Die Gemeinde Haibach liegt östlich der Stadt Aschaffenburg an der Bundesstraße B8, die von Aschaffenburg nach Lohr am Main führt. Bis zum Zentrum Aschaffenburgs sind es ca. 4 km, allerdings reicht der Stadtrand zum Teil weniger als 1000 m an den Ortsrand Haibachs heran. Entsprechend eng sind die Verflechtungen wirtschaftlicher oder verkehrstechnischer Art in das nahegelegene Oberzentrum. Haibach gehört administrativ nicht mehr zur kreisfreien Stadt Aschaffenburg, sondern als eigenständige Gemeinde zum Landkreis Aschaffenburg. Mit seinen Ortsteilen Dörrmorsbach (eingemeindet seit der Gebietsreform 1978) und dem Ortsteil Grünmorsbach (seit 1972 Ortsteil) zählt Haibach knapp 8500 Einwohner.

Topographische Übersicht der Ketzelburg bei Haibach. – Kartengrundlage: Bayer. Vermessungsverwaltung, Karte: Jürgen Jung, Spessart-GIS

Topographische Übersicht der Ketzelburg bei Haibach

Die Ketzelburg liegt am nördlichen Rand von Haibach auf einer Anhöhe im Quellbereich des Fließgewässers Haibach. Die Topographische Karte weißt hier die Eintragung „Keltischer Ringwall“ auf, was auf erste Deutungen der Ringwallstrukturen im Zuge der Aktualisierung der Topographischen Kartenblätter zurückgeführt werden muss. Die Einordnung als ‚keltische‘ Anlage geht nicht auf die topographische Landesaufnahme um 1850 zurück – das Positionsblatt zeigt im Bereich der Ketzelburg keine besondere Eintragung, während die Fortschreibung im Topographischen Atlas von Bayern die Eintragung „Ketzelburg“ führt. Das historische Kartenwerk zeigt auch sehr anschaulich, dass die Ketzelburg Mitte des 19. Jahrhunderts noch deutlich von der Siedlung Haibach isoliert war und erst mit den Siedlungserweiterungen des 19. und 20. Jahrhunderts in Ortsrandlage gelangte. Der ursprüngliche Siedlungsschwerpunkt Haibachs mit der ursprünglichen Kirche lag weiter östlich im Vergleich zur heutigen Siedlung.

Die Ortschaft Haibach liegt geologisch gesehen an der Nahtstelle zweier völlig unterschiedlicher Gesteinseinheiten: Das kristalline Grundgebirge im Bereich des Vorderen Spessarts bildet den Untergrund im Ortsbereich Haibachs. Die südlichen Rahmenhöhen werden dagegen vom sedimentären Deckgebirge aufgebaut. Die Gesteine des Grundgebirges entstanden vorwiegend im Paläozoikum (Erdaltertum) und gehören zur Gesteinsgruppe der Metamorphite.

Geologische Übersicht der Ketzelburg bei Haibach. – Kartengrundlage: Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, Karte: Jürgen Jung, Spessart-GIS

Geologische Übersicht der Ketzelburg bei Haibach

Im Untergrund des nordwestlichen Ortsbereichs von Haibach, im Gebiet um die Ketzelburg, lagern verschiedene Biotitgneise, die als Haibach-Formation (prHl) zusammengefasst werden. Die gleichkörnigen, metamorphen Gesteine sind aus Quarz, Plagioklas, Mikroklin, Biotit und etwas Muskovit aufgebaut. Der Biotitgneis wurde in verschiedenen Steinbrüchen, insbesondere am Wendelberg westlich von Haibach, abgebaut. Er wird daher in der regionalgeologischen Literatur auch als ‚Wendelberg-Gneis‘ bezeichnet. Am Wendelberg konnte man zu Zeiten des aktiven Abbaus immer wieder gangartige Einschaltungen im Wendelberg-Gneis erkennen. Es handelt sich um ehemalige Klüfte, die nachträglich durch eine Gesteinsschmelze ausgefüllt wurden. In den grobkörnigen (pegmatitischen) Ausfüllungen fand sich ein kleines braunrotes Mineral. Als ‚Spessartine‘ (Spessartin) fand der Mangantongranat Eingang in die mineralogische Literatur.

Der südöstliche Teil Haibachs wird von Glimmerschiefern unterlagert (aS). Sie zeichnen sich, wie der Name andeutet, durch einen hohen Anteil der Minerale der Glimmergruppe aus. Der dunkle Biotit oder der flache und hellglänzende Muskovit sind in unterschiedlichen Mengen am Gesteinsaufbau beteiligt. Diese Glimmerschiefer-Paragneis-Gruppe ist auch als Schweinheim-Formation bekannt.

Im Süden und im Südosten von Haibach treten körnig-streifige Paragneisserien mit Marmor- und Amphiboliteinschaltungen auf. Sie bilden die Einheit der Elterhof-Formation (cbE). Hervorzuheben sind die Marmor-, meist Marmor-Silikat-Fels-Einlagerungen, die unter anderem am Heinrichschacht westlich von Aschaffenburg/Gailbach obertägig, später untertägig als Zuschlagstoff für die Papierherstellung abgebaut wurden. Amphibolite (,am) dieser Formation wurden als jungsteinzeitliche Halb- und Fertigprodukten von Äxten und Beilen auch bei den Ausgrabungen auf der Ketzelburg gefunden.

Ebenfalls zur Elterhof-Formation wird der südöstlich anschließende Quarzdiorit-Granodiorit-Komplex (QD) gerechnet. Die Bezeichnung deutet zunächst auf ein magmatisches Gestein im herkömmlichen Sinne. Das massige, dunkle Gestein mit meist körnigem, seltener schlierenartigem Gefüge erinnert an ein magmatisches Tiefengestein mit dioritischem Chemismus.

Den Einheiten des kristallinen (metamorphen) Grundgebirges ist das sedimentäre Deckgebirge gegenüberzustellen. Die Sedimentgesteine (Ablagerungsgesteine) wurden noch im jüngeren Paläozoikum (Perm), vorwiegend aber vor 251–65 Millionen Jahren im Mesozoikum, teils unter marinen, meist aber unter festländischen Bedingungen gebildet. Die Deckgebirgsgesteine lagern sehr flach bzw. horizontal den steil stehenden Gesteinen des Grundgebirges ‚diskordant‘ auf.

Noch im Zechstein kam es zur ersten Sedimentüberdeckung im Bereich Haibachs in Form von roten bis braunen, durchschnittlich 40 m mächtigen Tonsteinen, teils mit geringmächtigen Einschaltungen an Schluff- und Sandsteinlagen. Dieser Sedimentationszyklus ist als Bröckelschiefer-Folge (z.B) bekannt, der früher der Zeit des Buntsandsteins zugeordnet wurde. Der Bröckelschiefer tritt saumartig am Findberg, Kaiselsberg und Rehberg südlich von Haibach sowie am Meisberg bei Dörrmorsbach zutage. Die weichen aber kompakten Tonsteine bewirken staunasse Verhältnisse an den flachen Hangbereichen.

Über den Tonen lagerte sich zu Zeiten des Buntsandsteins in der Unteren Trias vor 243 – 251 Millionen Jahren ein mächtiger Sedimentkomplex von etwa 400–600 m Mächtigkeit ab. Im Gebiet um Haibach treten nur die Sandsteine des Unteren Buntsandsteins in Erscheinung. Diese wiederum sind der Untergruppe des Heigenbrücker Sandsteins (früher als Bestandteil der Gelnhausen-Folge, heute Calvörde-Folge) zuzuordnen. Diese Sandsteine wurden in verschiedenen Steinbrüchen als Baumaterial in großem Umfang abgebaut. Der rosafarbene bis weiße, fein- bis mittelkörnige Sandstein ist relativ einheitlich ausgeprägt, aber in einzelne, teils durch Tonhorizonte getrennte, Gesteinsbänke gegliedert.

Die weißfarbenen und völlig mürben Sandsteine an der Südflanke des Findbergs sind ein eindrucksvoller Beleg für eine chemische Verwitterungsdynamik in der Kreide- bis Tertiärzeit. Der Gesteinszersatz korrespondiert mit einem langen Zeitraum tropenähnlicher Klimabedingungen mit einer ausgedehnten Flachlandschaft im Spessart. Durch selektive Flächenbildung entstand eine Landstufe, der einzelne Inselberge vorgelagert sind. Schichtstufe und Zeugenberg sind ältere Begriffe in diesem Kontext. Der Findberg, der Kaiselsberg oder der Rehberg sind Beispiele für Inselberge dieses Abschnitts der Sandsteinstufe.

Mit dem Übergang zum Kaltzeitklima des Eiszeitalters (Pleistozän) wurden die Eintiefung und die Talbildung verstärkt. Es bildeten sich nicht nur entlang des Mains, sondern auch bei den größeren Tributären, wie der Aschaff, Terrassen. Die Sandvorkommen in der Nähe der Ketzelburg sind vermutlich alte Ablagerungen des Haibachs oder des Ur-Haibachs, der im Tertiär in diesem Höhenniveau floss. Als Folge der Frosteinwirkungen während der Kaltzeiten entstanden in den Flussniederungen der Untermainebene sehr feinkörnige Substrate, die vom Wind ausgeblasen und in der näheren Umgebung wieder abgelagert werden konnte. Diese feinkörnige Windfracht wird als Löß (,Löl) bezeichnet und findet sich als Sediment südlich und östlich von Haibach.

Die Reliefsituation von Haibach allgemein und von der Ketzelburg im Detail ist überaus interessant. Haibach liegt im Bereich einer weitreichenden Verebnung am Rande des Maintals, die von Westen, Norden und Osten durch Fleißgewässer angeschnitten wird. Das Quellgebiet des Dörrnbach, des Haibachs und des Hirschbachs liegen jeweils am Rand des Siedlungsgebietes, während im Süden die Inselberge diesem Verebnungsbereich aufsitzen

3D-Ansicht der Ketzelburg bei Haibach mit den Buntsandstein-Inselbergen Findberg und Kaiselsberg auf der Grundlage des Digitalen Geländemodells aus Airborne Laserscanning. Blick von N. – Kartengrundlage: Bayer. Vermessungsverwaltung, Karte: Jürgen Jung, Spessart-GIS

3D-Ansicht der Ketzelburg bei Haibach

Die Verebnung im Bereich Haibachs gehört zu einem Flächenniveau, das im Vorderen Spessart weit verbreitet ist. Es wurde von SCHWENZER als P2-Fläche bezeichnet, die mit Höhenniveaus von 270-300 m NN etwas tiefer liegt als die P1-Fläche (320-340 m NN). Beide Flächenniveaus entstanden im jüngeren Tertiär in Folge einer selektiven Flächenbildung unter Klimabedingungen, die sich von einem tropenähnlichen Klima hin zu den Kaltzeiten veränderten. Die letzte Stufe dieses Klimawandels waren die Eiszeiten des Quartärs, die eine linienhafte Einschneidung der Gewässer veranlasste. Die Eintiefung der Gewässer ausgerichtet auf den Vorfluter Main führte letztlich zu einer Zerschneidung und damit Auflösung der Flächen. Reste dieser Altflächen sind heute noch als aushaltende Verebnungsbereiche im Relief erkennbar und kartierbar. Die Verebnungen können nicht mit der Gesteinsstruktur in Verbindung gebracht werden, denn diese liefert keine horizontalen Vorgaben. Vielmehr fallen die Schichten steil ein und werden von den Flächen unabhängig von der Struktur gekappt.

Geologisches Profil der Ketzelburg bei Haibach. Karte: Jürgen Jung, Spessart-GIS

Geologisches Profil der Ketzelburg bei Haibach

Die Ketzelburg liegt am Rande eines Verebnungsbereiches der von der Burgstelle über die Haibacher Schweiz zum Hasenkopf führt. Nordöstlich bildet der Haibach eine scharfe Grenze, da hier das Gelände markant um 30 m (gewässerabwärts bis zu 100 m) abfällt. Westlich ist die Zugehörigkeit zum erwähnten Verebnungsbereich noch deutlich nachvollziehbar, allerdings schnürt ein kleines, gewässerfreies und klingenartiges Seitentälchen des Haibachs den Burghügel regelrecht ab. Würde man den Burghügel fiktiv am Rande eines größeren Fließgewässers sehen, dann wäre man dazu geneigt, diesen von der Morphologie als Umlaufberg anzusprechen.

Morphologische Übersicht der Ketzelburg bei Haibach mit Verebnungsflächen (Lila). Im Hintergrund Hangneigungsklassifikation von braun (20-30%) bis weiß (0-1%). – Karte: Jürgen Jung, Spessart-GIS

Morphologische Übersicht der Ketzelburg bei Haibach

Durch das Seitentälchen zum Haibach hin besitzt der Burghügel eine eher spornartige Lage und bietet sich in dem ansonsten reliefarmen Gelände mit wenig exponierten Positionen zum Bau einer Befestigungsanlage an. Dennoch ist der Burgstandort in einer eher geschützten Position und nicht unmittelbar aus der Distanz zu erkennen. Hätte man eine gut einsehbare Burg errichten wollen, hätten sich die südlich angrenzenden Inselberge Findberg, Rehberg und Kaiselsberg angeboten. Die Burgstellen auf dem Gräfenberg und dem Klosterberg bei Feldkahl sind Beispiele für solche Burganlagen mit repräsentativem Charakter. Grundlage für die Analyse der Reliefsituation der Ketzelburg bietet das digitale Geländemodell auf Basis des Airborne Laserscanning.


 

Weiterführende Literatur:

 

Stephan Behlen, Johann Merkel, Geschichte und Beschreibung von Aschaffenburg uund dem Spessart. Mit Karte, Aschaffenburg 1843.

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Adalbert von Herrlein, Aschaffenburg und seine Umgegend. Ein Handbuch für Fremde, Aschaffenburg 1857.

Jürgen Jung, GIS-gestützte Rekonstruktion der neogenen Reliefentwicklung tektonisch beeinflusster Mittelgebirgslandschaften am Beispiel des Spessarts (NW-Bayern, SE-Hessen). Masch. Diss., Würzburg 2006.

Martin Balduin Kittel, Skizze der geognostischen Verhältnisse der nächsten Umgebung Aschaffenburgs. Zweite und letzte Abtheilung. Programm des königlichen bayerischen Lyceums zu Aschaffenburg für 1839 und 1840, Aschaffenburg 1840.

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Dieter Richter, Allgemeine Geologie, (De-Gruyter-Lehrbuch) Berlin [u.a.] 4., verb. und erw. Aufl.1992.

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Winfried Weinelt, Erläuterungen zur Geologischen Karte von Bayern 1:25 000, Blatt Nr. 6021 Haibach, München 1962.


Jürgen Jung, Kleinwallstadt 2016