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Der Gotthardsberg von Osten aus gesehenAuf seiner etwa 100 Meter frei emporsteigenden Bergkuppe bildet derGotthardsberg die markanteste Erhebung im Tal der Mud. Von seiner Spitze aus kann ein Rundblick in sieben Täler genossen werden. Von dem ehemaligen Frauenkloster hat sich heute nur noch die 1956 wieder eingedeckte Kirchenruine obertägig erhalten. Sie steht auf dem höchsten Punkt eines nach Osten weisenden Bergsporns. Nach drei Seiten hin fällt das Gelände steil in die Täler ab. An seiner Ostseite setzt sich der Höhenrücken stufenartig abgetreppt über mehrere hundert Meter fort, bis ein tief einschneidender Graben die Kuppe vom westlichen Ausläufer des Sommerberges trennt. Die exponierte Lage in der umliegenden Landschaft mit Sicht bis in den Spessart macht deutlich, welchen strategischen Vorteil man sich zu allen Zeiten von einer Bebauung auf dem Berg versprach. In jüngerer Zeit ist die Anlage vor allem von touristischem Interesse. Im Jahre 1878 wurde der Rundturm auf der Nordostseite der Kirche erhöht und zum Aussichtspunkt ausgebaut. Entscheidend für die Wahrnehmung des Ensembles war die Entwaldung der Hügelkuppe in den 1990er-Jahren.

Der Gotthardsberg von Amorbach zum Main hin gesehen. Auf dem Luftbild ist die strategische Bedeutung der Anlage augenscheinlich.Die Geschichte des Gotthardsberges lässt sich archivalisch bis ins 8. Jahrhundert zurückverfolgen.[1] Eine erste schriftliche Erwähnung erfolgt im Jahre 1168, als das „castrum francenberg“ auf persönliches Geheiß von Friedrich Barbarossa niedergelegt wurde.[2] Mit den Gründen, die den Kaiser in seiner am 10. Juli 1168 verfassten „Güldenen Freiheit“ zu diesem Schritt veranlassten, beschäftigte sich der Miltenberger Kreisheimatpfleger Wolfgang Hartmann.[3] Auf dem nun urkundlich der Kirche übereigneten Berg wurde ein Frauenkloster erbaut, welches der Vogt des Klosters Amorbach, Konrad von Dürn 1244 auflöste. Die Nonnen wurden in das 1239 gegründete Kloster Seligental bei Osterburken verlegt. Auf Intervention des Papstes Innozenz IV. (reg. 1243-1254) gab Konrad das Kloster im Jahre 1245 an die Nonnen zurück. Wie aus der päpstlichen Urkunde zu erfahren, hatte Konrad von Dürn in der Zwischenzeit auf dem Gotthardsberg mit dem Neubau einer zweiten Burg begonnen.[4] Mit dem Ausbau des Klosters nach 1245 wurden auf dem Gotthardsberg unverrückbare Tatsachen geschaffen. Die Herren von Dürn sahen in der Folge von einer neuerlichen Wehranlage auf dem repräsentativen Standort ab und verstärkten ihre Bautätigkeit in der, nur wenige Kilometer südlich von Amorbach liegenden, Burg Wildenberg.[5]  Ein nächster, einschneidender Besitzerwechsel auf dem Berg erfolgte am 4. September 1439.[6]  Der Urkunde zufolge befand sich das Kloster zu diesem Zeitpunkt in einem verwahrlosten Zustand. Daher wurde es zusammen mit seinen Ländereien direkt der Abtei Amorbach unterstellt. Die Mönche führten den von den Nonnen erfolgreich aufgebauten Wirtschaftbetrieb weiter. Investitionen erfolgten besonders im Weinbau. So baute man einen tonnengewölbten Keller aus, der unter dem Prioratshaus liegt.

Blick in die Gotthardsruine nach Westen. Der Kupferstich gibt die Situation von 1892 wieder.Aus jener Zeit stammt auch die sich nördlich anschließende, ebenfalls unterirdische Kelter. Die Mönche bewohnten und bewirtschafteten den Gotthardsberg nur annähernd ein Jahrhundert lang. Als Götz von Berlichingen mit seinen Truppen in Amorbach lagerte, wurde am 4. Mai 1525 die Wildenburg niedergebrannt. Etwa gleichzeitig ging auch die Bebauung auf dem Gotthardsberg in Flammen auf. Da die meisten Gebäude des Priorats in Fachwerktechnik errichtet waren und bis auf die Grundmauern niederbrannten, erhielten sich über die Jahre lediglich die Ruinen der vollständig aus Stein ausgeführten Klosterkirche. Vieles spricht dafür, dass nach der Brandkatastrophe von 1525 von einem Fortbestand des Wirtschaftsbetriebes auf dem Berg abgesehen wurde. Die Aufbereitung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse dürfte ab dieser Zeit vollständig auf dem Areal des Klosters im Tal erfolgt sein. Hierfür notwendige, zusätzliche Gebäude zeichnen sich bis heute im Weichbild der Stadt Amorbach deutlich ab. Ein zweiter Grund für die Aufgabe der Besiedelung auf dem Gotthardsberg dürfte die mit dem Brand einhergegangene Zerstörung der Infrastruktur, insbesondere der Wasserversorgung, gewesen sein. Blad nach 1600 wurde die Kirche auf dem Gotthardsberg auf Initiative des Klosters Amorbach in Teilen wiederhergestellt.[7] Dass dabei, wie urkundlich bezeugt, auch ein Teil der Klosterbebauung instand gesetzt wurde, lässt sich bislang archäologisch beispielsweise in Form zeitgemäßer Ofenkacheln belegen, die anlässlich des Neubaus zum Einsatz kamen. Stehen blieb nur die Ruine der Klosterkirche. Ein Blitzschlag im Jahre 1714 zerstörte das Dachgebälk des Kirchenschiffes.

Auch heute noch verläuft die Gemarkungsgrenze mittejn durch die KirchenruineAm Ende des 18. Jahrhunderts wurden die Liegenschaften des Gotthardsbergs anläßlich einer Reformierung des Klosters Amorbach zu gleichen Teilen an die Stadt Amorbach und an die Gemeinde Weilbach veräußert. Seither verläuft die Gemarkungsgrenze mitten durch das Kirchenschiff. Die zum Acker- und Weinbau genutzten Hänge dürften damals bereits zum Großteil bewaldet gewesen sein.


Anmerkungen:

[1]  Fr. J. Hildenbrand, Die Gotthardruine bei Amorbach in Franken (Amorbach 1892), 3-5.

[2]  MGH D F I, Nr. 546 (Hildenbrand 1892, 12).

[3]  Wolfgang Hartmann, Die Zerstörung der Burg Frankenberg bei Amorbach durch Kaiser Friedrich Barbarossa, In: Mainfränkisches Jahrbuch 45 (1993), 76-91.

[4]  Hildenbrand 1892, 12f.

[5]  Thomas Steinmetz, Burgen im Odenwald (Brensbach 1998), 63-65; Thomas Steinmetz, Wolfram von Eschenbach auf Burg Wildenberg – Neue Indizien für eine alte These. Wertheimer Jahrbuch 2008/2009, 41-60.

[6] Fürstlich-Leiningisches Archiv zu Amorbach, V 29 (Hildenbrand 1892, 13-15).

[7]  Hildebrand 1892, 7f.


Weiterführende Literatur:

Helmut Flachenecker, Der Gotthardsberg im Kraftfeld regionaler Interessen. Burg – Frauenkloster – Propstei, in: Joachim Lorenz (Hg.), Porphyre. Tagungsband der „Porphyr“-Tagung am 21. und 22. Oktober 2011 in Weilbach und Amorbach, Landkreis Miltenberg (Mitteilungen des naturwissenschaftlichen Museums Aschaffenburg Bd. 26), Aschaffenburg 2012, S. 54–61.
Hans Halbwachs, Einfache Laboruntersuchungen ergänzen archäologische Befunde bei den Grabungen auf dem Gotthardsberg (Amorbach/Weilbach), in: Der Odenwald 61/1 (2014).
Wolfgang Hartmann, Die Zerstörung der Burg Frankenberg bei Amorbach durch Kaiser Friedrich Barbarossa, in: Mainfränkisches Jahrbuch (1993), S. 76–91.
Joachim Lorenz, Martin Okrusch, Christine Reichert, Harald Rosmanitz, „Porfido verde antico“ im Odenwald. Der Tragaltar vom Gotthardsberg, in: Beiträge zur Archäologie in Unterfranken 7 (2011) (2011), S. 175–197.
Christine Reichert, Die Grabungen auf dem Gotthardsberg (Lkr. Miltenberg) 2010-2012. Die Funde des „Steinernen Hauses“ des 11. und 12. Jahrhunderts, in: Lutz Grunwald (Hg.), Den Töpfern auf der Spur. Orte der Keramikherstellung im Licht der neuesten Forschung (RGZM-Tagungen Bd. 21), Regensburg 2015, S. 181–186.
Christine Reichert, Harald Rosmanitz, Porphyr auf dem Gotthardsberg, in: Das Archäologische Jahr in Bayern 2010 (2011), S. 150–152.
Christine Reichert, Harald Rosmanitz, Der Gotthardsberg – Archäologie auf den Spuren von Macht und Herrschaft. Ein vielschichtiges Forschungsprojekt im Spessart und nördlichen Odenwald, in: Joachim Lorenz (Hg.), Porphyre. Tagungsband der „Porphyr“-Tagung am 21. und 22. Oktober 2011 in Weilbach und Amorbach, Landkreis Miltenberg (Mitteilungen des naturwissenschaftlichen Museums Aschaffenburg Bd. 26), Aschaffenburg 2012, S. 10–21.
Harald Rosmanitz, Christine Reichert, Der Gotthardsberg – An der Schwanzspitze des Bayerischen Löwen, in: Bayerische Archäologie (2012), S. 4–7.
Harald Rosmanitz, Christine Reichert, Der Gotthardsberg. Archäologie auf den Spuren von Macht und Herrschaft, in: Olaf Wagener (Hg.), Symbole der Macht? Aspekte mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Architektur (Beihefte zur Mediaevistik Bd. 17), Frankfurt a. M./Berlin/Bern/Bruxellews/New York/Oxford/Wien 2012, S. 315–333.
Thomas Steinmetz, Burgen im Odenwald 1998.


Harald Rosmanitz, Partenstein 2017  (Überarbeitete und erweiterte Fassung von Lorenz u.a.2011)