Die Altenburg im Wandel der Zeit
Das Ostwerk der Altenburg vor Beginn der Ausgrabungen im Jahre 2007

Das Ostwerk der Altenburg vor Beginn der Ausgrabungen im Jahre 2007.

„Den Blicken verborgen, liegt sie schon zwischen den waldgrünen Bergen des westlichen Spessarts, doch nur fünf Kilometer vom Main entfernt. Weit schweift der Blick von da über das Waldland hinunter zum Fluß und hinaus auf die Ebene des Maingaues.“1

Mit diesen nahezu poetischen Worten beschreibt der damalige Hauptkonservator Georg Hock im Jahre 1916 die zwischen dem Sulzbacher Ortsteil Soden und Leidersbach gelegene Altenburg. Diese in ihrer Größe beeindruckende Ringwallanlage ist bereits auf einer im Jahre 1820 entstandenen Kopie einer Zentkarte von 1360 als „Altenburg Allwo daß Raubschloss gestanden“ vermerkt.

Wie andere Bodendenkmäler des Spessarts war auch die Altenburg Forschungsobjekt für Heimatforscher, Historiker und Hobbyarchäologen. Das Sodental blickt auf eine lange Besiedlungsgeschichte zurück. Hiervon zeugen zahlreiche Funde die in der Region gemacht wurden. So fand man in den Jahren zwischen 1885 und 1894 insgesamt fünfzehn Steinbeile auf Sodener Gemarkung.2 Die im Archiv des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege dokumentierte Forschungsgeschichte der Altenburg reicht bis in das 19. Jahrhundert zurück.

Die Topographie

Die Altenburg in der ersten Häfte des 19. Jahrhunderts, Kartierung von 1845 (aus: Ortsakten des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege).

Die Altenburg in der ersten Häfte des 19. Jahrhunderts, Kartierung von 1845

Der Zustand der Altenburg im Wandel der Zeit ist seit dem 19. Jahrhundert durch Karten und Beschreibungen belegt. Im Jahre 1892 erschien die zweite Auflage des Führers durch den Spessart von Johann Schober.3 Schober erstellte Wanderrouten durch den Spessart und beschrieb Sehenswürdigkeiten entlang dieser Touren. Sein Wanderweg von Sulzbach nach Mespelbrunn führt auch auf den Schlossberg bei Soden. Er bezeichnet die Altenburg als germanischen Ringwall auf dem Gipfel des Schlossberges und betont die gute Fernsicht in die Mainebene, in den Odenwald und in den Taunus. Bei gutem Wetter könne man gar noch über die Bergstraße hinaus zum Donnersberg „mit dem grossen und kleinen Feldberg […] und dem Altkönig“ schauen.4 Die Altenburg selbst beschreibt er als eine „an der Fluss-Seite mit doppelter, an der entgegengesetzten, an den nächstliegenden Berg sich anschliessenden Seite durch dreifache, gewaltige Erdaufschüttungen hergestellt[e]“ Ringwallanlage, „die sich noch ganz ungestört“ zeige.5 Zudem erwähnt Schober „schwache Spuren eines früheren Gebäudes“ im Inneren der Anlage.6 Leider geht er auf letztgenannte Überreste nicht näher ein.

Der Vergleich zweier Übersichtspläne aus dem Archiv des BLfD verdeutlicht den Verfall der Altenburg in den letzten 150 Jahren besonders deutlich. Die erste Karte stammt aus dem Jahre 1845. Es handelt sich hierbei um einen Plan der Altenburg nach der bayerischen Flurkarte NW 86.37a. Gemäß dieser Karte war der doppelte Befestigungsring der Anlage in der Mitte des 19. Jahrhunderts noch komplett durchgängig. Die Wälle waren lediglich an den beiden Durchlässen im Nordwesten und Südosten der Anlage unterbrochen. Der südöstliche Durchlass ist auf der Karte durch ein viereckiges Gebilde flankiert, das in den inneren Wall integriert zu sein scheint. Bebauungsspuren im Inneren der Anlage sind auf dem Plan von 1845 nicht dokumentiert. Schober erwähnt zwar in seiner Beschreibung Überreste von Bebauung im Inneren der Altenburg, allerdings ist es nicht klar, ob er damit das viereckige Gebilde im Südosten meint.7

Bei der zweiten Karte handelt es sich um eine topografische Aufnahme des BLfD aus den Jahren 1974 und 1975.8 Auf dieser Übersicht dürfte der Zustand der Altenburg dokumentiert sein, der sich auch heute noch dem interessierten Besucher bietet. Die größten Veränderungen fallen an der östlichen Spitze der Anlage auf. Hier scheint es in den letzten 150 Jahren größere Eingriffe in die Wallstruktur gegeben zu haben. Der innere Wall fehlt im Osten völlig und auch der äußere Wall ist auf einem etwa 20 Meter breiten Abschnitt unterbrochen, so dass nicht mehr erkennbar ist, wo genau sich der südöstliche Zugang befunden hatte. Das rechteckige Gebilde im Südosten ist verschwunden.

Vergleicht man die beiden Karten und den heute sichtbaren Zustand der Anlage mit der Beschreibung von Schober, fallen zwei besonders interessante Aspekte auf. Zum einen spricht Schober von einem dreifachen Bering auf der dem Main abgewandten Seite der Anlage.9 Da der Main westlich der Altenburg liegt, können wir davon ausgehen, dass er die Ostspitze der Anlage meint. Ein weiterer Hinweis auf diese Vermutung ist die Bemerkung Schobers, diese Stelle sei die „an den nächstliegenden Berg sich anschliessende Seite“ der Altenburg.10 Diese Beschreibung trifft ebenfalls auf die Ostspitze zu, denn der Höhenzug des Schlossbergs setzt sich tatsächlich nach Osten zur benachbarten Altmannshöhe hin fort.

Wie schon erwähnt, ist gerade dieser Abschnitt des Walls besonders stark vom Verfall betroffen, so dass das ursprüngliche Aussehen an dieser Stelle kaum zu rekonstruieren ist. Auch der Plan von 1845 ist hierbei wenig aufschlussreich. Er zeigt zwar an, dass der äußere Wall an der Ostspitze ursprünglich in seiner Mächtigkeit zunahm, jedoch findet man keine Hinweise auf einen dreifachen Bering. Eine Lösung hierfür könnte eine Notiz des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege in München, datiert auf den 22. April 1968, bieten. Hier wird ein Querwall, etwa 250m östlich der Anlage, erwähnt. Dieser Wall soll als Wegsperre gedient haben, um die Ostspitze der Altenburg abzuriegeln.11 Es ist anzunehmen, dass Schober diesen Querwall in seiner Beschreibung anspricht. Steigt man von Osten zur Altenburg hinauf, ist dieser vorgelagerte Sperrriegel auch heute noch im Gelände zu erahnen. Möglicherweise war der Querwall im 19. Jahrhundert noch deutlicher im Gelände sichtbar, so dass Schober es als selbstverständlich ansah, dass es sich hierbei um einen integralen Bestandteil der Wallstruktur handelte. In welcher Bauphase der Anlage dieser Wall entstand und wie er konstruiert war, ist jedoch vollkommen unklar.

Der zweite interessante Aspekt in Schobers Beschreibung ist die Aussicht, die er von der Altenburg aus schildert. Der Schlossberg ist heute vollständig bewaldet, so dass der Ausblick auf die Umgebung komplett verwehrt ist. Während der Grabungskampagne im Spätsommer / Herbst 2008 besichtigten unter anderem auch einige ältere Bürger der umliegenden Gemeinden die Altenburg. Ihren Schilderungen nach war der Schlossberg auch noch im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts weitgehend unbewaldet. Schobers Aussagen bestätigen diese mündlichen Berichte.

Diese Beschreibungen liefern eine Erklärung, warum die Altenburg auf dem Schlossberg erbaut wurde. Vermutlich wurde die Erhebung möglichst waldfrei gehalten, so dass die Bewohner der Anlage eventuell anrückende Feinde schon von Weitem erspähen konnten. Zudem war die Anlage weithin sichtbar und konnte somit auch repräsentativen Zwecken dienen.

Die Nutzung des Geländes im 19. und 20. Jahrhundert

Kartierung der durch Sandsteinbrüche im 19. und 20. Jahrhundert zerstörten Areale auf der Altenburg (aus: Ortsakten des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege).

Kartierung der durch Sandsteinbrüche im 19. und 20. Jahrhundert zerstörten Areale auf der Altenburg.

Die oben erwähnten Schäden an der Altenburg wurden wohl zunächst durch den Abbau von Steinen durch die Einwohner der umliegenden Gemeinden, besonders in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, verursacht. Dieser massive Abtransport von Steinen ist in den Akten des BLfD gut belegt. Das im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts zuständige Landesamt für Denkmalpflege in Würzburg wusste von der allmählichen Zerstörung der Anlage und versuchte den weiteren Steinabbau vergeblich zu verhindern. In einem Brief an das Bezirksamt Obernburg beklagte der zuständige Hauptkonservator Georg Hock die schweren Schäden an der Anlage und bat zugleich um „eine baldige Verfügung“ des Bezirksamtes, um eine weitere Steinentnahme zu unterbinden.12 Hock unterstrich zudem die Bedeutung der Altenburg und zählte sie zu den „wichtigsten und interessantesten vorgeschichtlichen Denkmalen des Untermaingebietes.“13 Dass seine Apelle wenig Wirkung zeigten, beweist ein Brief vom April des Jahres 1921. Hierin forderte Hock erneut das zuständige Bezirksamt in Obernburg auf, den Steinabbau zu verbieten. Der Brief dokumentiert zudem, dass die Steine hauptsächlich im Norden und Südosten des Ringwalls sowie im Inneren der Anlage entnommen wurden. Als Verursacher der Schäden nennt Hock explizit die Bewohner der Gemeinden Soden und Ebersbach, an die das Verbot weiterer Steinentnahmen auch zu richten sei.14 Dieser Abtransport von Steinen konnte sowohl im Inneren der Altenburg als auch im Südosten des Walls während der Grabungskampagne 2008 auch archäologisch bestätigt werden und ist wohl die Hauptursache für die heute sichtbaren Schäden an der Anlage. Die entnommenen Steine wurden laut der Sodener Ortschronik zum Bau von Gebäuden in der Gemeinde verwendet. So wurden sowohl die alte Kirche in Soden als auch Wohnhäuser und Scheunen zum Teil aus Steinen der Altenburg errichtet.15

Ein nicht signierter Brief vom 9. September 1933 an Hauptkonservator Hock unterstreicht nochmals die Schäden, die „sowohl durch Schatzgräberei als auch durch Steingewinnung“ entstanden seien.16

Ein Beispiel für die erwähnte „Schatzgräberei“ ist aus dem Jahre 1925 überliefert. Der Frankfurter Schüler F. Kirchheimer, der den Sommer in einem Erholungsheim in Soden verbrachte, erfuhr von Bewohnern des Ortes, dass diese bei Grabungen auf der Altenburg schon häufiger auf Geräte und Waffen gestoßen seien. Ein Bauer erzählte ihm zudem, er habe an einer bestimmten Stelle ein Steinbeil gefunden. Diese Erzählungen weckten Kirchheimers Interesse, so dass er beschloss, an der von dem eben erwähnten Bauern bezeichneten Stelle selbst nach Funden zu graben. Seine Beschreibung dieser Arbeiten impliziert, dass er dabei nicht alleine war, wahrscheinlich halfen ihm dabei Bewohner Sodens oder andere Besucher des Erholungsheims. Mit einem oder mehreren Helfern begann er also an der Stelle zu graben, an welcher der Bauer das Steinbeil gefunden haben soll. In einer Tiefe von etwa 1,5 m stieß Kirchheimer auf einen „unzweifelhaft behauenen Sandsteinblock.“17 In der Erdschicht über diesem Stein fand Kirchheimer „zerschlagene Töpfe […], Asche, einen Knochensplitter u. Eisen und ein Steinbeil.“18 Er interpretierte den Befund als ein Urnengrab, die Keramikfragmente als Reste einer „Aschenurne“19 und die übrigen Gegenstände als Grabbeigaben. Kirchheimer legte nach seiner Rückkehr nach Frankfurt seine Funde einem Mitarbeiter des Frankfurter Historischen Museums vor. Dieser datierte sie in die frühe Hallstattzeit20 und forderte Kirchheimer auf, sich an das zuständige Denkmalamt zu wenden.21

Georg Hock erfuhr somit von diesen Grabungen durch Kirchheimer selbst. Hock sah die Angelegenheit als erneuten Beweis dafür an, „dass die dortige Bevölkerung den gesetzlichen Bestimmungen über Ausgrabungen und Bodenfunde keinerlei Beachtung schenkt“22 und wunderte sich, dass Kirchheimer „von der Ortspolizeibehörde (Flur- oder Waldhüter) nicht eines Besseren belehrt“ worden war.23 Er forderte das Bezirksamt erneut auf, ein Verbot jeglicher Grabungen bei den Bewohnern der Gemeinden Soden, Ebersbach und Leiderbach durchzusetzen. Hock sah die Hauptschuld an dem Vorfall nicht bei Kirchheimer, da dieser „offensichtlich in Unkenntnis gehandelt“ und zudem „gewissenhaft über den Fall […] berichtet“ habe.24

Kirchheimer musste seine Funde dem zuständigen Hauptkonservator Hock aushändigen.25 Die Funde gelangten im Oktober 1925 in das Mainfränkische Museum in Würzburg, sind heute jedoch nicht mehr erhalten.26

Kirchheimer berichtet zudem, dass das vermeintliche Grab früher schon geöffnet worden sei. Als Zeugen verweist er auf Dr. Rüdiger von der Kindererholungsanstalt, der bei diesen Grabungen anwesend gewesen sei.27

Kirchheimer erstellte Zeichnungen von dem von ihm gefundenen Beil und dem mutmaßlichen Grab. Zudem vermerkte er, dass er weitere Gebilde gefunden habe, die er als „Wohngruben“ interpretierte. Auch den vermeintlichen Brunnen in der Mitte der Anlage vermerkte er.28 In einem weiteren Brief an Georg Hock berichtet Kirchheimer, er habe „in nächster Nähe der Sodenburg […] ein quadratisches Schanzwerk [entdeckt], dessen Wälle aus Steinen bestehen.“29 Er interpretierte seinen Fund als „Vorwerk der Sodenburg“ und behauptete, „andere Vorwerke […] mit Bestimmtheit im Osten des eigentlichen Walles zu erkennen.“30 Auch diesem Brief fügte Kirchheimer Skizzen über seine Entdeckungen bei.

Die Angaben Kirchheimers müssen mit der größten Vorsicht, seine Vermutungen mit äußerster Skepsis behandelt werden. Kirchheimer war ein Jugendlicher aus der Großstadt, der im Sommer nach einem Abenteuer auf dem Land suchte. Seine Aussagen dürfen daher nicht überbewertet werden. Die Funde aus dem vermeintlichen Grab sind die einzigen Anhaltspunkte, die einigermaßen ernsthaft beurteilt werden können. Da sie jedoch nicht mehr auffindbar sind und daher nicht überprüft werden können, scheiden sie als Datierungshinweise aus. Leider sind seine Skizzen zudem viel zu ungenau, um feststellen zu können, wo er seine Grabungen durchgeführt hatte.

Steinbrucharbeiten und Raubgrabungen waren jedoch nicht die einzigen Ursachen für die massiven Störungen auf dem Gelände der Altenburg. Der Zweite Weltkrieg und die anschließende Besatzungszeit durch die Streitkräfte der Vereinigten Staaten brachten weitere Zerstörungen der Anlage mit sich. Zeitzeugen berichten von Bombentreffern während des Zweiten Weltkrieges und von ausgedehnten Manövern der in Aschaffenburg stationierten amerikanischen Streitkräfte in der Nachkriegszeit. Diese Berichte konnten während den Grabungskampagnen 2008 und 2009 auch archäologisch bestätigt werden. Das Gelände ist nahezu übersät von Zeltheringen aus amerikanischer Produktion. Zudem wurden zahlreiche Bombensplitter, Fragmente von Übungsmunition und Patronenhülsen gefunden. Niemand weiß genau, welche Schäden allein durch die Manöver der amerikanischen Streitkräfte auf dem Gelände angerichtet wurden. Diese massiven Störungen erschwerten die archäologische Arbeit erheblich oder machten sie an vielen Stellen gar vollkommen unmöglich.

Ein weiteres Problem bei der Erforschung der Altenburg sind die zahlreichen undokumentierten Grabungen durch Schatzsucher. Die meisten dieser Grabungen wurden wohl von Laien durchgeführt und erfolgten heimlich, ohne Kenntnis der zuständigen Behörden. Mit Sicherheit wurden im Laufe der Jahrzehnte immer wieder auch Lesefunde getätigt, die jedoch nie an das zuständige Denkmalamt gemeldet wurden. Der erste dokumentierte Fall einer solchen Grabung stammt aus dem Jahre 1893. Demnach habe Dr. Laudien aus Bad Sodenthal begonnen, „auf der Altenburg bei S. einen cisternenartigen Schacht zu öffnen […], welcher außer Scherben bis jetzt ein Steinbeil und eine Urne, niedrig, flach, sehr stark im Thon, mit kleiner Höhlung lieferte.“31 Weitere Informationen über die Ergebnisse der Grabung oder dem Verbleib der Funde liefert der Bericht nicht, diese Gegenstände sind vermutlich im Laufe der Zeit verlorengegangen.32

Wo genau auf dem Gelände Laudien seine Grabungen durchgeführt hatte, ist nicht überliefert. Der Bericht über Laudiens Grabungen erwähnt einen „cisternenartigen Schacht“. Einwohner der umliegenden Gemeinden berichteten uns von einem Brunnen oder Zisterne in der Mitte der Anlage. Eine bereits verstorbene Frau soll nach diesen Berichten als kleines Kind bei Grabungsarbeiten an dieser Stelle anwesend gewesen sein. Nach ihren Erzählungen soll dort ein etwa vierzig Meter tiefer Schacht in die Tiefe führen. Um diesen Berichten auf den Grund zu gehen, legten wir an besagter Stelle einen Schnitt an. Wir fanden eine massive Störung, die mit Sicherheit durch Grabungstätigkeiten entstanden war. Aus Zeitgründen konnten wir besagte Störung zwar nicht bis zu ihrem unteren Ende verfolgen, dennoch fanden wir keinerlei Hinweise auf eine Brunnen- oder Zisternenkonstruktion. Die Existenz des Schachtes, der dort in die Tiefe führen soll, ist mit großer Wahrscheinlichkeit ebenfalls auszuschließen. Möglicherweise entstand die Legende vom Brunnen bzw. von der Zisterne an dieser Stelle der Anlage durch den Bericht Laudiens aus dem Jahre 1893.

Seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert sind einige wenige Funde dokumentiert, die auf dem Gelände der Anlage selbst oder in ihrer Umgebung geborgen wurden. Laut den Aufzeichnungen in den Ortsakten des BLfD wurden allein in den Jahren 1885-1894 fünfzehn Steinbeile in Soden gefunden. Auch in späteren Fundberichten ist immer wieder von Steinbeilen die Rede. Sie stellen die Hauptgruppe der überlieferten Funde dar. Bei den meisten dieser Gegenstände sind die Fundumstände unklar. Es sind vermutlich vorwiegend Lesefunde, einige dürften auch aus unerlaubten Grabungen stammen. Die Fundumstände einiger weniger Gegenstände sind zwar überliefert, jedoch liegt in keinem Fall eine wissenschaftlich verwertbare Dokumentation vor. Ein weiteres Problem ist, dass es wohl eher die „spektakulären“ Funde wie Steinbeile und Steinäxte oder Metallgegenstände sind, die dokumentiert wurden. Kleinfunde wie Keramikscherben, kleinere Steingeräte, Abschläge oder ähnliches wird von Laien häufig nicht als Artefakt erkannt oder als unbedeutend abgetan. Die überlieferten Funde bieten daher ein Zerrbild der Wirklichkeit.

Der Forschungsstand zu Beginn der Ausgrabungen im August 2008

Das durchbohrte Steinaxt wurde bereits vor mehr als hundert Jahren im Bereich der Altenburg gefunden.

Das durchbohrte Steinaxt wurde bereits vor mehr als hundert Jahren im Bereich der Altenburg gefunden.

Bereits Ende des 19. Jahrhunderts ging Schober davon aus, bei der Altenburg handele es sich um einen germanischen Ringwall.33 In einer Auflistung der Bodenaltertümer in der Markung Soden des Bezirksamtes Obernburg vom Februar 1909 wird die Anlage als „keltisch-germanischer Ringwall“ bezeichnet.34 Wie das Bezirksamt zu der Einordnung der Anlage in die keltisch-germanische Zeit kommt, wird nicht erwähnt.

Im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts datierte Georg Hock die Altenburg in die Urnenfelderzeit. Peter Endrich übernahm die Datierung Hocks noch im Jahre 1961 und vermutete, wie Hock zuvor auch schon, dass die Anlage noch bis in die Latènezeit genutzt wurde. Endrich ging zudem davon aus, dass die Anlage während der Urnenfelderzeit als eine Fliehburg genutzt wurde. Zu dieser Einschätzung kam er aufgrund von Hortfunden in der Umgebung, die er als Zeichen einer Krise deutete.35

1967 bewertete Klaus Schwarz nach einer archäologisch-topografischen Untersuchung die Zeitstellung der Altenburg völlig neu. Eine Entstehung während der Urnenfelderzeit schloss er aus und datierte die Anlage anhand der archäologisch-topografischen Untersuchung der Wälle und durch Vergleiche mit anderen Anlagen in das 9. oder 10. Jahrhundert n. Chr. Eine Vorgängeranlage schloss er aus. Als Bestätigung für diese Theorie sah er die Existenz des turmartigen Gebildes an, das auf dem Plan von 1845 noch sichtbar, heute jedoch durch die Steinbrucharbeiten vollkommen zerstört ist. Dieser Torturm und das Grabensystem der Altenburg weisen seiner Ansicht nach starke Parallelen zu anderen frühmittelalterlichen Burgen der weiteren Umgebung auf. Schwarz vermutete, die Altenburg habe der Bevölkerung der umliegenden Gemeinden als Fliehburg gedient. Er spekuliert zwar, dass die Funktion der Anlage über die einer reinen Fliehburg hinausgegangen sein könnte, gibt jedoch zu, dass der damalige Wissensstand für diese Beurteilung nicht ausreiche.36

Schwarz schloss zudem die Existenz von zwei Wällen aus. Seiner Ansicht nach ist „der untere [also äußere] Wall […] nichts anderes als die äußere Einfassung eines vorgelagerten Grabens, welche erforderlich wurde, weil die obere Wallmauer so nahe am Steilhang bzw. sogar großenteils bereits in diesem verlief, daß ein zusätzlicher, vorgelagerter Graben auf andere Weise nicht herzustellen und zu erhalten gewesen wäre.“37

Die Einschätzung von Schwarz hinsichtlich Funktion und Datierung der Altenburg wurde von späteren Autoren unkritisch übernommen. 1973 schrieb Leo Hefner, die Altenburg sei im 9. oder 10. Jahrhundert erbaut und stünde mit den Hunneneinfällen in den Jahren 911 und 912 in Zusammenhang.38 Allerdings waren es nicht die Hunnen, die im 10. Jahrhundert in Westeuropa mehrmals einfielen sondern vielmehr die Ungarn.

Die 1998 erschienene Ortschronik des Sulzbacher Ortsteiles Soden übernimmt zum größten Teil den seit 1967 geltenden Forschungsstand. Auch hier werden fälschlicherweise die Hunnen für die Einfälle in den Jahren 911/912 verantwortlich gemacht. Allerdings gehen in diesem Werk die Annahmen über die Funktion der Altenburg über die einer Fliehburg hinaus. Die Autoren vermuten, die Anlage sei zur Kontrolle einer Fernstraße errichtet worden. Sie geben jedoch auch zu, dass nur systematische Grabungen eine eindeutige Einordnung der Anlage hinsichtlich des Alters und der Funktion erlaubten.39

Eine Entstehungszeit der Altenburg im frühen Mittelalter war somit der aktuellste Forschungsstand bis zum Beginn der Ausgrabungen im August 2008.

Fazit

Die Grabungsarbeiten durch das Archäologische Spessartprojekt in den Jahren 2008 und 2009 konnten entscheidende Hinweise zur Nutzungsgeschichte der Altenburg liefern. Die vor dem Beginn der Grabungsarbeiten geltende Meinung, demnach die Altenburg im Frühmittelalter errichtet worden sei, konnte widerlegt werden. Es gibt keinerlei sichere archäologische Hinweise auf eine Nutzung des Geländes im Mittelalter. Vielmehr konnte eine mindestens zweiphasige Nutzung in prähistorischer Zeit nachgewiesen werden. Eine Nutzung in weiteren Perioden kann jedoch nicht ausgeschlossen werden. Zum einen waren die Untersuchungen in den Jahren 2008 und 2009 sehr kleinflächig, so dass nur ein verschwindend geringer Teil des weitläufigen Geländes archäologisch erforscht werden konnte. Zum anderen jedoch sind die Zerstörungen auf dem Gelände durch Steinbrucharbeiten, Raubgrabungen und die militärische Nutzung durch die US-Streitkräfte so massiv und flächendeckend, dass selbst bei einer großflächigeren Untersuchung insbesondere im Inneren der Anlage kaum entscheidende Befunde zu erwarten wären.

Auch dieses in einen Sandstein eigeritzte Mühlespiel soll von der Altenburg stammen.

Auch dieses in einen Sandstein eigeritzte Mühlespiel soll von der Altenburg stammen.

Zwar gibt es keinerlei archäologische Hinweise auf eine Nutzung der Altenburg im Mittelalter, möglicherweise kann aber darauf gefolgert werden wenn man den Plan von 1845 betrachtet. Bereits Schwarz wies darauf hin, dass das Gelände der Altenburg von der Aufteilung des Landes im späten 12. Jahrhundert ausgespart wurde.40 Betrachtet man den Plan aus dem Jahre 1845, fällt auf, dass die bergaufwärts führenden Streifen der Privatgrundstücke am äußeren Wall der Altenburg enden. Die Anlage selbst wurde ausgespart. Noch heute ist diese Situation erhalten, die Privatgrundstücke enden am äußeren Wall, das innere der Anlage ist im Besitz der Gemeinden Sulzbach und Leidersbach. Diese Aufteilung könnte darauf hinweisen, dass die Altenburg im Mittelalter noch irgendeine Rolle spielte und womöglich tatsächlich als Fliehburg in Notzeiten genutzt wurde.

Auch die zweite Theorie von Klaus Schwarz, demnach die Altenburg nur einen und zwar den inneren Wall besessen habe und dass der äußere Wall lediglich als Aufböschung eines Grabens anzusehen sei, konnte durch die Grabungen des Archäologischen Spessartprojekts widerlegt werden. Gleich zwei Befunde sprechen gegen diese These. Zum einen verlaufen die Versturzschichten des inneren Walles unter dem äußeren, so dass anzunehmen ist, dass letzterer erst nach Zerstörung des ersteren errichtet wurde. Zum anderen konnten wir außerhalb des äußeren Walles einen Graben fassen. Dieser Umstand passt nicht zu der These von Schwarz, demnach der äußere Wall „als die äußere Einfassung eines vorgelagerten Grabens“41 anzusehen sei.

Somit bleibt festzuhalten, dass die durch das Archäologische Spessartprojekt durchgeführten Grabungskampagnen 2008 und 2009 den Wissensstand um die Altenburg erheblich erweitern und einige frühere Irrtümer ausräumen konnten.


nach: Gergely Kapolnási, Harald Rosmanitz: Die Forschungsgeschichte der Altenburg. In: Heimat- und Geschichtsverein Sulzbach und Leidersbach, Harald Rosmanitz (Hg.), Die Altenburg zwischen Sulzbach und Leidersbach, Neustadt a. d. Aisch 2012, S. 31–43.


 Weiterführende Literatur:

HGV Sulzbach und Leidersbach, Harald Rosmanitz (Hg.): Die Altenburg zwischen Sulzbach und Leidersbach. Eine prähistorische Wallanlage zwischen Main und Spessart (Neustadt a.d. Aisch 2012), S. 39-40.

Gergely Kapolnási, Harald Rosmanitz: Die Altenburg – ein wenig erforschter Ringwall im Spessart.
In: Markus Marquart (Hg.): KeltenLand am Fluss. Die Kelten im Rhein-Main-Gebiet (Rahden/Westf. 2010), S. 65-68.

Klaus Schwarz: Die Altenburg, auch Sodenburg genannt.
In: Führer zu vor- und frühgeschichtlichen Denkmälern, Bd. 8 (Mainz 1967), S. 159-169.

  1. Georg Hock, Hauptkonservator in Würzburg über die Altenburg 1916, zitiert in: Soden 1998, S. 33.
  2. Ortsakten im BLfD. Leider erwähnen die Aufzeichnungen weder den näheren Fundort der Beile noch geben sie eine genauere Beschreibung der Funde.
  3. Die erste Auflage erschien 1888. Es ist also davon auszugehen, dass das Buch den Zustand der Altenburg am Ende des 19. Jahrhunderts dokumentiert.
  4. Schober 1892, S. 134.
  5. Schober 1892, S. 134.
  6. Schober 1892, S. 134.
  7. Schober 1892, S. 134.
  8. Erstellt von Eugen Ixmeier in den Jahren 1974-1975. Vgl. Abb. 2.
  9. Schober 1892, S. 134.
  10. Schober 1892, S. 134.
  11. Notiz Pätzold, Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege München, 22.04.1968, Ortsakten im BLfD.
  12. Brief Hock an das Bezirksamt Obernburg vom 11.11.1916, Ortsakten im BLfD.
  13. Brief Hock an das Bezirksamt Obernburg vom 11.11.1916, Ortsakten im BLfD.
  14. Brief Hock an das Bezirksamt Obernburg vom 30.04.1921, Ortsakten im BLfD.
  15. Soden 1998, S. 32.
  16. Brief Unbekannt an Hock vom 09.09.1933, Ortsakten im BLfD.
  17. Brief Kirchheimer an Hock vom 12.09.1925, Ortsakten im BLfD.
  18. Brief Kirchheimer an Hock vom 12.09.1925, Ortsakten im BLfD.
  19. Brief Kirchheimer an Hock vom 12.09.1925, Ortsakten im BLfD.
  20. Inwieweit diese Datierung haltbar ist, kann heute nicht mehr festgestellt werden, da Kirchheimers Funde nicht erhalten sind. Aufgrund der Grabungsergebnisse der Grabungskampagnen 2008 und 2009, welche die letzte Bauphase des inneren Walles in den Übergang zwischen Hallstatt- und Latènezeit verweisen zeigen, dass die Datierung des Mitarbeiters des Frankfurter Historischen Museums so falsch nicht war. Möglicherweise ist dies ein Hinweis darauf, dass die Anlage bereits in der frühen Hallstattzeit genutzt wurde, auch wenn wir während der Grabungsarbeiten 2008 und 2009 keinerlei Hinweise darauf gefunden haben.
  21. Brief Kirchheimer an Hock vom 12.09.1925, Ortsakten im BLfD.
  22. Brief Hock an das Bezirksamt Obernburg vom 17.09.1925, Ortsakten im BLfD.
  23. Brief Hock an Kirchheimer vom 17.09.1925, Ortsakten im BLfD.
  24. Brief Hock an das Bezirksamt Obernburg vom 17.09.1925, Ortstakten im BLfD.
  25. Brief Hock an Kirchheimer vom 17.09.1925, Ortsakten im BLfD.
  26. Pescheck 1958, S. 78; Schwarz 1967, S. 164.
  27. Brief Kirchheimer an Hock vom 12.09.1925, Ortsakten im BLfD.
  28. Brief Kirchheimer an Hock vom 12.09.1925, Ortsakten im BLfD.
  29. Brief Kirchheimer an Hock vom 12.09.1925, Ortsakten im BLfD.
  30. Brief Kirchheimer an Hock vom 12.09.1925, Ortsakten im BLfD.
  31. Bericht des Lehrers Num, Dornau, an von Haxthausen vom Oktober 1893, zitiert in: Ranke 1894.
  32. Soden 1998, S. 31.
  33. Schober 1892, S. 134.
  34. Bodenaltertümer in der Markung der Gemeinde Soden, Bezirksamt Obernburg vom 16.02.1909, Ortsakten im BLfD.
  35. Endrich 1961, S. 75-78 und S. 111.
  36. Schwarz 1967, S. 164-169.
  37. Schwarz 1967, S. 163.
  38. Hefner 1973, S. 39.
  39. Soden 1998, S. 34f.
  40. Schwarz 1967, S. 168.
  41. Schwarz 1967, S. 163.