Die Bestattungen im Bereich des Langhauses der Kirche des Klosters Elisabethenzell*
Plan des Kirchenbereichs des Klosters Einsiedel mit Eintragung der Bestattungen. Umzeichnung: Sabrina Bachmann, Heimbuchenthal

Plan des Kirchenbereichs des Klosters Einsiedel mit Eintragung der Bestattungen

Blick nach Westen in das Kirchenschiff der Klosterkirche. Am östlichen Profil sind Teile der Gräber 1 und 2 zu erkennen.

Blick nach Westen in das Kirchenschiff der Klosterkirche. Am östlichen Profil sind Teile der Gräber 1 und 2 zu erkennen.

Aus dem Innenraum und der näheren Umgebung der Kirche des mittelalterlichen Klosters Einsiedel stammen zehn mehr oder weniger vollständige Bestattungen sowie diverse Streukomplexe mit menschlichen und tierischen Knochen1. Nach dem Vorhandensein des linken Oberschenkelknochens und der Altersstruktur der Bestatteten zu urteilen, handelt es sich bei dieser Serie um mindestens zwölf Individuen.

Plan des Kircheninneren mit den Phasen 1 und 2 und Eintragung der Kircheninnenbestattungen. Umzeichnung: Sabrina Bachmann, Heimbuchenthal

Plan des Kircheninneren mit den Phasen 1 und 2 und Eintragung der Kircheninnenbestattungen

Mit Ausnahme von Grab 7 handelt es sich ausschließlich um die Gräber erwachsener Männer adulten und maturen Alters, von denen die meisten Merkmale harter körperlicher Arbeit und wiederholter Bewegungsmuster zeigen. Die Skelette zeigen außer Zahnkrankheiten (Karies, Parodontose, intravitaler Zahnverlust), Knochenhautentzündungen und Arthrose keine gravierenden Krankheitserscheinungen. Die Körperhöhe der untersuchten Individuen schwankt zwischen 155 und 175cm. Diverse Knocheneinschleppungen in die Gräber und Streukomplexe mit mehreren, zum Teil sogar subadulten Individuen belegen eine rege Bestattungsaktivität im Kirchenareal. Die Beisetzungen sind üblicherweise in gestreckter Rückenlage und in Ost-West-Ausrichtung erfolgt, der Tote in Grab 7a wurde jedoch in Bauchlage angetroffen.

Katalog

Im April 2013 und Januar 2014 wurden die bei den Grabungskampagnen 2012 und 2013 gefundenen, menschlichen Überreste aus dem Kirchenareal des Klosters Einsiedel an die Verfasserin zur anthropologischen Untersuchung übergeben. Trotz des sauren Waldbodens hatte sich ein Großteil der Knochen aus dem Inneren der Klosterkirche erhalten, was auf den Kalkeintrag aus dem Mörtel der Mauern und der massiven Vermörtelung des Ziegeldaches zurückzuführen ist. Die Skelette wurden der Verfasserin ungewaschen übergeben, die nach einem ergebnislosen Versuch der oberflächlichen Reinigung mit einer Bürste die Knochen schließlich mit Hilfe eines Wasserstrahls von der Erde befreite. Geeignetes Probenmaterial für DNA, stabile Isotopen- und C14-Untersuchungen wurde zuvor unter Einhaltung empfohlener Schutzmaßnahmen ausgesondert. Nach dem Trocknen wurden zusammengehörige Fragmente mittels transparent trocknendem Ponal Express Holzleim wieder zusammengefügt.

Bereits bei einer ersten Sichtung stellte sich heraus, dass der Erhaltungszustand der Skelette stark variierte, regelhaft jedoch die hochspongiösen Teile (Epiphysen, Wirbelkörper, Becken, Sacrum) entweder komplett vergangen oder nur noch in Fragmenten erhalten waren.

Grab 1:

In einer ca. 60cm breiten Grabgrube, die mit rotem Sand, durchsetzt mit Hüttenlehm und Holzkohle, verfüllt und von größeren Sandsteinen überdeckt war, fanden sich die unteren Extremitäten eines Menschen, der in Rückenlage und in Ost-West-Ausrichtung bestattet worden war.
Grab 1 enthält die unteren Extremitäten und Teile der linken Hand (alle Mittelhandknochen, 2 proximale Phalangen) eines wahrscheinlich männlichen Individuums2. Die Knochen sind fest und stabil, die Oberfläche zeigt nur leichte Verwitterungsspuren. Das Skelett ist zu 35% erhalten3.

Anhand der verschlossenen Epiphysenfugen und der Spongiosastruktur der proximalen Femurepiphyse lässt sich das Sterbealter des Individuums auf etwa 30-50 Jahre eingrenzen.
Die Gelenke zeigen keine Veränderungen, einzig die Kniescheiben zeigen eine kräftige Ausprägung der Ansatzpunkte des Musculus quadriceps, der an dieser Stelle in das Ligamentum patellae übergeht. Die rechte Seite ist dabei stärker betroffen als die linke. Es könnte sich um eine degenerative Enthesopathie, also um eine mechanische Überbeanspruchung der Patellasehne, handeln. Dazu passt die kräftige Ausprägung der Muskelmarken an der Tuberositas tibiae beider Schienbeine und am Trochanter major des linken Oberschenkels. Die Person hat demnach ihre Beine häufig stark belastet.
Das Individuum erreichte eine Mindestkörperhöhe von 170+/-3,5cm4.

Grab 2:

Innerhalb einer ca. 50cm breiten, mit schluffigem, rotbraunem Sand verfüllten Grabgrube war ein menschlicher Leichnam direkt auf einer älteren Mauer beigesetzt worden. Grab 2 enthält Teile vom Unterkörper eines wahrscheinlich männlichen Individuums adulten Alters (20-40 Jahre)5. Neben fünf Mittelfußknochen (MT II-V links, MT V rechts) und einer medialen Phalange der Hand (Fund 83) ist das Individuum zudem durch einen linken Oberschenkel und ein linkes Wadenbein repräsentiert. Die Knochen sind fest und die Oberfläche ist gut erhalten.
Die Mittelfußknochen zeigen an den distalen Epiphysen leichte Porositäten. Auch am Femur zeigen sich Abnutzungserscheinungen: An der lateral-posterioren Kante wurde ein Muskelausriss des Gluteus maximus festgestellt, zu erkennen an einer unregelmäßigen, ca. 4,5cm langen Vertiefung mit Re-Ossifikation, die in die Linea Aspera übergeht. Ferner hat sich die Gelenkfläche der Oberschenkel-Epicondylen durch eine leichte Randleistenbildung von der Diaphyse abgegrenzt, was auf eine beginnende Arthrose hinweist, von der auch die Mittelfußknochen betroffen sind.
Das robuste Individuum erreichte eine Mindestkörperhöhe von 157+/-3,5 cm6.
Der Bereich unter den Gräbern 1 und 27 erbrachte neben einem kräftigen rechten Schlüsselbein auch zwei linke Halluces (Großzehen) unterschiedlicher Färbung, die von zwei mindestens spätjuvenilen Individuen stammen. Es kann demnach nicht ausgeschlossen werden, dass diese Knochen noch zu den Individuen aus Grab 1 und 2 gehören. Zudem wurde in diesem Bereich die proximale Phalange (I) eines jugendlichen Individuums gefunden, deren distale Epiphyse noch nicht vollständig angewachsen ist.

Grab 3:

Grabungsfoto von Grab 3, Blick nach Norden. Deutlich zu erkennen ist der Ausbruch Kirchenmauer der Phase 1.

Grabungsfoto von Grab 3, Blick nach Norden

Die mit rotem Sand verfüllte und mit Mörtel, Holzkohle und Hüttenlehm durchsetzte, ca. 60cm breite Grube von Grab 3 wurde senkrecht zur Ostmauer des Kreuzganges angelegt, für den Kopf wurde extra eine Aussparung in die Mauer gehauen. Das Grab beherbergte die Überreste eines in gestreckter Rückenlage mit seitlich entlang des Körpers ausgestreckten Armen beerdigten Individuums. Das Skelett ist zu 70% vollständig. Erhalten haben sich der Schädel, die Knochen der oberen Extremitäten, das rechte Schlüsselbein, beide Oberschenkelknochen, die Schien- und Wadenbeine, die Fußknochen, diverse Rippen-, Wirbelbogen- und Beckenfragmente und Zähne. Die Unterschenkel steckten 2012 noch im Profil 2012/2 N, da der Schnitt dort endete, konnten 2013 jedoch geborgen werden. Der Zustand der einzelnen Skelettteile lässt sich als fest beschreiben. Anhand des Schädels ließ sich das Geschlecht als wahrscheinlich männlich bestimmen. Die Zahnabrasion, der Verschluss der Schädelnähte und die Degeneration der proximalen Femurepiphyse machen ein Alter zwischen 20-40 Jahren wahrscheinlich. Das Gesicht ist eher breit, ebenso wie die Nase. Bis auf die oberen, ersten Schneidezähne hat sich das komplette Gebiss erhalten. Dieses zeigt jedoch, bis auf die moderate Abrasion, keine Besonderheiten.
An der medialen Kante des Schaftes des rechten Schienbeins befindet sich eine lineare streifige Struktur, die sich als schmalstreifig und flach beschreiben lässt. Es handelt sich somit um eine Knochenhautentzündung (Periostitis), die durch die Entzündung benachbarter Gewebe verursacht wird. Die Fußknochen zeigen Anzeichen einer leichten Arthrose.
Für die Körperhöhe konnte auf Grundlage der Ober- und Unterschenkellängen ein Wert von 164+/-3,5cm berechnet werden8.
Ein doppelt vorliegender, linker Mittelfußknochen V belegt eine Knochenverschleppung in die Grabgrube von Grab 3.

Grab 4:

Das Ost-West-ausgerichtete Grab 4 liegt nordwestlich des Altars der Kirche. Die bis zu 80cm breite Grabgrube war mit rotem Sand verfüllt, der Mörtel, Hüttenlehm und Holzkohle enthielt. Für ihre Anlage mussten Teile des Fundaments der Ostmauer der Kirche abgebrochen werden. Die sehr schmale Grabgrube erlaubte lediglich die Bestattung eines beigabenlosen, in ein Leichentuch eingenähten Körpers, der in gestreckter Rückenlage beigesetzt worden ist. Bei der Anlage des Grabes wurden die Überreste einer älteren Bestattung freigelegt, von der unter anderem der Schädel in der Grabgrube verblieb und neben dem Kopf der Nachbestattung zu liegen kam. Erhalten haben sich neben den Schädeln Knochen von Ober-, Unterarmen und Händen, die Schlüsselbeine und Schulterblätter, Ober- und Unterschenkel, Fußknochen, eine Kniescheibe sowie mehrere Rippen und Wirbelbögen.
Grab 4 beinhaltete die Knochen von mindestens drei adulten Individuen. Die Skelettteile sind stabil und fest, die Knochenoberfläche hat sich erhalten. Die Mindestindividuenzahl ergibt sich aus dem Umstand, dass drei mittlere, linke Mittelhandknochen (MC III) vorliegen. Außer diesem Knochen sind die übrigen höchstens doppelt repräsentiert (z.B. Schädel, linker Humerus, linke Tibia, linke Clavicula). Dies erlaubt den Schluss, dass es sich bei dem überzähligen Mittelhandknochen wahrscheinlich um eine Knochenverschleppung handelt.
Es ist auf morphognostischem Wege nicht möglich, die Individuen sicher voneinander zu trennen. Anhand der Robustizität der Knochen lassen sich jedoch wahrscheinliche Zusammengehörigkeiten postulieren. Darüber hinaus kann aufgrund der Lage der Knochen in der Grabgrube davon ausgegangen werden, dass die nachträglich eingebrachte Bestattung besser repräsentiert ist als das beiseite geschaffte Individuum. Die beiden Schädel – einkompletter Schädel inklusive Unterkiefer (1) und ein Calvarium (2) – stammen von einem Individuum fortgeschrittenen Alters (30-70 Jahre) und einem adult bis maturen Individuum (30-50 Jahre)9. Der erst genannte Schädel (1) gehört zu der nachträglich beigesetzten Bestattung, während das Schädeldach (2) zu der Primärbestattung gehörte. Beide Schädel weisen verschiedene anatomische Varianten auf: Schädel 1 einen ausgeprägten Torus palatinus, eine Sutura fronto-nasalis partialis und beidseitig eine Incisura frontalis, Schädel 2 hingegen ein Os inca am Hinterhaupt. Für Schädel 1 war ferner eine metrische Beschreibung möglich: Es handelte sich um einen mesokranen, chamaekranen und tapeinokranen Schädel mit niedrigem Obergesicht und niedrigen Orbitae (Augenhöhlen) und einer breiten Nase10.
Das Individuum fortgeschrittenen Alters – ein robuster Mann – litt unter leichtem Zahnstein an fast allen Zähnen und mittelschwerer Parodontose11. Im Unterkiefer waren besonders die Frontzähne und die ersten Molaren betroffen, im Oberkiefer zeigt die Alveole Entzündungsspuren im Bereich der dritten Molaren. Die Zähne sind stark abgekaut.
Ein paar Oberarmknochen zeigt eine kräftige Ausprägung der Tuberositas deltoidea als Ansatzpunkt des M. biceps brachii und M. triceps brachii. Wahrscheinlich zum selben Individuum gehören die paarigen, fast komplett erhaltenen Schienbeine mit einem ausgeprägten Margo interosseus, sodass von einer regelmäßigen, starken Belastung der Arme und Beine ausgegangen werden kann. An den proximalen Phalangen äußert sich diese Belastung in einer arthrotischen Randleistenbildung an der palmaren Seite. Das Individuum erreichte eine durchschnittliche Körperhöhe von 155+/-3,5cm12.
Zu einem der anderen Individuen gehört hingegen ein linkes Tibiafragment mit einer streifigen, aber glatten Verdickungszone, bei der es sich um eine abgeheilte Knochenhautentzündung (Periostitis) handeln könnte.
Bei den beiden nordwestlich des Altars und somit in prominenter Lage bestatteten Individuen handelt es sich womöglich um zwei Kirchenobere des Klosters Einsiedel.

Grab 5:

Grabungsfoto von Grab 5, Blick nach Osten

Grabungsfoto von Grab 5, Blick nach Osten

Im Traufbereich der Südwand der Kirche wurden die Überreste eines Ost-West-ausgerichteten, in gestreckter Rückenlage beigesetzten Leichnams entdeckt. Im Gegensatz zu den Bestattungen im Langhaus der Kirche war das Individuum in seinen Kleidern bestattet worden. Warum der Körper nicht auf dem nördlich an die Kirche angrenzenden Friedhof beigesetzt wurde, gibt Anlass für Spekulationen hinsichtlich des sozialen Status dieser Person. Ein metallener Gürtelring weist das Individuum eventuell als Fuhrmann aus, der die am Kloster vorbeiführende Birkenhainer Straße bereiste.
Erhalten haben sich der Schädel und Unterkiefer, beide Schlüsselbeine und Schulterblätter, die oberen und unteren Extremitäten (ohne Hand- und Fußknochen), eine Kniescheibe, mehrere Rippen, mehrere Wirbel, Teile des Beckens und Zähne. Die Unterschenkelknochen steckten teilweise noch im Profil 2012/2 S und konnten geborgen werden, die Fußknochen sind jedoch im Profil verblieben.
Das Skelett aus Grab 5 ist zu 80% erhalten und von festem Zustand. Die Knochenoberfläche ist gut konserviert. Es handelt sich um das Skelett eines männlichen Individuums fortgeschrittenen Alters (30-60 Jahre)13. Der Gesichtsschädel hat sich nicht erhalten, aber die Schädelkapsel kann als langschädelig beschrieben werden14.
Das Individuum besaß bis auf die postmortal ausgefallenen Zähne 12, 21, 22 und 23 und den intravital ausgefallenen Zahn 15 (Alveole geschlossen) noch sein komplettes Gebiss, das sich durch eine moderate Abrasion und starken Zahnstein an den Frontzähnen des Ober- und Unterkiefers charakterisiert. Ein beginnender, kariöser Strukturdefekt ließ sich an sechs Zähnen beobachten, wobei bei dreien (17, 46, 48) die Kaufläche und bei den übrigen die mesiale und distale Seite betroffen waren (14, 24, 25). Die Muskelansatzstellen sind bei diesem Individuum nicht sonderlich kräftig ausgeprägt, einzig am rechten proximalen Oberarm lässt sich ein Muskelausriss feststellen. Das linke Orbitadach weist eine lokal begrenzte, eher grobe Porosität auf. Es handelt sich um eine sog. Cribra Orbitalia, bei der die Deckknochenschicht des Augenhöhlendaches in Folge einer Anämie, Krankheit oder Stress abgebaut wird. Des Weiteren ist das linke Wadenbein deutlich kräftiger ausgeprägt als das rechte und weist im proximalen Bereich Anzeichen einer streifigen Periostitis auf. Das linke Schienbein ist auf der lateralen Seite, die dem Wadenbein zugewandt ist, leicht verdickt.
Da bei allen Langknochen die Epiphysen fehlen, konnte nur die Mindestkörperhöhe geschätzt werden, die sich auf 153cm beläuft15. Obwohl die Langknochen nicht vollständig erhalten waren, scheint das Individuum kleiner als die im Kircheninneren bestatteten Personen gewesen zu sein. Womöglich ist dieser Befund mit den übrigen mangelanzeigenden Merkmalen in Verbindung zu bringen, die auf eine schlechtere Ernährungs- und Versorgungssituation als bei den übrigen Individuen der Serie hindeuten.
Zusätzlich wurde zwischen den Knochen von Grab 5 ein Mittelhand- oder Mittelfußknochen (ohne Epiphysen) eines Nicht-Erwachsenen Individuums gefunden.

Grab 6:

Grabungsfoto von Grab 6, Blick nach Süden

Grabungsfoto von Grab 6, Blick nach Süden

Oberhalb einer weichen und lockeren braunen Sandschicht (ca. 1,3m x 0,5m) lagen die Überreste eines Ost-West ausgerichteten menschlichen Skelettes in Rückenlage.
Die Knochen sind brüchig, die ursprüngliche Knochenoberfläche hat sich nur am Schädel erhalten. Das Skelett ist zu 50% vollständig. Erhalten haben sich der Schädel, Ober- und Unterarmknochen, die Oberschenkelknochen, zwei Kniescheiben, mehrere Fingerknochen und Zähne, das rechte Schlüsselbein und Fragmente vom Becken. Die Unterschenkelknochen stecken noch im Profil 2012/25 und konnten in der Grabungskampagne 2012 nicht geborgen werden.
Die Knochen gehören zu einem wahrscheinlich männlichen Individuum mit breitem Gesicht und Unterkiefer. Das Individuum war mittleren Alters (30-60 Jahre), was die fortgeschrittene Obliteration der Schädelnähte und die stark abgekauten Backenzähne belegen. Von ursprünglich 32 Zähnen haben sich nur 18 erhalten, die übrigen 14 sind postmortal verloren gegangen. Alle Zähne sind stark abgenutzt. Zwei Zähne (15, 26) weisen zudem an der distalen Seite einen kariösen Strukturdefekt auf, der bis ins Dentin vorgedrungen ist. Aufgrund der mangelhaften Zahn- und Knochenerhaltung ließ sich die Zahnsteinbelastung schwerlich beurteilen, nur ein Zahn (21) war noch in mittelschwerem Maße betroffen.
Beide Oberschenkel zeigen eine Erweiterung und Randleistenbildung der Fovea capitis. Ob dieser Umstand das Individuum beeinträchtigt hat, ist nicht zu klären, da die Hüftkopfpfanne nicht in dem Maße erhalten ist, um dies zu beurteilen. Eine Exostose an einer proximalen Phalange dürfte ebenfalls symptomslos gewesen sein.
Als anatomische Variante ist ein beidseitiges Foramen parietale sowie ein Foramen mastoideum anzuführen.
Das Individuum erreichte eine durchschnittliche Körperhöhe von 165+/-3,5cm16.

Grab 7:

Aus dem Kirchenbereich konnte das in gestreckter Rückenlage und Ost-West-Ausrichtung bestattete Skelett eines subadulten Individuums geborgen werden. Es handelt sich um die Schädelkalotte, die unteren Extremitäten und diverse lose vorliegende Zähne eines Kindes17, dessen Alter anhand seiner Zahnentwicklung auf 5 bis 6 Jahre eingegrenzt werden kann18. Zum Zeitpunkt seines Todes war das Kind zwischen 90 und 100cm groß19.
Das Skelett ist insgesamt schlecht erhalten und fiel womöglich partiell einer Störung zum Opfer, da sich aus dem Oberkörperbereich keine Knochen erhalten haben. Aufgrund der stark erodierten Knochenoberfläche sind keine Pathologien nachweisbar. Zusätzlich zu den kindlichen Knochen lagen in der Verfüllung noch Langknochenfragmente und die Zehe eines erwachsenen Individuums.

Grab 7a:

Senkrecht zur Ostmauer der Kirche wurde die Bestattung eines in gestreckter Bauchlage liegenden Individuums aufgefunden20. Das Skelett ist zu etwa 25% erhalten, der Zustand der Knochen ist fest. Es handelt sich um Knochen des rechten (Schien- und Wadenbein) und linken Beins (Oberschenkel, Schien- und Wadenbein), die Füße und einen Teil der linken Hüfte. Anhand der vorhandenen Merkmale an Becken und Oberschenkel lässt sich das Geschlecht des Individuums nicht sicher bestimmen21, aufgrund der Größe und Robustizität der Knochen lässt sich jedoch männliches Geschlecht vermuten. Zum Zeitpunkt seines Todes war das Individuum zwischen 30 und 50 Jahre alt. Die Fußwurzel- und Mittelfußknochen zeigen Anzeichen einer beginnenden Arthrose, an der rechten posterioren Tibia-Diaphyse und der distalen Fibula-Epiphyse sind Verknöcherungen in Folge eines Muskelausrisses festzustellen. An beiden Fersenbeinen sind die Ansätze der Achillessehne stippchenartig ausgeprägt, zurückzuführen auf eine permanente Beanspruchung dieser Körperregion. Die Körperhöhe des Individuums beträgt mindestens 170cm22.

Grab 8:

Aus dem Inneren der Kirche stammen verlagerte menschliche Knochen, die ursprüngliche Bestattungslage lässt sich nicht mehr rekonstruieren. Der Zustand der Schädel- und Langknochenfragmente (Oberarme, Wadenbeine) ist fest. Anhand zweier unterschiedlich robuster linker Wadenbeine kann von einer Mindestindividuenzahl von zwei ausgegangen werden. Aufgrund der geschlossenen Epiphysenfugen kann ein Alter älter als 20 Jahre angenommen werden.
Neben diesen mehr oder weniger vollständigen Gräbern aus dem Inneren (Grab 1-4, 6-8) und der Umgebung der Kirche konnten aus dem Kircheninnenraum zusätzlich mehrere Befunde mit Streuknochen geborgen werden. Diese Komplexe zeugen mehr noch als die gelegentlichen Knochenverschleppungen und Nachbestattungen von einer regen Bestattungsaktivität im Kircheninnenraum. Unter den menschlichen Knochen in den Streukomplexen befinden sich auch einige Tierknochen, die von Schaf, Geflügel und Schwein stammen.


*Amelie Alterauge, Universität Bern, Institut für Rechtsmedizin

Weiterführende Literatur:

Denise Ferembach, Ilse Schwidetzky u. Milan Stloukal, Empfehlungen für die Alters- und Geschlechtsdiagnose am Skelett. Homo 30, 1979/2, S. 1-32.
Bernd Herrmann, Gisela Grupe, Susanne Hummel, Hermann Piepenbrink u. Holger Schutkowski, Prähistorische Anthropologie. Leitfaden der Feld- und Labormethoden. Berlin, Heidelberg 1990.
Rudolf Martin u. Karl Saller, Lehrbuch der Anthropologie in systematischer Darstellung mit besonderer Berücksichtigung der anthropologischen Methoden. Jena 1914.
A. E. W. Miles, The Dentition in the Assessment of Individual Age in Skeletal Material. In: Don R. Brothwell (ed.), Dental Anthropology, New York 1963, S. 191-209.
G. Oliver, C. Aaron, G. Fully u. G. Tissier, New Estimations of Stature and cranial capacity in modern humans. Journal of Human Evolution 7, 1978, S. 513-518.
Karl Pearson, Mathematical contributions to the theory of evolution. V. On the reconstruction of the stature of prehistoric races. Philosophical Transactions of the Royal Society of London, Series A, 192, London 1899, S.169-245.
Louise Scheuer, Sue Black u. Angela Christie, Developmental Juvenile Osteology., San Diego, 2000.
F. Schmid u. A. Kühnle, Das Längenwachstum der langen Röhrenknochen in Bezug auf die Körperlänge und das Lebensalter. Fortschritte auf dem Gebiet der Röntgenstrahlen 89, 1958, S. 350-356.
Douglas H. Ubelaker, Human skeletal remains. Excavation, analysis, interpretation. Chicago 1978.

  1. Der Bearbeiterin wurde das anthropologisch relevante Fundmaterial der Grabung 2012 zur Bearbeitung vorgelegt. Die 2013/14 geborgenen Skelette des Friedhofs konnten bislang noch nicht anthropologisch aufgearbeitet werden.
  2. Die Geschlechtsbestimmung beruht auf dem Vergleich mit den übrigen Individuen der Serie und der Tatsache, dass sich an den Schienbeinen kräftige Muskelmarken zeigen.
  3. Weitere Knochenfragmente (Rippen, Schulterblatt) sind dem Individuum nicht mit Sicherheit zuzuordnen.
  4. Die Körperhöhe konnte auf Grundlage der Länge des linken Femurs geschätzt werden, der sich jedoch ohne Epiphysen erhalten hat (Pearson 1899; Olivier et al. 1978). Da sich die Körperhöhenberechnung jedoch nur auf ein Maß stützen kann, ist die Aussagekraft dieses Wertes nicht zu überschätzen.
  5. Die Altersbestimmung orientierte sich an der Spongiosastruktur der proximalen Femurepiphyse, während die Geschlechtsbestimmung auf dem metrischen Vergleich der erhaltenen Femurlänge mit den übrigen Individuen der Serie beruht. Auch die kräftig ausgeprägte Linea Aspera des Femurs unterstützt diese Bestimmung.
  6. Die Körpergröße wurde anhand der erhaltenen Femurlänge – ohne proximale Epiphyse – berechnet (Pearson 1899; Olivier et al. 1978). Wiederum konnte nur ein Maß zur Berechnung der Körperhöhe herangezogen werden, weswegen deren Genauigkeit nicht überzubewerten ist.
  7. Kloster Einsiedel 2012, Schnitt 2, Schicht 3, Fund 210 und 211
  8. Vgl. Olivier et al. 1978; Pearson 1899.
  9. Schädel 1 zeichnet sich durch eine fortgeschrittene Zahnabrasion (mind. 30 Jahre, nach Miles 1963) und die vollständige Obliteration der endocranialen Schädelnähte aus (40-80 Jahre, nach Herrmann et al. 1990). Bei Schädel 2 hingegen ist die Obliteration noch nicht so weit fortgeschritten, woraus sich ein voraussichtliches Sterbealter zwischen 30 und 50 Jahren ergibt. Die Altersbestimmung wird zusätzlich dadurch unterstützt, dass alle Langknochenepiphysen verschlossen sind, genauso wie die sternale Epiphyse einer linken Clavicula.
  10. Vgl. Martin/Saller 1957.
  11. Das Gebiss war bis auf den postmortal verlorenen 16 vollständig und zeigte keine Anzeichen von Karies.
  12. Die Körperhöhe konnte anhand der fast vollständigen linken Tibia errechnet werden (Pearson 1899; Olivier et al. 1978). Die Mindestlänge des linken Humerus unterstützt diesen Wert.
  13. Die Geschlechtsbestimmung orientiert sich an den kräftig ausgeprägten Merkmalen am Schädel (Mentum, Planum nuchale, Gonion, Eminentia occipitalis externa), während die Altersbestimmung auf dem Verschluss der Schädelnähte, dem Abkauungsgrad der Zähne und der Spongiosastruktur der proximalen Femurepiphyse beruht (vgl. Ferembach et al. 1979).
  14. Zum Schädel aus Grab 5 gehörige Teile wurden über Schnitt 2, Schicht 2 verstreut in anderen Befunden (Fund 6, 47) gefunden und über die Bruchkanten angepasst.
  15. Die Mindestkörperhöhe wurde auf Grundlage der größten Länge des Humerus geschätzt (Pearson 1899; Olivier et al. 1978).
  16. Die Körperhöhe konnte ausgehend von der Ganzen Länge des rechten Radius berechnet werden (Pearson 1899; Olivier et al. 1978).
  17. Auf den Befundfotos im Feld sind zusätzlich vermutliche Teile der rechten Beckenschaufel und des rechten Ober- und Unterarms zu erkennen; möglicherweise sind diese bei der Bergung oder beim Waschen verloren gegangen.
  18. Vgl. Ubelaker 1978. Im Vergleich mit rezenten Populationen sind die Langknochen (Oberschenkel, Wadenbein) für das anhand des Zahndurchbruchs bestimmte Alter unterentwickelt (vgl. Scheuer/Black 2000).
  19. Vgl. Schmid/Kühnle 1958.
  20. Es ist zu prüfen, ob die Bestattung womöglich bei Einbringen von Grab 7 gestört und in diesem Zuge auf den Bauch gerollt wurde.
  21. Vgl. Ferembach et al. 1979. Die Ausprägung der Incisura ischiadica major und des Arc composé lassen eher weibliches Geschlecht vermuten. Jedoch ist diese, nur auf zwei Merkmalen basierende Geschlechtsbestimmung mit gewissen Unsicherheiten behaftet, insbesondere da der transversale Durchmesser des Femurkopfes bei 47 mm liegt und damit eher auf männliches Geschlecht hindeutet.
  22. Die Körperhöhe konnte ausgehend von der größten und ganzen Länge des rechten Schienbeins  berechnet werden, anhand des unvollständig erhaltenen linken Oberschenkelknochens ist sogar eine Körpergröße von 175cm errechenbar (Pearson 1899; Olivier et al. 1978).