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Der Höllenturm im Spessart

Als einst zur Nachtzeit zwei Männer auf der Straße, welche von Heimbuchenthal nach dem Höllenhammer führt, dort, wo früher der Höllenturm stand, am Rande des Weges etwas Feuriges schimmern sahen, glaubten sie, dass Kohlenbrenner oder Waldarbeiter die Reste eines Feuers hinterlassen hätten, und setzten mit diesen feurigen Kohlen ihre Pfeifen in Brand. Sie achteten im Gespräch nicht weiter darauf, ob die Pfeifen wirklich brannten. Als sie nach Hause kamen und diese ausklopften, lag in jeder Pfeife obenauf ein kleiner Goldklumpen. Obwohl sie sogleich zurückeilten, um noch mehr von diesem Schatz zu erlangen, war jedoch der vermeintliche Feuerbrand verschwunden.

Anmerkung:

Diese Sage ist mit einer Sage über Frau Hulle in direkte Verbindung gebracht worden: Nachdem die Frau Hulle dem krummen Jakob sein Erbteil verschafft hatte, versank der tote Geizhals mit seinem Golde und seinem Schloss in die Tiefe des Tales und musste zur Strafe seinen Schatz dort weiter hüten. Die zwei feurigen Kohlen, die die Männer hier fanden und die sich später als Goldklumpen erwiesen, sollen von dem Schatz des Geizhalses stammen.

Übrigens führte im früher bettelarmen Spessart das starke Verlangen nach Besitz und Geld zur Bildung zahlreicher Schatzsagen. Gleichzeitig hatte aber die Volksweisheit erkannt, dass Geld allein auch nicht zwangsläufig glücklich macht. So kommt es in diesen Sagen höchst selten zu einer wirklichen Hebung des Schatzes, der ohnedies meist von irgendwelchen Geistern gehütet wird.

Historische Anmerkungen zum »Höllenschloß« beziehungsweise Höllhammer finden sich nach der Sage »Höllenturm und Himmelthal«.

Der Schellenberg

Zwischen Heimbuchenthal und Wintersbach stand in einem engen Tal ein alter viereckiger Turm, den bereits der Zahn der Zeit sehr benagte. In seinem Innern befand sich noch eine Stiege von Stein, die unter die Erde führte. Hier soll sich ein Raubritter aufgehalten haben, der die ganze Gegend unsicher machte. Von dem Turme aus ging ein Draht nach dem nahen Berge, an dessen Ende in dem Turme eine Schelle angebracht war. Über den Berg selbst führte eine sehr lebhaft begangene und befahrene Straße. Über diese war der Draht, leicht bedeckt, so geleitet, dass fast alle des Weges Kommenden ihn betreten mussten. Dann klingelte die Schelle und der Räuber eilte auf einem Richtweg nach einer Stelle, wo er nun auf die Reisenden lauerte und ihnen ihre Last leichter machte. Davon wird dieser Berg noch immer der Schellenberg genannt.

Anmerkung:

Ähnliches erzählt man sich vom sogenannten Höllenturm im Elsavatal, sowie vom Schloss Oberaulenbach. Diese Raubburgen sollen durch unterirdische Gänge miteinander verbunden gewesen sein.

Höllenturm und Himmeltal

Der Graf von Rieneck zu Wildenstein hatte einen schlimmen Nachbarn, der im Krausenbacher Tal hauste. Der Krausenbacher Ritter unternahm öfters räuberische Streifzüge ins Rienecker Gebiet, trotz wiederholter Mahnungen des Grafen. Also ließ Graf Ludwig von Rieneck das Krausenbacher Räubernest niederbrennen und den Raubritter ein Jahr lang in der Burg Wildenstein gefangen gehalten. Nach seiner Freilassung schwor dieser dem Rienecker schreckliche Rache. Um sie ausführen zu können, schloss er einen Bund mit dem Teufel, baute sich dicht an der Rieneckschen Grenze, zwischen Heimbuchenthal und Hobbach, einen festen Turm, nannte ihn drohend den »Höllenturm« und hieß das enge düstere Tal daneben »Höllental«. Er selbst aber wurde von den Leuten »Höllenhannes« genannt. Der Höllenhannes verzog eines Tages auf längere Zeit in eine andere Gegend. Als er zurückkam, brachte er große Reichtümer mit. Er selbst schien ein anderer geworden zu sein, stellte sich gar freundlich zum Rieneckschen Grafen und schenkte demselben zum Zeichen der Versöhnung ein hübsches Pferd, einen Grauschimmel. Dem Grafen gefiel das Ross sehr und er nahm es hocherfreut mit auf seine Burg Wildenstein. Allein das Pferd war durch Teufelskünste dazu bestimmt, jedem, der es bestieg, den Tod zu bringen. So fand der älteste Sohn des Grafen von Rieneck im Sattel des unheimlichen Rosses bei einer Fehde den Tod. Später ereilte das gleiche Schicksal auch die beiden jüngeren Söhne. Zuletzt erst erkannte der Graf die Bosheit des Höllenturmritters. In seinem Leid ließ nun Ludwig von Rieneck seinen festen Sitz am Wohlberg (oberhalb von Rück bei dem jetzigen Kloster Himmeltal) in ein Nonnenkloster umwandeln, zu einer Stätte der Andacht und Frömmigkeit und gab dem kleinen Kloster im Gegensatz zur Höllenfeste jenes teuflischen Raubritters den Namen »Himmeltal «. »Dort mögen«, sagte der Graf, »die frommen Dienerinnen für uns beten und vom Höllental wird das Verderben uns nicht mehr erreichen.«

Anmerkung:

Die Kurfürsten von Mainz kamen im 12. Jahrhundert in den Besitz der ausgedehnten Wälder des Spessarts, in dem zuvor von Karl Martell bis Friedrich Barbarossa schon Kaiser und Könige jagten. Zur Verwaltung dieses Jagdgebietes, zur Abhaltung regelmäßiger Gerichte über Wald- und Wildfrevel, wurden Forstbeamte eingesetzt, Hübner genannnt.

In späterer Zeit wechselten die Besitzer allzu häufig: So verkaufte Rudolf von der Mulen am 22. Februar 1383 seine Besitzungen an Eberhard von Fechenbach aus Sommerau. Schon 1423 befand sich das Schlösschen aber im Besitz des Forstmeisters Henne von Gelnhausen.

Dann folgte der Wechsel noch schneller:

1430 Kauf durch die Brüder von Hettersdorf,
1443 Kauf durch Andreas von Karsbach,
1455 Kauf durch Leonard von Kottwitz (Jagdschloss zu Aulenbach),
1457 Kauf durch Haman von Echter von Mespelbrunn.

Dieser letzte Kauf war für die Echter um so wertvoller, als 1465 Gerhart von Fechenbach »seinem lieben Vetter Haman Echter« den bei Heimbuchenthal gelegenen Hof Heimaten mit allen »sinen eckern, wesen, weldern, wassern und wyden, schafdreben und vihdreben« ebenfalls verkaufte. Es scheint allerdings so, dass die Echter in der Folgezeit mehr Sorge auf ihr Schloss Mespelbrunn als auf das Schloß von der Mulen verwendet haben. Jedenfalls verfiel dieses zusammen mit der daneben stehenden Mühle mehr und mehr. Die Forsthube wird wahrscheinlich schon früher verlegt worden sein. Die verfallenen Räume wurden zum Aufenthalt lichtscheuen Gesindels das sich meist von Räubereien ernährte. [Die vorliegende Forschungsmeinung kann durch die Ausgrabungen 2008/2009 revidiert werden: So befand sich die 1282 erwähnte Forsthube eben nicht an der Stelle an der um 1330 die Mole errichtet wurde. Auch die Benennung als „Mole“ erfolgte zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt. (Red.)]

Er wird auch berichtet, dass an der Stelle, wo früher das Schloss stand, bis ins vorige Jahrhundert hinein »ein altes, zum Teil verfallenes, viereckiges Gemäuer von 130 Schuh Umfang mit 5 Fuß dicken Mauern, 3 Stockwerk hoch sich befand.« Dies wird der »Höllenturm« gewesen sein, wie er auch in mehreren der hier abgedruckten Sagen vorkommt und zu dem auch eine Verbindung zum Schellenberg bestanden haben soll.

Gegenüber von diesem Schellenberg liegt der Hellengrund. Dort ließen, als das Schloss zur Ruine verfallen war, die Grafen von Ingelheim, die diese Besitzungen nach dem Aussterben der Echter erbten, einen Bauernhof erbauen. Nach seiner Lage am Ausgang des Hellengrundes, der als ganz enge und finstere Schlucht im Volk »die Hölle« hieß, wurde er der Höllenhof genannt. Diesen Hof gab es bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Es ist anzunehmen, dass die gerodete Gegend landwirtschaftlich nur wenig hergab. Jedenfalls ließen die Grafen von Ingelheim die gerodeten Waldungen wieder aufforsten und suchten nach Möglichkeiten, dieses Holz günstig absetzen zu können.

Ein Lehrer namens Mangold schrieb darüber im Jahre 1830 folgendes:
»Herr Graf von Ingelheim…veranlasste zu diesem Behufe ungefähr ums Jahr 1700 den Hammerwerks- und Eisenschmelzbesitzer Trieb zur Weilburg…unweit des Höllenhofes an dem einen Arm der Elsava ein Hammerwerk zu erbauen, welchem der Name Höllenhammer beigelegt wurde.«

Dieser Trieb übergab das Werk später seinem Schwiegersohn Buderus, der es von Leuten mit wenig Fachkenntnissen betreiben ließ. Das heruntergekommene Hammerwerk wechselte noch einige Male seinen Besitzer, bis es schließlich von dem bekannten Hammerwerksbesitzer Rexroth erworben wurde. Dieser brachte das Werk so gut in Schuss und produzierte so viel besseres Fabrikat, dass der Umsatz sprunghaft anstieg. Als er schließlich seine Abnehmer nicht mehr befriedigen konnte, legte er weitere zusätzliche Hammerwerke an, den Neuhammer und den Hobbacher Hammer. Um 1830 betrug der Umsatz ungefähr 70000 Gulden, und es waren sage und schreibe insgesamt 103 Arbeiter, meist aus Heimbuchenthal, Wintersbach und Eschau, beschäftigt. Rexroth gründete sogar eine eigene Schule die von ungefähr 30 Kindern besucht wurde. Als 1851 die Schlossüberreste vollends abgetragen wurden, war der Höllhammer eine bedeutende industrielle Ansiedlung geworden, mit eigener Schule und eigenem Friedhof. Damals waren Industriebetriebe jedoch schon rohstoffabhängig und auf günstige Verkehrslage angewiesen. Als der billige Bezug der Rohmaterialien erschwert wurde, ging zuerst der Neuhammer ein und wurde 1885 zu einer Holzschnitzschule ausgebaut. Schließlich wurden auch der Hobbacher Hammer und der Höllhammer selbst stillgelegt. Heute ist der Höllhammer ein ruhiges Fleckchen, dessen Gebäude man hinter einer Mauer und alten Bäumen mehr ahnen als sehen kann.