Neue Einblicke in die Burgen des Zweiburgendorfes Rottenberg, Lkr. Aschaffenburg
Der Gräfenberg (im Bild unten) liegt etwas mehr als einen Kilometer Luftlinie vom Klosterberg (im Bild oben) entfernt. Beide Anlagen befinde sich heute in dicht bewaldeten Arealen. Erst unter Zuhilfenahme eines Airborne Laserscans war es möglich, die Bodenbdenkmale einander gegenüberzustellen. Datengrundlage: Bayerische Vermessungsverwaltung; Bearbeiter: Karl-Heinz Gertloff, Egelsbach

Der Gräfenberg liegt etwas mehr als einen Kilometer Luftlinie vom Klosterberg entfernt.

Seit zehn Jahren stehen die Burgen im Spessart im Fokus der Forschungen des Archäologischen Spessartprojekts (ASP). Ein Aspekt ist dabei der in den 1260er Jahren mit Waffengewalt ausgetragene Konflikt zwischen Landes- und Lehnherr, dem Grafen von Rieneck und dem Erzbischof von Mainz.

Einer der Brennpunkte dieses Kampfes um die regionale Vormachtstellung liegt nur wenige Kilometer von Aschaffenburg entfernt in Hösbach-Rottenberg. Nichts erinnert heute mehr an die bei Burg und ihre in nur 1,5 Kilometer Entfernung errichtete Gegenburg. Im Herbst 2007 und im Frühjahr 2013 war es möglich, mit reger Mithilfe ehrenamtlicher Helfer die beiden Burgstellen auf dem Gräfenberg und auf dem Klosterberg ausschnittsweise archäologisch zu untersuchen.

Die Rückfallkuppe des Gräfenbergs wurde bereits im Frühmittelalter durch einen Abschnittswall gesichert. Im zweiten Drittel des 13. Jahrhunderts errichtete man an seiner höchsten Stelle eine etwa 30 Meter lange und 22 Meter breite, rechteckige Burganlage. Architektonisches Hauptelement der fortifikatorischen Einrichtungen war eine bis zu zwei Meter breite Ringmauer. Das weiß getünchte Mauerwerk war vom nahe gelegenen Stift Aschaffenburg als Landmarke wahrnehmbar Der Großteil der Anlage fiel bereits im 20. Jahrhundert einem Steinbruch zum Opfer.

Blick vom Burginneren auf den Graben mit vorgelagertem Wall im Norden und Westen des Klosterbergs

Blick vom Burginneren auf den Graben mit vorgelagertem Wall im Norden und Westen des Klosterbergs

Die Burg auf dem Klosterberg war mit einer Ost-West-Erstreckung von annähernd 100 Metern mehr als dreimal so groß wie die Befestigung auf dem Gräfenberg. Die geborgenen Funde lassen darauf schließen, dass die größere der beiden Rottenberger Burgen zu Beginn des 13. Jahrhunderts errichtet und in der Folge annähernd 250 Jahre kontinuierlich besiedelt war. Aufgrund des guten Erhaltungszustandes der noch bis zu 10 Meter tiefen Wall-Grabenwerke, welche die Burg auf den Klosterberg rechteckig umschließt, gingen die Ausgräber zu Grabungsbeginn davon aus, in der zweieihalbmonatigen Grabungskampagne eine Vielzahl von Bauteilen dieser einst mächtigen Anlage ans Tageslicht zu fördern. Mehrere bis zu fünf Meter tiefe Suchschnitte erbrachten jedoch lediglich mehrfach verlagerte Bauschutthorizonte.

Der im Hinblick auf den ausschließlich von Hand bewegten Abraum mit Abstand größte Grabungsschnitt der Ausgrabungen des Jahres 2013 erbrachte keine einzige Burgmauer. Dafür zeichnen sich dort mehrere, sich überlagernde Gruben ab.

Der im Hinblick auf den ausschließlich von Hand bewegten Abraum mit Abstand größte Grabungsschnitt der Ausgrabungen des Jahres 2013 erbrachte keine einzige Burgmauer. Dafür zeichnen sich dort mehrere, sich überlagernde Gruben ab.

Das Fehlen jeglicher Innenbebauung erklärt sich aus den bis zu fünf Meter tiefen Gruben, mit denen das Burgplateau überdeckt ist. Sie wurden nach der Aufgabe der Burg in der Mitte des 15. Jahrhunderts angelegt. Die Schurfe reichten bis auf den verwitterten, mürben Sandstein. Eine Nutzung des anstehenden Felsens als Baumaterial ist auszuschließen. Möglicherweise ging es bei den Bodeneingriffen um den Abbau einer rohstoffhaltigen Sediments. Zu denken ist in diesem Fall an hochwertige Sande zur Glasherstellung oder zum Eisenguss. Nicht auszuschließen ist auch der Abbau von schwach eisenhaltigen Lehmen.

Das Mauerfundament auf der höchsten Erhebung des Klosterberges vor Beginn der Grabungsarbeiten.

Das Mauerfundament auf der höchsten Erhebung des Klosterberges vor Beginn der Grabungsarbeiten.

Ähnlich dürfte es jenen gegangen sein, die seit der Mitte des 19. Jahrhunderts auf dem Klosterberg – erfolglos – nach Burgresten fahndeten. Ihre Spuren in Form von metertiefen Suchgräben und –löchern wurden bei den Grabungen in diesem Jahr mehrfach angeschnitten. Der mit einer solchen Aktion verbundene Erfolgsdruck dürfte dazu geführt haben, dass man sich noch vor 1900 dazu entschloss, auf der höchsten Erhebung im Südosten des Burginneren ein Fundament neu aufzusetzen. Der so mit aus dem Bauschutt geborgenen Mauersteinen kreierte „Burgenbeweis“ dürfte vergleichsweise schnell aufgeführt worden sein. Vor dem Setzen des Fundaments blieb nicht einmal die Zeit, die etwa fünf Zentimeter hohe Humusschicht unter der damaligen Oberfläche abzutragen.

Ähnliches ist für die Ketzelburg bei Haibach zu berichten. Dort wurde, in Ermangelung an Mauerbefunden vor Ort, ein eiserner Schlüssel als einziges Objekt einer Niederadelsburg aus dem ausgehenden 12. Jahrhundert in hohen Ehren gehalten, das die Zeiten weitgehend unbeschadet überdauert hatte. Das gute Stück konnte bereits im Vorfeld der archäologischen Untersuchung dieser Anlage in den Jahren 2004/05 als Fälschung aus der Mitte des 19. Jahrhunderts entlarvt werden. Sowohl über den Schlüssel der Ketzelburg als auch über das Fragment auf den Klosterberg erschlossen sich mehrere Generationen Heimatinteressierter ihren im wahrsten Sinne des Wortes „begreifbaren“ Zugang zu „ihrem“ Bodendenkmal. Mit ihrer „Entlarvung“ als vergleichsweise junge Zutaten verlieren diese Stücke ihre reliquiengleiche Aura. Sie werden zu Marksteinen für das zivilgesellschaftliche Verständnis unserer Vorfahren bei der Erschließung eines und beim Umgang mit einem regional markanten Bodendenkmal.

Anlässlich der archäologischen Untersuchungen konnte das Mauerfundamet als Fälschung des 19. Jahrhunderts "entlarvt" werden.

Anlässlich der archäologischen Untersuchungen konnte das Mauerfundamet als Fälschung des 19. Jahrhunderts „entlarvt“ werden.

Im Falle des Klosterbergs bestätigen die bei den jüngsten Grabungen aus den Verfüllungen geborgenen Geschirr- und Kachelfragmente die Analyse der Grabungsfunde vorhergegangener, undokumentierter Schürfungen. Dicke Schichtenpakete mit Mauerbruch, Hohlziegeln und dem für Rottenberg typischen braungrauen Mörtel zeugen von einer eins dichten Bebauung an dieser Stelle. Das gesamte Burgplateau ist überdeckt von kraterartigen, bis zu fünf Meter tiefen Gruben. Sie überschneiden sich gegenseitig, sind damit nicht zeitgleich entstanden. In den Profilen zeichnete sich ab, dass unter den Stegen zwischen den Gruben noch älteren angelegt wurden. Sämtliche Erdeingriffe erfolgten nach Aufgabe der Burg in der Mitte des 15. Jahrhunderts. Die Schurfe reichen allesamt bis auf den verwitterten, mürben Sandstein. Eine Nutzung des anstehenden Felsens als Baumaterial ist auszuschließen. Möglicherweise ging es bei den Bodeneingriffen um den Abbau einer eisenhaltigen Tonschicht unter dem Verwitterungsmaterial. Als dabei die burgzeitlichen Besiedlungshorizonte durchstoßen wurden, wurden die noch nutzbaren Mauersteine als begehrtes Baumaterial ebenfalls aufgelesen und abtransportiert. Viele Häuser in Rottenberg dürften noch heute auf Resten der beiden Burgen gegründet sein. Wie stolz die Rottenberger auf dieses zweitverwendete Steinmaterial waren, zeigt sich am besten an der im Jahre 1904 am damaligen Ortstrand errichteten Pfarrkirche St. Antonius. Die Ecken des aufgehenden Mauerwerks des Langhauses sind mit Bossenquadern der Burg auf den Gräfenberg bestückt. Die Erinnerung und auch der Stolz auf die beiden Burgen leben in der Gemeinde damit nicht nur mittels der erhaltenen Strukturen vor Ort weiter. Sie wurden vielmehr zusätzlich an markante Punkte des öffentlichen Lebens übertragen und dort, in Neues integriert, bewusst herausgestellt. Wie die hochmittelalterliche Blütezeit in der Gemeinde auch heute noch verankert ist und wird, zeigte sich an der Umbenennung der dortigen Grundschule in die Klosterbergschule im Jahre 2012.

In die nördlichen Außenmauer der hochmittelalterlichen Burg auf dem Klosterberg wurde nachträglich ein Bastionsturm eingefügt. Es ist vorgesehen, die Fundamente nach Abschluss der Sanierungsarbeiten sichtbar zu belassen.

In die nördlichen Außenmauer der hochmittelalterlichen Burg auf dem Klosterberg wurde nachträglich ein Bastionsturm eingefügt. Es ist vorgesehen, die Fundamente nach Abschluss der Sanierungsarbeiten sichtbar zu belassen.

Die Ausdauer des Grabungsteams im Jahre 2013 wurde etwa einen Monat vor Grabungsende belohnt. An der Nordkante des Burghügels konnten auf einer Länge von acht Metern die Reste einer Ringmauer mit nachträglich integriertem Bastionsturm freigelegt werden. Gemeinsam mit einem vorgelagerten, mehrere Meter in den Felsen eingetieften Graben wird dieses Ensemble nach seiner Konservierung künftigen Generationen eine neues Bild von hochmittelalterlichen Klosterberg vermitteln.

Weiterführende Literatur:

Harald Rosmanitz, Grabung am Klosterberg. Neue Einblicke in die Burgen des Zweiburgendorfes Rottenberg, Lkr. Aschaffenburg, in: Bayerische Archäologie 2013, S. 35.


Harald Rosmanitz, Partenstein 2015