Nördlich der Pfarrkirche von Kleinwallstadt steht das sogenannte Templerhaus. Unscheinbar von der Straßenfront fällt die der Kirche zugewandte Giebelseite durch drei schlanke, zierliche, mit Sandstein eingefassten gotische Spitzbogenfenster sowie ein später eingesetztes, mit Halbbogen versehenes Fenstergewände auf, das die Jahreszahl 1567 trägt.
In der Kleinwallstädter Chronik des Benefiziars Heinrich Kilian aus dem Jahr 1931 wird dieses Haus dem Templerorden zugeordnet. Dafür spricht seiner Meinung nach die örtliche Tradition, eine päpstliche Urkunde von 1336 sowie die Architektur, die auf einen Klosterbau in Verlängerung zur heute noch vorhandenen Ölbergkapelle hinweist.1 Ihre unmittelbare Nachbarschaft war für den Chronisten ein Hinweis auf die Templer, da die Ordensbrüder als Verteidiger der Pilgerstätten des Heiligen Landes vor allem das Leiden Christi am Ölberg verehrten.
Das Kellergewölbe besitzt nach Norden hin eine mit Sandsteingewänden eingefasste Rundbogenöffnung, die nicht abgemauert, sondern von Erdreich verschlossen ist. Gegen Osten grenzt an den Keller ein gemauerter und verschütteter Brunnen an. Ein etwa 2 m breiter gewölbter Gang verläuft von besagtem Kellerraum aus nach Süden. Bei Renovierungs- und Umgestaltungsarbeiten des Kirchenumfeldes im Jahre 2000 mussten einige Meter dieses Gewölbes wegen Einsturzgefahr gekappt werden. Es wird vermutet, dass dieser Kellergang als Verbindung zur Kirche des Ortes als Fluchtweg geschaffen wurde. Nach dem geheimnisvollen unterirdischen Gang zum „Alten Schloss“, der lange in der Phantasie vergangener Generationen spukte, sucht man allerdings vergebens. 2
Die Befunde lassen sich, ohne einer wissenschaftlichen Bearbeitung vorzugreifen, nach den 2012/13 aufgedeckten Befunden und dem Augenschein des Fundmaterials grob in sechs Perioden unterteilen:
Periode 1: Friedhof westlich, südlich und östlich des Templerhauses
Die Funde von im Verband liegenden menschlichen Knochen im Außenberiech des Templerhauses lieferten in Verbindung mit der 14C-Analyse den Nachweis, dass das Areal im 11. Jahrhundert als Friedhof genutzt wurde. In allen Fällen waren die Bestatteten in West-Ost-Orientierung beigesetzt worden. Eine Verwendung von Särgen konnte dagegen nicht nachgewiesen werden. Im Schnitt östliche des Templerhauses schneidet ein Hausbefund der 1260er Jahre das Grab an seinem westlichen Ende. Damit ist für die Bestattungen auch ein relativchronologischer Ansatz gegeben.
Periode 2: Fachwerkhaus, brandzerstört in den 1260er Jahren
Eine unmittelbare Vorgängerbebauung des Areals vor der Errichtung des steinernen Hauses ist als fundamentloses Fachwerkhaus zu rekonstruieren. Fragmente von Ofenkacheln und Dachziegeln, sowie von Schankkeramiken mit Standringen zeigen, dass die Bewohner des Hauses einen höheren sozialen Kontext aufgewiesen haben dürften. Die Länge der Grube entspricht in etwa dem steinernen Haus der Periode 3. Nördlich davon konnte lediglich ein hauszeitlicher Laufhorizont mit Brandschuttauflage ergraben werden.
Periode 3: Bau des steinernen Hauses ab 1270
In der Folge des Fachwerkhauses errichtete man an der gleichen Stelle etwas von der ursprünglichen Achse nach Westen verkippt ein steinernes Haus. Spätere Umbauten haben insbesondere den Innenbereich massiv verunklärt. Zu nennen ist hier der Einbau eines Tonnengewölbes in der Periode 5, einhergehend mit einer erheblichen Vertiefung des Kellers selbst. Vom Baukörper des steinernen Hauses wurde anlässlich der Analyse des aufrecht Stehenden durch den Bauforscher Matthias Wieser einer intensiven Analyse unterzogen. Die Ausgrabungen 2012/2013 erbrachten zusätzlich den Nachweis der ursprünglichen Kellerdecke in Form einer auf Konsolgesimsen ruhenden Balkendecke. Darüber hinaus konnte in Parallelität zum Alten Schloss in Kleinwallstadt ein in der Mauerflucht liegendes, kleines, auskragendes Fundament dem steinernen Haus zugeordnet werden. An keiner Stelle der Grabungen gelang der Nachweis eines direkt an das steinerne Haus anschließenden Laufhorizonts. Dadurch ist eine absolute Datierung des Baukörpers mit archäologischen Mitteln lediglich durch den terminus ante quem des Fachwerkhauses in die Zeit um 1270 möglich.
Periode 4: Ausbau des Templerhauses vor dem Ausbau des Kellers in der Mitte des 14. Jahrhunderts
Aus dieser Zeit stammen Teile der 2012 in der Küche geborgenen Zwickelverfüllungen. Als eigenständigen Befund ist in diesem Zusammenhang ein kleiner Latrinenschacht in der Nordostecke des steinernen Hauses. Die Auflassung der Latrine und deren damit einhergehender Verfüllung mit Bauschutt kann in die Periode 5 datiert werden.
Periode 5: Einwölbung des Kellers in der Mitte des 16. Jh.
Datierend ist hier neben dem Fundgut aus der Aufschüttung über der Gewölbekappe ein in das Jahr 1567 datiertes Türgewände an der Südfassade. Die Struktur des Kellergewölbes ist außergewöhnlich komplex. Die Ausgrabungen 2012 konnten bereits zeigen, dass dieses unter Belassung der Außenwände als nordsüd-orientiertes Tonnengewölbe nachträglich in den bestehenden Baukörper eingebracht wurde. Um sowohl einen hohen Gewölbekeller als auch ein Erdgeschoßniveau auf Straßenhöhe zu erhalten, musste er im Gegensatz zu dem bis dahin genutzten, flach eingedeckten Kellers des steinernen Hauses um etwa einen Meter tiefergelegt werden. Die Gewölbekappe weist zahlreiche, teilweise später vermauerte Durchbrechungen auf. Ihre Zeitstellung war archäologisch nicht näher eingrenzbar. Dies gilt auch für den Treppenabgang in der Küche und für die beiden Kellerzugänge im Süden und Norden. Die Datierung des Kellergewölbes in die 1560er Jahre ist mittelbar durch die heute nicht mehr erhaltene Inschrift auf dem Eingangsportal in der Südwand erschließbar. Sie weist auf eine umfassende Umstrukturierung der Bebauung hin. Die Datierung fand ihre Bestätigung in den jüngsten datierenden Scherben und Glasfragmenten der Gewölbeverfüllung.
Periode 6: Anlage der heutigen Binnenraumeinteilung
Diese Raumaufteilung dürfte kurz nach Einbringung des Kellergewölbes erfolgt sein. Sie konnte anlässlich der Ausgrabungen über dem Kellergewölbe 2012 zu einem Gutteil freigelegt werden.
Periode 7: Nutzung des Erdgeschoßes als Wohnstube und Küche, um 1600
Bald nach 1600 wurde über den ersten Laufhorizonten über dem Kellergewölbe sowohl in der guten Stube als auch in der Küche flächendeckend Estrichschichten aufgetragen. Diese dienten als Unterlage für eine Einfüllung aus trockenem Lehm unter einem Holzfußboden. Insbesondere die in der guten Stube geborgenen Funde über dem Estrich erlauben eine Datierung in die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts. Importkeramiken und –gläser bezeugen den hohen sozialen Status der Bewohner. Auch die Kachelöfen hatten eine Wandlung erfahren: Verfügte das Fachwerkhaus noch über Becherkachelöfen in der Art des „Alten Schlosses“, so hielten in der Periode 4 bereits grün- und gelbglasierte, reliefierte Nischenkacheln vom Typ Tannenberg Einzug in die Bebauung. Für die Periode 7 ist als zeitgemäßer Kachelofen ein graphitierten Kombinationsofen mit gusseisernem Unterbau anzunehmen. Fragmente von ebenfalls graphitierten Ofenkacheln von seinem Oberofen fanden sich in den obersten Straten der Estrichverfüllung.
Periode 7a: Anlage des Treppenschachts im Süden im Verlauf des 17. Jahrhunderts
Als baulicher Veränderung des 17. Jahrhunderts ist die Zusetzung des ursprünglichen Kellerzugangs durch eine Falltür in der guten Stube zu benennen. An ihrer Stelle trat ein der Südwand vorgelagerter Treppenschacht. Dieser wurde direkt über die Küche betreten. Um die Luftzirkulation in den möglicherweise als Weinkeller genutzten Gewölbekeller zu gewährleisten, wurde ein in Periode 8 zugesetzter Abluftschacht im Bereich der guten Stube in das Tonnengewölbe eingebracht.
Periode 8: Umbauten des 18. Jahrhunderts
Im 18. Jahrhundert erfolgte der Einbau eines Tiefbrunnens in der Nordostecke des Kellers. Um eine Beschickbarkeit durch die darüber liegende Küche zu ermöglichen, wurde das darüber liegende Gewölbe unsachgemäß durchbrochen. Für den Brunnen wurden Teile des Fundaments des steinernen Hauses und des Gewölbekellers integriert. Etwa zeitgleich entstand nur wenige Meter nördlich davon ein zweiter Brunnenschach. In die Periode 8 fällt die Verlagerung des Belüftungsschachtes nach Westen. Hinzu kommt die Verlegung der Südwand des Wohnzimmers nach Süden.
Periode 9: Umbauten am Ende des 20. Jahrhunderts
Der Einbau eines Öltanks im Keller sowie die Verlegung von Versorgungsleitungen im Haus selbst sowie östlich und westlich davon führten am Ende des 20. Jahrhunderts zu einem erheblichen Verlust von archäologischer Substanz.
Vom Friedhof zum Steinernen Haus zum Bürgerhaus
Einer Auswertung der vorhandenen schriftlichen Quellen vorgreifend, kann man für das Anwesen „Marktstraße 13“ in Kleinwallstadt eine Nutzung als Friedhof seit 1050 und eine Bebauung seit der Mitte des 13. Jh. belegen. Dies zeigt unter anderem die relative Bauabfolge in Schnitt 2013/3. Der mit seiner Schauseite nach Süden weisende Gebäudekomplex wurde in den 1270er Jahren als repräsentativer Baukörper aufgeführt. Eine Unterkellerung war möglich, da das nördlich der Kirche gelegene Haus auf einem kiesigen, hochwasserfreien Schwemmkegel östlich des Mains liegt.
Eine einschneidende Zäsur bildet die in der 2. Hälfte des 16. Jh. erfolgte Einwölbung des Kellers durch ein von Norden nach Süden weisendes Tonnengewölbe. Erst zu diesem Zeitpunkt (Periode 5) ist zumindest für das Erdgeschoß eine bis ins 20. Jh. reichende lückenlose Nutzung als Wohnbereich mit angegliederter Versorgungseinheit möglich. Beachtenswert ist dabei, dass sich die Raumeinteilung in Wohnraum, Küche und Flur mit angeschlossenen Zugängen zu Keller und Obergeschossen kontinuierlich erhalten hat. Detaillierte Aufschlüsse über die Innenstruktur des Erdgeschosses ergeben sich ab Periode 7 in Form der Anlage eines Estrichbodens im Wohnraum und in der Küche. Der Fund von Teilen des Kücheninventars aus der 2. Hälfte des 17. Jh. in einer Nische in der Südwand des Anwesens gibt detaillierte Aufschlüsse über den vergleichsweise hohen sozialen Status der Bewohner, sowie über deren Lebensumstände. In der Periode 8 im 18. Jh. wurden sowohl die Küche als auch das Wohnzimmer den damaligen Lebensbedingungen angepasst. In der Nordostecke der Küche wurde ein direkter Wasserzugang in Form eines Tiefenbrunnens geschaffen. Der Wohnraum im Westen wurde durch die Verlegung der Südwand vergrößert. Die Belüftungs- und Zugangsschächte zum Gewölbekeller wurden geschlossen. Ein nach unten gedämmter Dielenfußboden schuf dem Zeitgeschmack entsprechende Wohnmöglichkeiten. Die in diesem Zusammenhang geborgenen Funde legen nahe, dass das an zentraler Stelle im Ortsbild gelegene Gebäude nun nicht mehr den Ansprüchen repräsentationsbedürftiger sozial höher stehender Kreise genügte. Bis zur Aufgabe der Wohnnutzung in den 1980er Jahren bleib das Raumensemble weitgehend unverändert. Die notwendigen Umbauten als Lager- und Versorgungsbereich der angrenzenden Bebauung in der Periode 9 führten zu wesentlichen Verlusten der archäologischen Substanz. Für eine künftige Nutzung werden diesen Nachbesserungen vom jetzigen Eigentümer vollständig beseitigt.
Harald Rosmanitz, Partenstein 2017