Lit Streifzug 12

Wilhelm Heinse (Langewiesen 1746 – Aschaffenburg 1808)

Hofbibliothekar in Aschaffenburg

Aphorismen

Der Deutsche isst und trinkt gern etwas Gutes, aber nichts allzu Feines oder allzu Scharfes. Er hält überhaupt die herrliche Mittelstraße, wobei man wohl am glücklichsten zu sein pflegt ; denn alles zu Scharfe oder zu Feine ist eine Spitze, die entweder nur einen Moment Empfindung lässt oder leicht Schmerz erweckt ; doch ist dieser Moment immer das höchste Leben, und folglich, wenn man Glückseligkeit ohne Rücksicht auf Zeit betrachtet, auch der glücklichste.

Alles Große besteht aus Kleinem. Wer vom Kleinen nicht Besitz nimmt, kann das Große nie erwerben.

Ich habe noch keinen Charakter in der Natur gefunden, der sich immer gleichgeblieben wäre; so wenig als einen Baum, der sich von keinem Winde bewegt hätte. Und wie hart ist das weichste Holz gegen den rausten Menschen?

Man kann nicht eher ruhen, als bis man müde ist.

Der Magen ist der König im Schachspiel des menschlichen Lebens.

Das Berühmtwerden der meisten geschieht mehr durch andre als durch sie selbst.

Die Wahrheit ist die Nahrung der Seele und der gute Geschmack ihr Vergnügen, ihr sauer und süß und bitter. Witz und Laune gehören also zum guten Geschmacke, so wie Champagner zum Vergnügen.

Derjenige Mensch und Bürger ist vollkommen, welcher seine und des Staates Rechte kennt und ausübt.