Laudatio von Dr. Michael Hoppe auf Dr. Gerhard Ermischer
Die Laudatio hielt Dr. Michael Hoppe vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege.

Die Laudatio hielt Dr. Michael Hoppe vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege.

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Mitglieder, liebe Gäste,

alle zwei Jahre wird der „Carl-Gottfried-Scharold“-Preis für herausragende Leistungen in der Erforschung und Darstellung der unterfränkischen Regionalgeschichte in ihren verschiedensten Zweigen – so der offizielle Wortlaut der Satzung – vergeben. In diesem Jahr geht der Preis an Dr. Gerhard Ermischer für seine mehr als herausragenden Leistungen als Initiator, Gründer und Leiter des Archäologischen Spessartprojektes, eines gemeinnützigen Vereins, der sich der Erforschung, Vermittlung und Pflege der Kulturlandschaft Spessart widmet und der inzwischen, wie kaum eine andere Einrichtung, die Erforschung der Regionalgeschichte in ihren verschiedensten Zweigen weit über den Spessart hinaus international und interdisziplinär vernetzt betreibt.

Wer ist nun dieser Mann und was verbirgt sich hinter dem Archäologischen Spessartprojekt?

Heute schaut man mal schnell ins Internet und findet bei Google unter dem Stichwort Gerhard Ermischer über 200 Treffer, unter dem Stichwort Spessartprojekt gar über 4000 Treffer. Er und das Projekt müssen also schon etwas Bedeutendes sein.

Gerhard Ermischer wurde 1963 in Salzburg geboren, legte 1981 das Abitur bzw. die Matura, wie es dort heißt, ab und begann ein Medizinstudium.

1984 wechselte er zur Geschichte, Kunstgeschichte und Vor- und Frühgeschichte in Innsbruck mit Auslandsstudienaufenthalten in Southampton, Bonn und in Rom.

Wie kommt nun ein Österreicher nach Unterfranken?

1993 promovierte Ermischer mit einer Arbeit über Albertus Magnus und die Gotik in Deutschland. A. Magnus, der Universalgelehrte des späten Mittelalters, der gelegentlich als Vater der Gotik angesehen wird, hielt sich von 1262 bis 1267 auch in Würzburg auf. Also schon mal eine Verbindung nach Unterfranken, aber nicht die einzige. Wichtiger, eher rein praktischer Natur, war während seines Studiums ein Werkvertrag zur Aufarbeitung mittelalterlicher Grabungsfunde aus Aschaffenburg, der ihn 1992 an den Untermain zog.

Aus dem Werkvertrag wurde ein Zeitvertrag und dann eine Festanstellung bei den Museen der Stadt Aschaffenburg als wiss. Kurator. Gerhard Ermischer war an der Neuaufstellung der Museumssammlungen beteiligt und wirkte an zahlreichen Sonderausstellungen maßgeblich mit, zuletzt etwa an der großen Cranach-Ausstellung 2007. Daneben nahm er auch Aufgaben eines Stadtarchäologen wahr und betreute in Zusammenarbeit mit dem BLfD Grabungen und baubegleitende Dokumentationen im Stadtgebiet.

Anlass für die heutige Preisverleihung sind aber nicht seine zweifelsohne großen Verdienste in der Museumstätigkeit sondern, wie oben bereits erwähnt, der Aufbau und die überaus erfolgreiche Lenkung des Archäologische Spessartprojekts, für das er sich lange Zeit neben seinem eigentlichen Job im Museum engagierte und nun hauptamtlich als Vorsitzender verantwortlich zeichnet.

Schon früh in seiner Aschaffenburger Zeit weckte der Spessart, vielleicht weil es für einen Salzburger die einzigen höheren Berge in der Nähe waren, sein Interesse.

Zur Vorbereitung eines Spessartkongresses bildete sich 1994 auch eine Arbeitsgruppe Archäologie, die sich zum Ziel gesetzt hatte, archäologische Denkmäler der Spessartregion Ländergrenzen übergreifend zu erfassen. Treibende Kraft war – sie werden es vermuten – Gerhard Ermischer, der auch den Vorsitz inne hatte.

Aus dieser einstigen archäologischen Arbeitsgruppe entwickelte sich unter der Federführung von G. Ermischer das Archäologische Spessartprojekt e.V., das Anfangs auf die freiwillige Unterstützung von regionalen Gebietskörperschaften und Sponsoren aus der Region angewiesen war. Diese unsichere Basis war für Ermischer Anlass, das Archäologische Spessartprojekt in einen internationalen Kontext zu stellen und gleichgesinnte Partner zu suchen, die sich Dank seiner Fähigkeiten, Kontakte und Netzwerke zu knüpfen, auch schnell fanden. Es entstand das internationale Projekt „European Cultural Paths“ (Europäische Kulturwege), das im Rahmen des sog. RAPHAEL-Programms in die Kulturförderung der EU aufgenommen worden ist. Partner waren damals Einrichtungen in Skandinavien und im Baltikum.

Die EU-Förderung wirkte sich nun auch positiv auf die Lokalpolitik aus und verhalf dem Archäologischen Spessartprojekt zu einem festen, anerkannten Platz in der Region.

Einige Jahre später – nach Auslaufens des RAPHAEL-Programms der EU – ist das Archäologische Spessartprojekt maßgeblich am Entstehen eines neuen, noch umfassenderen europäischen Projekts beteiligt: Dem „Pathways to Cultural Landscapes“ in dem 12 ausgewählte Europäische Kulturlandschaften in 10 Ländern – mit dem Spessart in der Mitte – vereinigt sind und durch das neue EU-Programm „Kultur 2000“ gefördert werden.

Das neue Projekt widmet sich nun ganzheitlich der interdisziplinären Erforschung, Vermittlung und Pflege der Kulturlandschaft Spessart. In vielen Teilprojekten werden die Vorgeschichte, Geschichte, Geographie, Geologie, Biologie, Landschaftsentwicklung, Sprache usw. erfasst, erforscht und vor allem Konzepte zur Vermittlung der Ergebnisse und einer nachhaltigen Entwicklung bzw. Pflege der Kulturlandschaft erarbeitet.

Die wichtigsten Leistungen und Forschungen der letzten Jahre waren bzw. sind u.a.:

  • Aufbau eines geographischen Fachinformationssystems (GIS), in dem Daten aus allen Fachbereichen zusammengefasst, vernetzt und vereinfacht ausgedrückt digital in der Fläche dargestellt werden können
  • Aufbau einer Standartkurve für die Jahresringchronologie im Spessart
  • Erfassung und Auswertung historischer Karten, Urkunden und anderer Textquellen zum Spessart
  • Naturwissenschaftliche Untersuchungen zur Botanik, Geologie und Bodenkunde, teilweise in Zusammenhang mit
  • Archäologischen Forschungsgrabungen in Burgen des Spessarts, die bisher bereits zahlreiche neue Ergebnisse zur frühen Spessartgeschichte erbrachten.

Dazu wurde im Laufe der Zeit die Zusammenarbeit mit zahlreichen Institutionen aufgebaut, so etwa mit dem

  • Senckenberg Institut Frankfurt,
  • dem Fraunhofer Institut Darmstadt,
  • den Universitäten Würzburg, Frankfurt, Mainz, Giessen, Kiel, Berlin, Southampton und Budweis.

Kooperationsverträge wurden mit den Gebietskörperschaften Gemeinden und Städten der Region abgeschlossen und zur nachhaltigen Stärkung der Forschungsarbeit auch ein Kooperationsvertrag mit der Universität Würzburg, in dessen Rahmen die wiss. Auswertungen der Arbeiten in Form von Magisterarbeiten und Dissertationen gefördert werden und auch den Studenten im Rahmen von Praktika die Mitarbeit ermöglicht werden soll.

Auf europäischer Ebene ist das ASP in verschiedenen Netzwerken zur Kulturlandschaftserforschung und bei der Umsetzung der europäischen Landschaftskonvention engagiert.

Das Archäologische Spessartprojekt hat sich aber nicht in den Elfenbeinturm der Wissenschaft zurückgezogen, sondern steht im intensiven Dialog mit den Menschen der Region. So werden zahlreiche Veranstaltungen zum Thema Kulturlandschaft durchgeführt und auch die bereits bestehenden örtlichen Vereine aller Art und staatliche wie kommunale Einrichtungen in die Projekte eingebunden. Etwa bei der Einrichtung der Kulturwege. So sind bis heute über 60 Kulturwege eröffnet worden, deren Themenschwerpunkte auf Informationstafeln im Gelände und auf Faltblättern erläutert werden. Oder bei den Ausgrabungen, an denen sich Mitglieder der Geschichtsvereine und die Gemeinden mit Rat und Tat beteiligen und stets für eine hervorragende Infrastruktur sorgen.

Forschung und Vermittlung sind die beiden Schwerpunkte des ASP. Man kann heute mit Recht sagen, dass der Spessart auf dem besten Wege ist, von einer fränkischen Randregion, die reich an Bäumen und Räubern- mit einem Wirtshaus in der Mitte – einer Region großer Noth – um Virchows Beurteilung von 1852 aufzugreifen – zu einer auf allen Gebieten am besten erforschten Region Mitteleuropas zu werden.

Dafür steht maßgeblich der Name Gerhard Ermischer, dessen Geschick zu überregionalen und internationalen Vernetzungen sich auch an den zahlreichen Mitgliedschaften zeigt.

So ist Ermischer

  • Präsident des Europaprojekts „Pathways to Cultural Landscapes,
  • Vorstandsmitglied des West- und Süddeutschen Altertumsverbandes,
  • Vorstandsmitglied in der European Association of Archaeologists,
  • Präsident des Bayerischen Wanderverbandes,
  • Mitglied in der Gesellschaft für Archäologie in Bayern,
  • Mitglied im Spessartbund,

um nur einige zu nennen.

Natürlich läuft das Projekt heute nicht mehr quasi nebenbei, sondern auf der Basis eines festen Mitarbeiterstammes und zahlreichen projektbezogenen Mitarbeitern.

Daher möchte ich Dir, lieber Gerhard, ans Herz legen, die Ehrung in geeigneter Form auch an deine Mitarbeiter weiterzugeben und möchte Dir nun den Preis, eine Bronzeplastik des unterfränkischen Künstlers Max Walter mit dem Titel „Kopfform“ überreichen.

Ich hoffe, dass du den Preis nicht ablehnen wirst – wie jüngst erst geschehen bei einer anderen Preisverleihung – aber er wird auch nicht fürs Lebenswerk verliehen. Du bist ja erst am Anfang deiner Schaffensperiode – und ich denke, es werden wohl noch so einige Ehrungen folgen.

Dr. Michael Hoppe, Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege