Hier liegt der Hund begraben*
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von Gerhard Ermischer

Ursprüngliche Lage des Hundeskeletts innerhalb des hochmittelalterlichen Wohnturms

Ursprüngliche Lage des Hundeskeletts innerhalb des hochmittelalterlichen Wohnturms

Zu den aufregendsten Funden während der Grabungen auf der Ketzelburg gehört der Fund eines Hundeskeletts in der Kampagne 2004. Nicht nur die Fundlage unmittelbar im Fundamentbereich auf der Innenseite des Wohnturms machte den Fund so spannend. Keinen Meter davon entfernt wurde nämlich an der Außenseite des Turmfundaments noch ein neolithisches Steinbeil geborgen. Beide Objekte dürften zum Zeitpunkt der Erbauung des Bergfriedes hier absichtlich niedergelegt worden sein.

Der Hund wurde regelrecht bestattet: sorgfältig in eine Aussparung im anstehenden Fels gelegt und mit mehreren Steinplatten abgedeckt. Danach bedeckte man das Ganze mit einem Stampflehmboden. Vor der Schnauze des Hundes lag ein Knochen, den die Archäologen nach der Aufdeckung als Wegzehrung und Spielzeug für das Jenseits deuteten. Die Kombination von Hund und Steinbeil gibt auch einen Hinweis auf die wahrscheinlichste Interpretation des Fundes: es handelt sich hier um „Bauopfer“, die Unheil von dem Gebäude abhalten sollten.

Der Hund dürfte – wie das Steinbeil – der Abwehr von Unheil gedient haben1. Schließlich steht der Hund als ältestes Haustier des Menschen, als Jagdbegleiter und Beschützer von Nutztieren wie des Hauses, dem Menschen nicht nur besonders nahe. Im Fundamentbereich des Wohnturms niedergelegt, könnte der Hund dabei als Abwehr sowohl gegen reale Bedrohungen gedacht gewesen sein, wie auch als „Geisterhund“ zur Abwehr feindseliger Geister und Dämonen, die das Haus des Burgherren bzw. die ganz Burg heimsuchen könnten. Neben der symbolischen Zerstörung der Kräfte des Bösen konnte eine solche Tierbestattung aber auch als Mittel verstanden werden, die Lebenskraft des geopferten Tieres auf den Bau zu übertragen und ihn so sicherer zu machen.

Die Befundsituation zeigt, dass die Niederlegung nicht nur bewusst erfolgte. Sie wirft auch ein Schlaglicht auf eine Vorstellungswelt, die stark vom Aberglauben geprägt ist. Der Bauherr der Ketzelburg wollte auf Nummer sicher gehen, und sich vor Bedrohungen durch Naturgewalten wie durch Geister schützen, Gefahren denen sich der Mensch des Mittelalters weitgehend hilflos gegenüber sah. Er setzte dabei aber nicht allein auf den Schutz durch Kirche und Glauben sondern griff zu Mitteln, bei denen schon die Menschen der Antike Zuflucht suchten.


Bei der Freilegung des Hundeskeletts traten auch die die nur grob zugerichteten Steine zu Tage, mit denen das Grab ursprünglich bedeckt war.
Der Knochen vor dem Maul des Hundes wurde anfangs als Wegzehrung und Spielzeug für das Jenseits gedeutet.
Das weitgehend freigelegte Hundeskelett
Das Hundegrab wurde bis auf den anstehenden Felsen ausgehoben. Oberhalb des Skeletts verläuft jenes Mauerstücks des Wohnturms, unter das man als „Blitzschutz“ ein jungsteinzeitliches Steinbeil gelegt hat.
Die Grabgrube nach der vollständigen Bergung des Hundeskeletts
Nach der naturwissenschaftlichen Untersuchung kehrte der Hund im Sommer 2006 anlässlich des Burgfestes für wenige Tage an seinen Auffindungsort zurück.
Im Vorfeld des Grabungsfestes 2014 hatte man für das Hundeskelett eine eigene mobile Vitrine gebaut.
Im Vorfeld des Grabungsfestes 2014 hatte man für das Hundeskelett eine eigene, mobile Vitrine gebaut.

Bauopfer haben eine lange Tradition und die Beisetzung von Hunden zum Schutz von Gebäuden findet sich gelegentlich etwa auch bei den Römern2. Selten sind solche Praktiken aber für das Mittelalter und die frühe Neuzeit archäologisch so gut nachzuweisen wie in der geradezu idealen Kombination auf der Ketzelburg, in der gleich zwei Unheil abwehrende Mitteln an einem Bauwerk in räumlicher Nähe und in einem sinnvollen Kontext belegt sind3.

Die Freilegung des Hundes in der Kampagne 2004 trug wesentlich zum Interesse in der Region an den Grabungen bei. Sowohl die Bewohner von Haibach als auch die Presse waren von der Hundebestattung fasziniert. Die enge Verbindung des Menschen mit seinem ältesten Haustier wurde in den emotionalen Reaktionen auf den Fund auf der Ketzelburg wieder einmal eindrucksvoll bestätigt. Dazu trug auch ein kleines Detail noch bei: ein Knochen lag so verführerisch vor der Schnauze des Hundes, dass der Gedanke nah lag, darin eine Wegzehrung für die letzte Reise des Tieres zu sehen.

Unter anderem um diese Frage zu klären, sollten die Knochen einer eingehenden Untersuchung an der Südböhmischen Universität Budweis unterzogen werden4. Weitere Fragen waren nach Alter, Geschlecht und Rasse des Hundes, etwaigen Krankheiten und natürlich, ob sich Spuren einer Tötung des Tieres nachweisen ließen, also ob der Hund speziell als Opfer ausgewählt wurde.

Die Ergebnisse der Untersuchung ließen eine schöne Geschichte leider zerplatzen: Der Knochen vor der Schnauze des Hundes gehört zum Hundeskelett selbst und ist nur durch eine zufällige, sekundäre Verlagerung in diese Position gerutscht. Dem Hund wurde also keine letzte Wegzehrung, oder gar sein Lieblingsknochen mit ins Jenseits gegeben.

Auch ließen sich keine Spuren einer Tötung feststellen5. Dies schließt jedoch grundsätzlich nicht aus, dass der Hund als Bauopfer ausgewählt und eigens dafür getötet wurde. Das Alter des Hundes konnte schließlich auf mindestens zehn Jahre, eher noch älter, bestimmt werden. Damit ist auch ein ganz natürlicher, altersbedingter Tod des Hundes nicht auszuschließen. Andererseits bestätigen die Befunde an den Knochen des Hundes, dass er bewusst beigesetzt und so rasch begraben wurde, dass keine potentiellen Aasfresser, wie Ratten oder andere Hunde, den toten Körper annagen konnten. Ein nachträgliches Abfleischen der Knochen hat ebenfalls nicht stattgefunden. Damit kann ausgeschlossen werden, dass der Hund zu guter Letzt noch im Kochtopf des Burgherren landete.

Bei dem Hund handelt es sich um einen Rüden von mittlerem Wuchs, der als Jagd- oder Schäferhund angesprochen werden kann und wohl auch ein guter Wachhund war. Durch Zuchtauswahl haben sich schon in der Vorgeschichte unterschiedliche Hundetypen herausgebildet, und Darstellungen aus dem späten Mittelalter zeigen kleine Schoßhündchen ebenso wie riesige Kampfhunde. Die Auswahl ganz bestimmter Kriterien, wie kurze oder lange Beine, stämmiger oder zierlicher Körperbau, kurze oder lange Schnauze führt dazu, dass durch die Zuchtauswahl einzelne Körpermerkmale extrem ausgeprägt sind und es dadurch auch zu Veränderungen kommt, die sogar die Gesundheit der Tiere beeinträchtigen können. An den Knochen des Hundes aus Haibach lassen sich leichte Verkrümmungen an den Langknochen erkennen, die eine Folge eines solchen Zuchtverhaltens sind. Allerdings sind diese Veränderungen nur mäßig, so dass hier keine extremen, zuchtbedingte Degenerationen vorliegen.

Bevor der Wohnturm errichtet wird, bestattet man im Turminneren zur Abwehr böser Geister den Hund von der Ketzelburg. Zeichnung: Christian Meyer zu Ermgassen, KellinghusenZusammenfassend kann man sagen: Es handelte sich um ein robustes, männliches Tier von über zehn Jahren. Die Zähne weisen deutliche Abnutzungserscheinungen auf, was auf ein eher noch höheres Alter des Tieres schließen lässt. An den Knochen waren keine krankhaften Veränderungen oder Wachstumsstörungen festzustellen. Wahrscheinlich haben wir es mit einem gut genährten, gesunden Tier zu tun. Es war als Wachhund gut geeignet und somit auch für seine Funktion als „Geisterhund“ oder geisterhafter Wächter des Hauses seines Herrn. Ob es speziell als Bauopfer getötet wurde oder nach seinem natürlichen Tod im Fundamentbereich des Bergfrieds bestattet wurde, lässt sich nicht klären. Das Alter des Hundes und das Fehlen von Schnittspuren an den Knochen lässt aber einen natürlichen Tod durchaus als wahrscheinlich erscheinen. Vor allem die Kombination mit dem neolithischen Steinbeil an der Außenseite des Fundaments legt die Vermutung nahe, dass die Einzelbestattung des Hundes an dieser ungewöhnlichen Stelle mit Vorstellungen aus dem Aberglauben zu erklären ist. Der Hund wurde nicht als Opfer im Sinne eines Kultes dargebracht. Ihm kam vielmehr als Statussymbol eine besondere Wertschätzung zu. Es fällt im Übrigen auf, dass bei den meisten bislang untersuchten Hundebestattungen Rüden beigesetzt wurden. Die offenkundige Bevorzugung männlicher Tiere kann auf deren stärkere Angriffslust zurückgeführt werden, die solche Tiere für den Krieg, für die Jagd sowie Hüte- und Wachdienste besonders auszeichnete.

* Überarbeitete Fassung eines Artikels, veröffentlicht in Harald Rosmanitz, Die Ketzelburg in Haibach. Eine archäologisch-historische Spurensuche (Neustadt a. d. Aisch 2006), S. 99-102

  1. Anita Chmielewski-Hagius, Wider alle Hexerei und Teufelswerk …vom alltagsmagischen Umgang mit Hexen, Geistern und Dämonen. In: Sönke Lorenz (Hg.), Hexen und Hexenverfolgung im deutschen Südwesten. Volkskundliche Veröffentlichungen des Badischen Landesmuseums Karlsruhe, Bd. 2/2 (Karlsruhe 1994) 149-151.
  2. Susanne Hanik, Hundebestattungen im freien Germanien – am Beispiel der römerzeitlichen Siedlung Bavenstedt. Beiträge zur Archäozoologie und Prähistorischen Anthropologie 1, 1997, 208–210; Wietske Prummel, Early medieval dog burials among the Germanic tribes. Helinium 32, 1992, 132–194.
  3. Zu vergleichbaren Hundebestattungen: siehe Ralf-Jürgen Prilloff, Eine mittelalterliche Hundebestattung aus Halberstadt. Jahresschrift für mitteldeutsche Vorgeschichte 80, 1998, 165–176; Thomas Ruppel, Eine Hundebestattung der Zeit um 1600. in: Thomas Ruppel, Eine Siegburger Töpferwerkstatt der Familie Knütgen. Kunst und Altertum am Rhein. Führer des Rheinischen Landesmuseums Bonn und des Rheinischen Amtes für Bodendenkmalpflege 133 (Köln/Bonn 1991), 93–101.
  4. Dazu ausführlich: Milan Aldorf, Die archäozoologische Analyse des Hundeskeletts von der Ketzelburg. In Harald Rosmanitz, die Ketzelburg in Haibach. Eine archäologisch-historische Spurtensuche (Neustadt a. d. Aisch 2006), 103-106.
  5. Zu ähnlichen Ergebnissen kommen auch die Untersuchungen von Susanne Hanik bei der archäozoologischen Untersuchung der Hundeskelette aus der germanenzeitlichen Siedlung von Hildesheim-Bavenstedt (Hanik 1997, 208–210).