gleichbleibender Energieabgabe das immer knapper werdende Brennholz in nicht unerheblicher Menge einsparen. Gleichzeitig speicherte die Keramik die Strahlungswärme des Holzfeuers und gab diese noch lange nach dessen Verlöschen in den Wohnraum ab.

Von den Dörsthöfen sind Fragmente von Ofenkeramiken für die Periode 2 und für die Periode 3 belegt.

Fragmente von Spitzkacheln aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts

In der Periode 2 sind Spitzkacheln mit weiter Mündung zu nennen. Sie stammen aus dem Produktionsspektrum der dort tätigen Töpferei.

Fragmente von Napfkacheln aus der Zeit um 1400

Am Ende des 14. Jahrhunderts sind die Einflüsse der Kachelproduktion aus Dieburg spürbar. Sowohl dort gefertigte hellbrennende Becherkacheln mit weit ausschwingender Mündung, als auch Napfkacheln dürften in einen Ofen verbaut gewesen sein, der in einem Fachwerkhaus stand (Schnitt 3). Dort fanden sich darüber hinaus Reste von Halbzylinderkacheln mit durchbrochenen Vorsatzblättern. Dessen Feuerkasten dürfte aus unglasierten Napfkacheln, der Oberofen aus gelb- und grünglasierten Halbzylinderkacheln bestanden haben.2 In ihrer Zusammensetzung ähnliche Fundensemble stammen von der Burg in Alzenau sowie von der Burg Mömbris.3

Fragment einer Nischenkachel von Typ Tannenberg, Dieburg um 1400

Reliefierte Nischenkacheln vom Typ Tannenberg sind aufgrund der Nähe zum Fertigungsort Dieburg im Spessart weit verbreitet. Sie fanden sich im Fundgut des Klosterbergs bei Hösbach-Rottenberg4 ebenso wie auf der Burg Mole in Heimbuchenthal5, auf der Burg Wildenstein6 sowie auf der Burg Bartenstein bei Partenstein7.

Rekonstruktion der Vorderseite der auf den Dörsthöfen gefundenen Nischenkachel (Visualisierung: Sabrina Bachmann, Heimbuchenthal)

In den Niederlanden, im Großraum Köln, entlang des Rheins und der Unterläufe von Main und Neckar stellen Halbzylinderkacheln vom Typ Tannenberg ein herausragendes Element im Spektrum der dort anzutreffenden, spätmittelalterlichen keramischen Inventare dar. Ihre Bedeutung liegt weniger in ihrer Rolle als vermeintliche Leitform zur Datierung oder als Sozialindikator. Mit dieser Kachelart wurde in den genannten Regionen vielmehr der Schritt von den bis dahin größtenteils aus scheibengedrehten Becher- und Spitzkacheln bestehenden Kachelöfen zu hochwertigen, zumindest in Teilen reliefverzierten Raumheizungen in repräsentativen Räumlichkeiten vollständig und konsequent vollzogen. In den archäologisch teiluntersuchten Produktionszentren von Halbzylinderkacheln des Typs Tannenberg in Brühl,8 Dieburg,9 Köln10 und Mayen11 führten gleich mehrere Faktoren zur Serienfertigung der Ofenkeramiken. Im Falle von Dieburg, von wo auch der Hausherr von den Dörsthöfen seine Ofenkeramiken bezogen haben dürfte, entwickelte sich die Kachelproduktion für die ortsansässigen Töpfereien für die Dauer einer Generation zu einem bedeutenden wirtschaftlichen Standbein aus. Der Transport vom Produzenten zum Endverbraucher erfolgte über die Flusssysteme Rhein und Main und in unserem Fall auch über die temporär schiffbare Kahl. Charakterisiert wird der nach der Burg Tannenberg bei Seeheim-Jugenheim benannte Kacheltypus durch den hell brennenden Ton, durch das reliefierte Vorsatzblatt mit genastem Dreiecksgiebel, sowie durch die holzschnittartigen, stark stilisierten Dekore in den beiden daran anschließenden, oberen Zwickeln. Die Halbzylinderkacheln von den Dörsthöfen lassen sich der zweiten Dieburger Kachelphase zuweisen. Die Zerstörung der Burg Mömbris von 1405, aus der annähernd identisches Material stammt, gibt einen chronotypologischen Ansatz für die Bewertung der Fundstücke.

So könnte der dazugehörige Ofen ausgesehen haben (Visualisierung: Sabrina Bachmann, Heimbuchenthal)

 

Harald Rosmanitz, Partenstein 2024


Weiterführende Literatur:

Döhner, Georg; Grunwald, Lutz (2022): Ein Töpferofen des 14. Jahrhunderts aus Mayen in der Eifel. Beobachtungen zur Keramikproduktion. In: Georg Döhner und Lutz Grunwald (Hg.): Keramik in Berlin, Brandenburg und Europa. Produktion, Innovation, Handel und Handelsgeschichte. Berlin, S. 80–102.

Enders, David; Rosmanitz, Harald (2015): Tatort Burg. Die Ausgrabungen auf der Burg Wildenstein. In: Beiträge zur Archäologie in Ober- und Unterfranken 9, S. 317–352.

Grimm, Gerald Volker (2009): Brühler Ofenkacheln aus dem Mittelalter. Mit einem Beitrag zur Datierung und zur Entwicklung der Verkleidungen vom Typus Burg Tannenberg. In: Bonner Jahrbücher 209, S. 215–238.

Prüssing, Peter (2013): Mittelalterliche und frühneuzeitliche Ofenkacheln aus Dieburg. Ein Beitrag zur Geschichte des Kachelofens. In: Beiträge zur Erforschung des Odenwaldes und seiner Randlandschaften 8, S. 241–300.

Rosmanitz, Harald (2010): Die Niederungsburg „Mole“ bei Heimbuchenthal im Spessart. In: Georg Ulrich Großmann (Hg.): Die Burg zur Zeit der Renaissance. Berlin, München (Forschungen zu Burgen und Schlössern, 13), S. 227–240.

Rosmanitz, Harald (2012): Heimbuchenthal, Lkr. Aschaffenburg, Burgstall Mole. Maßnahmen-Nr. M-2008-168-1 und -2. Archäologische Untersuchungen, Mai bis Juli 2008 und Mai bis Juli 2009. (masch. Manuskript). Partenstein.

Rosmanitz, Harald (2014): Hösbach-Rottenberg, Lkr. Aschaffenburg, Klosterberg. Maßnahmen-Nr. M-2013-816-1_0. Archäologische Untersuchung. Mai bis Juli 2013. (masch. Manuskript). Partenstein.

Rosmanitz, Harald (2015): Die Ofenkacheln vom Typ Tannenberg. Eine spätgotische Massenproduktion im Spannungsfeld von Produzent und Konsument. In: Stefan Hesse, Tobias Gärtner und Sonja König (Hg.): Von der Weser in die Welt. Festschrift für Hans-Georg Stephan zum 65. Geburtstag. Langenweißbach: Beier & Beran (Alteuropäische Forschungen, NF 7), S. 355–373.

Rosmanitz, Harald (2022): Reliefierte Ofenkacheln des Spätmittelalters und der Neuzeit aus dem Spessart im Spannungsfeld von Motivgeber, Handwerker und Verbraucher. Möglichkeiten und Grenzen einer induktiven Kontextualisierung. (masch. Diss). Partenstein.

Rosmanitz, Harald; Bachmann, Sabrina; Geißlinger, Michael (2019): Partenstein, Lkr. Main-Spessart, Burg Bartenstein, Maßnahmen-Nr. M-2016-1339-1 und 2_0. Archäologische Untersuchungen Juli bis November 2016 sowie Mai bis August 2017. (Masch. Manuskript). Partenstein.

Rosmanitz, Harald; Reichert, Christine (Hg.) (2014): Eschau, Lkr. Miltenberg, Burg Wildenstein. Maßnahmen-Nr. M-2011-676-1_0. Archäologische Untersuchungen, April/Mai 2011 sowie August bis Oktober 2012. (masch. Manuskript). Partenstein.

Roth Heege, Eva (Hg.) (2012): Ofenkeramik und Kachelofen. Typologie, Terminologie und Rekonstruktion im deutschsprachigen Raum. Basel: Schweizerischer Burgenverein (Schweizer Beiträge zur Kulturgeschichte und Archäologie des Mittelalters, 39).

Schinauer, Claudia (2020): Die Funde von der Burg Mole bei Heimbuchenthal. Material des 14. und 15. Jahrhunderts und sein kulturlandschaftlicher Kontext. (masch. Masterarbeit). Blankenfelde.

Unger, Ingeborg (Hg.) (1988): Kölner Ofenkacheln. Die Bestände des Museums für Angewandte Kunst und des Kölnischen Stadtmuseums. Köln.


 

  1. Roth Heege 2012
  2. Rosmanitz 2015; Rosmanitz 2022, S. 61-139
  3. Rosmanitz 2022, S. 334-346
  4. Rosmanitz 2014, S. 29-30.
  5. Rosmanitz 2012; Rosmanitz 2010, S. 229; Schinauer 2020, S.79-81
  6. Enders und Rosmanitz 2015, S. 340-342; Rosmanitz und Reichert 2014, S. 53-55; Rosmanitz 2022, S. 61-86
  7. Rosmanitz et al. 2019, S. 64-65.
  8. Grimm 2009
  9. Prüssing 2013
  10. Unger 1988; S. 64-77, Kat. 7-37.
  11. Döhner und Grunwald 2022