Das Anwesen „Schmiedsgasse 48“ wurde 2011 durch die Anlage von zwei Schnitten archäologisch untersucht. Zur besseren Trennung des Fundmaterials unterteilte man den langen, dass gesamte Grundstück von Ost nach West durchschneidenden Schnitt 1 in zwei annähernd gleichgroße Hälften (Schnitt 1A und Schnitt 1B), wobei Schnitt 1A das spätestens seit dem 15. Jahrhunderts als rückwertige Bebauung der Parzelle genutzte Areal bestreicht, wohingegen Schnitt 1B Aufschlüsse über die straßenseitige Wohn- und Repräsentationsbebauung lieferte.
Schnitt 1A dokumentierte den westlich an die straßenseitige Bebauung anschließende Hinterhofbebauung des Anwesens. Unter anderem weisen zahlreiche, unterschiedlichen Zeitstellungen zuweisbaren und meist einschalige Mauersegmente auf das Vorhandensein einer relativ dichten und in chronologischer Abfolge seit dem ausgehenden 14. Jahrhundert bis heute lückenlos bestehenden Bebauung in Fachwerktechnik hin. Die im Schnitt insbesondere an dessen südlicher Kante liegenden Mauern orientieren sich dabei stets an einer Linie, welche letztlich auch der in Schnitt 1B feststellbaren spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Parzellengliederung entspricht. Sind die nördlich an den Schnitt angrenzenden Bereiche tiefgründige Einbringen von Ver- bzw. Entsorgungsleitungen gestört, so konnte in den Flächen 1A und 1B mittels der Profile und der Plana die Siedlungsentwicklung in diesem Areal annähernd lückenlos dokumentiert werden. Aufgrund der für die Voruntersuchung zur Verfügung stehenden Zeit war es nur in Teilen möglich, den Schnitt bis auf die Baugrubentiefe von 80cm abzutiefen. In Abwägung zwischen der Dokumentation der ursprünglichen Bebauung und der vollständigen Erschließung des Areals bis auf den Schotter des zum Kloster weisenden Schwemmkegels entschied sich der Ausgräber für erstere Variante. Die erwähnten entweder nur leicht oder auch stärker vermörtelten Mauerzüge waren in ein Schichtenpaket eingetieft, welches – wie sich in der Tiefensondage in Schnitt 1B zeigte – in erster Linie zusammensetzte aus stark humosen Aufträgen.Dieses Schichtenpaket hatte eine Stärke von bis zu 60cm. Durch das von Osten einstöhmende Sickerwasser ist dieses Schichtenpaket auch heute noch stark Wasserhaltig. Somit konnten sich insbesondere in den untersten 20cm zahlreiche organische Elemente – in erster Linie Äste und Blätter – erhalten. Wie sich in Schnitt 1B zeigte, Verfestigte man besagte Auffüllungen zum Hang (nach Osten) hin durch den Eintrag von bis zu faustgroßem Sandsteingeröll. Am Westende des Schnittes konnte dieses aufgrund des Anstehenden und ständig einsickernden Hangwassers nicht archäologisch untersucht werden. Die Humusschicht lässt sich aufgrund der wenigen darin enthaltenen Keramik in die Zeit um 1400 datieren. Als signifikantes Element soll hier auf das Vorhandensein von 1380 gefertigten Nischenkacheln vom Typ Tannenberg verwiesen werden1. Die Scherben aus den oberen Bereichen der humosen Verfüllung lassen sich formal in die ersten Jahrzehnte des 16. Jhd. datieren. In der Mitte bzw. dem Ende des 16. Jhd. legte man über dem im Westen extrem nachgiebigen Untergrund eine 20-30cm mächtige, sowohl an ihrer Ober- als auch an ihrer Unterseite ein horizontales Lehmband an. Mit Hilfe der Einbringung dieses Fremdmaterials, welches beispielsweise am nach Weilbach weisenden Nordhang des Gotthardsbergs ansteht, konnte man die Feuchtigkeit des Untergrundes nach oben hin isolieren, gleichzeitig schuf man einen dauerhaften Laufhorizont, welcher nach Ausweis der darin enthaltenen Keramik stellenweise bis ins 18. Jhd. in dieser Form genutzt wurde. In einigen Bereichen wurde besagte Lehmschicht durch das Einbringen von Bauschutt oder weiterer Lehmaufträge bis auf eine Gesamtmächtigkeit von ca. 50cm erhöht. In Schnitt 1B ließen sich bei allen Auffüllungen keine Zerstörungshorizonte dokumentieren. Dies ist ein deutlicher Unterschied zu den Straten in Schnitt 1A. Trotz der idealen Voraussetzung zur Erhaltung von organischer Substanz und der Möglichkeit, der Auflagerung von Abfällen zum Zwecke des Höhengewinns wies keine der zahlreichen Auflagerungsschichten Spuren einer handwerklichen Tätigkeit auf (Holzabfälle, Lederverschnitt, Schlackereste etc.). Damit dürfte eine ausschließlich zur Lagerhaltung und als Stall genutzte Hinterhofbebauung am wahrscheinlichsten sein.
Die in mehreren Bauphasen immer höher aufgeführte Grenzmauer besaß etwa auf der Mitte des Grundstücks, knapp westlich der Wohnbebauung einen Durchgang, von dem sich noch ein Teil eines Schwellsteins erhalten hat. Dass die Grenzbebauung zumindest ab dem 17. Jhd. teilweise nach Norden aufgebrochen wurde, zeigt die Anlage von mindestens zwei massiven, rechteckigen Sockeln in der Mitte von Schnitt 1A. Beide Bauelemente lassen sich aufgrund ihrer Anbindung an die sie umgebenden Straten in das 17./18. Jahrhundert datieren.
In Schnitt 1B wurde bei der Anlage das bis zum Abbruch im Jahr 2011 bestehende Fundament des Hauses vollständig ausgebaggert. Nur so war es möglich in der zur Verfügung stehenden Zeit die mittelalterliche Bebauung des Areals an dieser zentralen Stelle dokumentieren zu können. Die ursprüngliche Fundamentstruktur der neuzeitlichen Bebauung lässt sich mit Hilfe von den bereits in Schnitt 1A angetroffenen Fundamentresten und den in Profil 2011/4 angetroffenem Fundamentstein rekonstruieren. Grundsätzlich ist zu bemerken, dass sich die bereits in Schnitt 1A angetroffene Grundstücksgrenze im westlichen Drittel fortsetzt. Sie wird durch ein 5,10m langes, nach Norden vorkragendes Fundament unterbrochen. Die Struktur stammt nach Ausweis der Keramik aus dem 12./13. Jahrhundert. Es dürfte sich dabei um die Nordmauer eines annähernd quadratischen ggf. turmartigen Gebäudes gehandelt haben. Vergleiche mit dem etwa zeitgleichen Templerhaus scheinen angebracht. Eine Besonderheit des Hauses ist ein etwa 80cm westlich der Nordostecke in die Mauer integrierte, ursprünglich sechseckig zugerichtete Holzpfeiler. Bezugnehmend auf die östlich sich in der Verlängerung befindlichen Klosterkirche wäre die Konstruktion hier möglicherweise als Toranlage mit hölzerner Toreinfassung zu interpretieren. Insgesamt sind die bisherigen archäologischen Aufschlüsse für eine weiterführende Interpretation eher unzureichend2. Der für die Kloster- und Stadtgeschichte wichtige Befund lag knapp unterhalb der Sohle der geplanten Streifenfundamente. Da die weiteren Teile des besagten Gebäudes von den Baumaßnahmen nicht betroffen war, schien es wenig sinnvoll, diese im Rahmen einer dann anzusetzenden archäologischen Untersuchung freizulegen. In den nächsten Jahren wird das nördlich an das bebaute Areal angrenzende, barocke Gebäude ebenfalls abgerissen. Vielleicht wird es möglich sein, im Vorgriff der Neubebauung weitere Aussagen über die vermutete Torsituation zu treffen. Das rechteckige bzw. quadratische Gebäude mit Holzpfosten war in den humosen Untergrund eingebettet, der an dieser Stelle mit bis zu faustgroßem Sandsteingeröll durchsetzt war. Östlich des Gebäudes wurde ein 150cm langes Segment dazu genutzt, die Untersuchung des Untergrundes bis auf den „gewachsenen“ Schotterkegel fortzusetzten, auf dem heute noch das Amorbacher Kloster liegt. Die Dokumentation der Profile erbrachte eine mehr als 70cm hohe Mächtigkeit der humosen Auffüllung. An der Sohle besagter Strate konnte Keramik geborgen werden, die in ihrer Machart jener Keramik vom Gotthardsberg entspricht, welche über Vergleiche in die 1020er/30er Jahre datiert wird. Ansonsten dominierte in Entsprechung der an den Hausbefund anstoßenden Schichten Keramik des 12. und v.a. 13. Jahrhunderts (Randausbildung). Für die Datierung sind zwei aus dem Südprofil geborgene Hölzer wichtig. Auf der Sohle der humosen Verfüllung konnten zahlreiche zugebeilte und zugesägte Hölzer geborgen werden. Hinzu kommt ein gedrechselter Teller3. Die unter dem humosen und über dem festen Schotter liegende, bis zu 30cm mächtige Strate aus rötlichem Sand und Geröll war bis auf Holzfragmente weitgehend befundfrei.
Über der hochmittelalterlichen, humosen Strate lag, wie bereits für Schnitt 1A nachgewiesen ein bis zu 40cm breites Lehmband. Über diesem ließ sich eine mindestens zweimal niedergelegte Bebauung dokumentieren welches nach Ausweis der zugehörigen Keramik spätestens um 1550 in dieser Form nicht mehr existierte. Besagte Bebauung wurde nach einem Brandereignis aufgerichtete. Von diesem zeugt eine noch annähernd 10cm mächtige Schicht aus verziegeltem Hüttenlehm. Die 2011 niedergelegte Bebauung kann mittels der an die Fundamente anschließenden Keramik in das 17./18. Jahrhundert datiert werden.
Insgesamt ergibt sich für Schnitt 1B in Vergleich mit Schnitt 1A eine vollständig andere Bebauungssituation: In dem zur Straße nach Osten weisenden Areal ist bereits für das 12./13. Jahrhundert eine repräsentative Bebauung nachgewiesen. Möglicherweise handelt es sich dabei um ein dem Kloster vorgelagertes Torhaus. Auch nach Niederlegung desselben, spätestens im 15. Jahrhundert blieb der repräsentative beibehalten. Dafür sprechen die zahlreichen Fragmente von bemaltem Wandverputz aus der Renaissancezeitlichen Stampflehmschicht. Der Verlust der Wertigkeit des Anwesens setzte erst mit der Errichtung der unspektakulären, eher als Lückenfüller gesehenen Bebauung des 17. Jahrhunderts ein.
In Schnitt 2 ging es in erster Linie darum, die hinterhausseitige Bebauung des Anwesens zumindest in Teilen zu untersuchen. Angeschnitten wurde dabei nicht nur das bereits durch Abbruch bereits weitgehend in Mitleidenschaft gezogene Fundament des ursprünglich sich an dieser Stelle befindlichen Stalles, sondern auch die sich daran südlich anschließende Gosse. Letztere wies mindestens zwei Ausbauphasen auf. Im Gegensatz zu Schnitt 1A und in Entsprechung zu Schnitt 1B war der humose, spätmittelalterliche Auftrag an dieser Stelle höchstens 30cm mächtig. Die Mächtigkeit der sich darunter befindlichen Aufschotterun konnte aufgrund des Schichtenwassers nicht untersucht werden. Auffällig war in der Verfüllung nördlich des Stallfundamentes eine Massierung von spätgotischer Keramik (Anfang 15. Jahrhundert) in der humosen Auffüllung. Möglicherweise haben wir es hier mit einer in ihrer Dimension nicht erfassten Latrine bzw. Schütte zu tun. Über der humosen Schicht lagerte, wie in Profil 2011/12 ersichtlich eine noch bis auf eine Höhe von 20cm dokumentierbares Lehmband, welches an dieser Stelle allerdings durch tiefgreifende Baggerarbeiten bereits stark reduziert war.
Aufgrund der Bauplanung war es nicht nötig, die hochmittelalterlichen Baubefunde zur Gänze freizulegen und zu dokumentieren. Insbesondere bei einer geplanten Neubebauung des nördlich anschließenden Grundstückes könnten hier weitern Informationen zutage treten, welche es uns erlauben, die sowohl für das Kloster als auch für die Stadt an dieser Stelle zu erwartende Randbebauung genauer zu definieren. Jetzt schon steht fest, dass das Areal ganz im Gegensatz zum Straßennamen und zu der angrenzenden, bis ins 15. Jahrhundert zurückreichenden Metzgerei zu keinem Zeitpunkt als Wirtschaftsbetrieb genutzt wurde. Stellt sich für uns damit die Frage, welche Funktion die auf Repräsentation ausgelegte Bebauung im Bereich der Stadterweiterung ursprünglich erfüllte. Dass diese Nutzung völlig untypisch für sein Umfeld ist, dafür sprechen auch die südöstlich in Sichtweite gelegenen Wirtschaftsbereiche des Klosters mit Mühle, Bäckerei (heute noch existierend) und Ziegelei (archäologisch nachgewiesen).
Die Periodisierung
Die Befunde lassen sich, ohne einer wissenschaftlichen Bearbeitung vorzugreifen, nach den Befunden und dem Augenschein des Fundmaterials grob in sechs Perioden unterteilen:
- Periode 1: Erste Aufschüttungen mit humosem Material auf dem Schwemmkegel im 12. Jahrhundert
- Periode 2: Erhöhung der humosen Aufschüttung um bis zu 50cm, zum Teil durch Eintrag von Schotter; Errichtung des rechteckigen Gebäudes in Schnitt 1B sowie der Begrenzungsmauer im Schnitt 1A im 13./14. Jahrhundert (Schwerpunkt im 14. Jahrhundert)
- Periode 3: Aufsiedlung des Areals und Ausbau der Grundstücksgrenze zu Beginn des 14. Jahrhunderts
- Periode 4: Einbringung eines durchgängigen Stampflehmbodens in Schnitt 1A sowie aufwendige Neubebauung zur Straßenseite hin (nach Osten) im 16. Jahrhundert
- Periode 5: Ausbau und Verdichtung der Besiedelung im gesamten Areal und Errichtung eines Großteils der beim Abriß niedergelegten Bebauung von Vorderhaus und rückwärtigen Gebäuden im 17. und 18. Jahrhundert
- Periode 6: Erschließung des Areals durch Wasserzuführungs- und Ableitungskanäle, sowie dem Ausbau der Gossen am Ende des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts.
Der Auswertung der vorhandenen schriftlichen Quellen vorgreifend, kann für das Anwesen „Schmiedsgasse 84“ eine Wohnbebauung für das ausgehende 13. bis 21. Jahrhundert belegt werden. Dies zeigt u.a. die Dichte der sich zum Teil zweifach überlagernden Mauerzüge. Der nach Osten zur Straße weisende Gebäudekomplex wurde bereits im 16. Jahrhundert als repräsentative Wohnbebauung aufgeführt. Dafür sprechen neben der sehr sorgfältigen und massiven Ausführung des Mauerwerks Reste farblichen Wandverputzes. Eine Unterkellerung des Areals bot sich nicht an, da auch heute noch in einer Tiefe von etwa 60cm sehr schnell das Schichtenwasser des nach Osten ansteigenden Schwemmkegels, auf dem das Kloster Amorbach steht, zutage tritt.
Bei den Untersuchungen durch das ASP konnten die vermuteten karolingerzeitlichen Besiedelungsspuren nicht erfaßt werden. Dies ist im Westen des untersuchten Areals (Schnitt 1A) damit zu erklären, dass die Schnitte aufgrund der Baugrubenunterkante der geplanten Neubebauung an keiner Stelle erreicht wurde. In Schnitt 1B dagegen dürften ältere Siedlungsspuren, die nicht in den Schuttkegel selbst eingebracht wurden, aufgrund der kontinuierlichen Abschwemmung durch das obenerwähnte Schichtenwasser in tiefere Areale verlagert worden sein.
Ab Periode 2 setzt die Bebauung des Areals ein. Zu diesem Zeitpunkt dürfte bereits ein Großteil des tiefer liegenden Areals zwischen Mud im Westen und Schwemmhügel mit Kloster im Osten soweit durch Einträgen von Fremdmaterialen (auch organischen Ursprungs) verfüllt worden sein, dass das Areal zumindest temporär trockenen Fußes erreicht werden konnte. Bei kontinuierlicher Nutzung wurde das Gelände stets aufgehöht, so dass sich zwischen dem 13. und 21. Jahrhundert eine Auflagerung in einer Höhe von 60cm bis 80cm bilden konnte. Einschneidend war das Einbringen einer bis zu 30cm mächtigen Schicht aus Lehm in Periode 4. War durch die humose Struktur des darunter liegenden, lediglich durch Geröll verfestigten Materials eine verläßliche Drainagierung nach Westen hin erzielt worden, so verhinderte nun die bewußt verfestigte Lehmdecke ein Durchnässen bis an die Oberfläche. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war das Areal, abgesehen von gelegentlichen Überflutungen durch die Mud, ganzjährig und einschränkungsfrei nutzbar. Es fällt auf, dass die in Periode 4 eingebrachte Stampflehmschicht bei sämtlichen späteren Umbauten entweder intakt erhalten oder unmittelbar nach Abschluß der Neubaumaßnahmen repariert wurde.
Periode 1: Erste Aufschüttungen mit humosem Material auf dem Schwemmkegel im 12. Jahrhundert
Die älteste, im Anwesen „Schmiedsgasse 48“ fassbare Siedlungsstruktur in Schnitt 1B stellt die unmittelbare Auflagerung auf dem östlich der Mud liegenden Schwellkegel dar. Die ca. 30cm mächtige Strate konnte auf einer Länge von 160cm untersucht werden. Sie wird von einer humosen, mit Geröll durchsetzten Aufschüttung aus der Periode 2 überlagert. Die Strate lässt sich aufgrund der in ihr enthaltenen Keramik an den Beginn des 12. Jahrhunderts datieren. Als Referenz zu der weißgrundigen, glimmerhaltigen Spessartware sind Funde vom Templerhaus in Amorbach sowie vom Gotthardsberg zu benennen4. Eine etwas jüngere, mit den wenigen Scherben von der „Schmiedsgassse 48“ vergleichbare Ware stammt von der um 1180 zerstörten Ketzelburg in Haibach5.
Periode 2: Erhöhung der Aufschüttung und Errichtung eines rechteckigen Gebäudes im 13./14. Jahrhundert
Das Anheben des Niveaus aus den unteren, auf dem Schwemmkegel liegenden, wasserführenden Schichten setzte nach Aussage der Keramik bereits in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts ein. Die Auffüllung ist als bis zu 70cm mächtiges, schwarzes Band sowohl in Schnitt 1A als auch in Schnitt 1B nachweisbar. In Schnitt 2 konnte die Strate ebenfalls angetroffen werden. Eine Datierung der Strate ist mit Hilfe unprofilierter Topfränder möglich, deren Parallelen vom „Alten Schloss“ in Kleinwallstadt bekannt sind6. Handelt es sich größtenteils um durchweg reduzierend gebrannte Ware, so stammen aus dieser Strate darüber hinaus auch Fragmente signifikanter weißtoniger, glimmerhaltiger Ware.
Stratigraphisch von dieser Keramik nicht zu trennen war eine bis zu 100 Jahre jüngere Keramik, die durchweg unglasiert und größtenteils reduzierend gebrannt ist. Es handelt sich um unterschiedlich stark mit Quarzsand gemagerte Scherben, in unterschiedlichen Grautönen (hellgrau bis grauschwarz) graureduzierend gebrannt, mit dunklen Oberflächen. Die Keramik kann auf der Außenseite drehglatt oder schwach gerieft sein. Die an ihren Oberflächen durchweg nicht verzierten Keramiken besitzen in ihrer spätesten Ausformung einen mit Draht abgeschnittenen, glatten Boden und einen ausschwingenden Karnisrand. Im Fundspektrum dominieren Wackel- und Linsenböden. Chronologisch schließt die Keramikabfolge in der Periode 2 mit roter Irdenware ab. Vergleichbare Keramiken sind für das Umfeld von Amorbach für das „Prioratshaus“ in Schnitt 6 auf dem Gotthardsberg nachgewiesen7. Eine weitere Datierungsmöglichkeit bieten die insbesondere Schnitt 1B entnommenen Hölzer8. Gebrauchskeramik, zugerichtete Hölzer sowie Tierknochen mit Schnittspuren weisen das Material als indifferenten Siedlungsabfall aus. Fundstücke, welche auf eine handwerkliche Nutzung des Areals hätten schließen lassen, fehlen vollständig.
In der östlichen Profilkante der Sondage in Schnitt 1B stieß man knapp unterhalb der Verfestigung des humosen Untergrundes durch Sandsteine auf eine große Anzahl von Knochen eines Boviden Individuums (Kuh bzw. Ochse bzw. Stier). Die Knochen wiesen keine Schnittspuren auf, zudem waren die Markführenden Knochen nicht gespalten. Soweit erkennbar, lagen die Knochen darüber hinaus in dem ursprünglichen Skelettverband. Beifunde konnten nicht geborgen werden. Zudem ließ sich auch keine Aushubgrube erkennen. Dies spricht dafür, dass die Einbettung des Tieres bereits in der 2. Besiedlungsphase erfolgt sein dürfte.
Die Reste eines steinernen Gebäudes in Schnitt 1B lassen sich der Periode 2 zuweisen. Von dem von Osten nach Westen 4,20m langen Gebäude konnten die Südost- und Südwestecke freigelegt werden. Das auf einer Tiefe von drei Lagen untersuchte Mauerwerk9 ist als zweischaliges, 60cm breites Mauerwerk aufgebaut. Die Sandsteine werden von Mörtel im Verbund gehalten. Aufgrund der Grabungstiefe wurde das Fußbodenniveau innerhalb des Gebäudes nicht. Hinzu kommt das dieser Bereich neuzeitlich massiv gestört war. Auffällig ist ein in die Außenschale des Mauerwerks eingebundener, sechseckig zugebeilter Balken, 80cm westlich der Südostecke. Er hat einen Durchmesser von 50cm10. Der zweifelsohne bewusst in den Baukörper integrierte Pfosten könnte ein Hinweis auf die ursprünglich Nutzung des Gebäudes als nach Westen weisendes Tor des Klosters geben. Das Gebäude ragt etwa 50cm nach Süden aus der Flucht einer westlich anschließenden, sowohl in Schnitt 1A als auch 1B nachgewiesenen Mauer heraus. Bei dieser Mauerflucht scheint es sich um eine in der Folge immer wieder über- und ausgebaute Grundstücksgrenze zu handeln. Die in ihrer Form und Langzeitnutzung ungewöhnliche Tradierung kann mit allem Vorbehalt als deutliche Abgrenzung zweier, gegebenenfalls auch rechtlich andersartiger Territorien angesprochen werden. Die vor Ort angesprochene Situation legt nahe, dass wir uns hier am Überschneidungsbereich der von Handwerkern genutzten Stadterweiterung und dem zur optischen und räumlichen Erschließung des Zugangs zum Westen der romanischen Kirche in die Handwerkssiedlung hineinragende Klosterimmunität befinden.
Die hochmittelalterlichen Besiedelungsspuren konnten sich einerseits aufgrund der massiven Erhöhung des Areals vom Hangwasser des Schwemmkegels fort erhalten. Andererseits führte die Bebauungskontinuität dazu, dass spätestens in der Periode 4 im 16. Jahrhundert ein Großteil der Mauerstrukturen durch Neuaufführung der Parzellenmauer sowie durch die Errichtung eines repräsentativen, zur Straße weisenden Gebäudes abgetragen wurde.
Periode 3: Aufsiedlung des Areals und Ausbau der Grundstücksgrenze zu Beginn des 14. Jahrhunderts
Wie aus dem Fundgut deutlich hervorgeht, ist für das letzte Drittel des 14. Jahrhunderts eine deutliche Ausbauphase zu verzeichnen11. In jener Zeit wurde eine bis zu 50cm mächtige, stark humos durchsetzte Schicht aufgetragen, welche sich in allen drei Schnitten abzeichnet. Nach Westen hin nimmt die Schicht deutlich an Mächtigkeit zu. Charakteristisch für die Schicht ist zudem die massive Einbringung von bis zu kopfgroßen, abgerundeten Sandsteinen. Insbesondere im Westen des Schnittes kam mit Hilfe des Sandsteineintrags eine außerordentlich effektive Stabilisierung zustande (Schnitt 1B, Befund 58). Ähnliches ist auch für Schnitt 2 zu.
Beschränken sich in Schnitt 2 die Befunde aus der Periode 3 auf Aufschüttungshorizonte, so ging in den Schnitten 1A und 1B diese Entwicklung mit der Anlage einer von Osten nach Westen verlaufenden Grundstücksmauer einher, welche das Areal der Neubebauung etwa im nördlichen Drittel querte. Die Grundstücksmauer liegt weitgehende parallel zu den noch heute die Baustelle umfriedenden Hauswänden. In Schnitt 1A fallen in diese Besiedelungsphase vor allem die Befunde 19, 126 und 127. Dabei handelt es sich um einschalige, mit ihrer behauenen Seite nach Norden weisende, bis zu dreilagig noch erhaltene Mäuerchen, deren zugerichtete Sandsteine eine Breite bis zu 50cm und eine Tiefe von bis zu 60cm erreichen können. Die Steine waren ohne Verwendung von Mörtel in das humose Erdreich gesetzt. Das Fehlen einer Maueraushubgrube könnte dafür sprechen das die Steinsetzung und Aufschüttung bzw. Verdichtung des umliegenden Areals gleichzeitig erfolgten. Zusätzlich zu dem als Grundstücksgrenze interpretierte Mauerzug findet sich im östlichen Drittel von Schnitt 1A ein annähernd quadratische, sockelartige Anordnung quadratisch gesetzter Steine (Befund 13). Kleinere, an der Westkante hinzugefügte Steine sprechen dafür, dass der in seiner Funktion mangels Flächenaufschließung nicht interpretierbare Befund vergleichsweise zeitnah nach Westen hin erweitert wurde.
In Schnitt 1B lässt sich beobachten, dass die besagte Grundstücksmauer direkt westlich an das torartige Gebäude aus Periode 2 anschloß. Beachtenswert scheint der direkt am Übergang von dem Hausbefund zur Mauer liegende, aus der Mauerflucht weit vorkragende Sandstein12. Seine grob zugerichtete, scheibenförmige Grundform mit abgeflachter Ober-und Unterkante sowie zentrale Hauspuren, sprechen dafür den Stein als verworfenen Mühlsteinrohling anzusprechen. In ihrer Struktur entspricht der in Schnitt 1B aufgedeckte Mauerzug aus dem 14. Jahrhundert demjenigen von Schnitt 1A. Beachtenswert scheint, dass der Ost-West-orientierte Mauerzug östlich des hochmittelalterlichen Mauergevierts nicht mehr greifbar war. Hier steht der von Osten zur Mud hin anfallende Schotterkegel vergleichsweise hoch an. Daher war es nicht notwendig, dieses Areal am Ende des 14. Jahrhunderts intensiver neu zu befestigen. Möglicherweise war das Areal, wie auch das hochmittelalterliche Mauergeviert nahelegt, weit früher besiedelt als die westlich daran anschließenden Flächen. Da kaum davon auszugehen ist, dass Befund 130 von der Straße zurückgesetzt gestanden haben dürfte, könnte an besagter Stelle eine entsprechende Grundstücksabgrenzung nicht von Nöten gewesen sein. Damit einher ginge dann die nachträgliche Verlagerung der Grundstückserschließung nach Osten hin in Periode 4. Ob der Bereich östlich des Befundes 130 gar einer anderen Rechtsimmunität unterlag (Kloster- anstelle von Stadtareal), muss aufgrund der bislang hierzu nur ungenügend erschlossenen bzw. erschließbaren Schriftquellen offen bleiben.
Periode 4: Durchgängige Besiedlung des Areals im 16. Jahrhundert
Für die Mitte und das letzte Drittel des 15. Jahrhunderts lassen sich im gesamten Areal keine Besiedelungsspuren nachweisen. Dies könnte unter anderem damit zusammenhängen, dass in jener Zeit die heute als Gartenareal genutzte Fläche zwischen der untersuchten Fläche „Schmiedsgasse 48“ und der heute kanalisierten Mud durch kontinuierliche Abfallanlagerung besiedelbar gemacht wurde. Erst im 16. Jahrhundert lässt sich insbesondere in den Schnitten 1A und 1B eine deutliche Ausbauphase archäologisch fassen. Mit der Einbringung einer bis zu 40cm mächtigen Schicht aus homogenem Lösslehm, der in sich durch Stampfen verfestigt wurde, schuf man eine Grundlage für einen stabilen Laufhorizont. Der wasserabweisende Lehm, der als Fremdmaterial antransportiert und großflächig eingebracht wurde13, verhinderte darüber hinaus das Durchbrechen des vom westlich anschließenden Schwemmkegel anfließenden Sickerwassers an die Oberfläche. Eine Datierung der Schicht erfolgte mit Hilfe der oberflächlich in den Lehm eingetretenen bzw. eingegrabenen Keramik14. Da besagte Keramik außerordentlich homogen und keinen „Ausreißer“ ins 15. Jahrhundert aufweist, ist davon auszugehen, dass der Stampflehmboden tatsächlich erst im 16. Jahrhundert in das Areal eingebracht wurde. Stammt der Lehm aus der Amorbacher Altstadt, könnte das homogene, in sich allerdings durchmischte Material dort dabei beispielsweise bei der Anlage eines Kellers angefallen und in der Schmiedsgasse entsorgt worden sein. Die Anlage besagter Lehmschicht ist flächendeckend für das Areal östlich der straßenseitigen Bebauung nachgewiesen (Schnitt 1B). In Schnitt 2 zeichnete sich das Ganze als wesentlich durchmischtere Straten im Ostprofil ab. Im Süden des besagten Schnittes war die Schicht durch den späteren Einbau einer Mauer zerstört.
Der östlich an Schnitt 1B anschließende Schnitt 1A ergab lediglich für dessen eine Lehmauflagerung, die dort bis zur Baugrubenoberkante reichte. Diese Auflagerung ist jedoch weit inhomogener als der für Schnitt 1A beschriebener Stampflehmboden. Zudem finden sich im Fundgut zahlreiche Scherben des 17. und 18. Jahrhunderts. Indem aufgrund zahlreicher Störungen nur in Segmenten dokumentierten Südprofil war anstelle des Stampflehmbodens eine bis zu 70cm mächtige Lehmeinfüllung zu erkennen. Die durch zahlreiche Eintiefungen unterbrochene Strate ruht auf einer horizontalen, ca. 10cm mächtigen Strate aus verziegeltem Hüttenlehm, deren Unterkante (ehem. Laufhorizont) ebenfalls Brandeinwirkung aufweist. Die bei der Untersuchung nur in wenigen Zentimetern untersuchbare Strate erbrachte keine Funde. Demgegenüber stammen aus den darüber liegenden Lehmschichten zahlreiche Scherben aus dem 16. Jahrhundert. Obwohl bei Anlage des Sondageschnittes (Schnitt 1B) die jüngeren Mauern weitgehend abgetragen wurden15 ergibt die Analyse des Profils 2011/6, dass spätestens im 16. Jahrhundert nach einer Brandzerstörung der Vorgängerbebauung an dieser Stelle ein der Schmiedsgasse zugewandtes Haus stand. Schwarz und rot bemalte Fragmente des Innenverputzes des besagten Hauses finden ihre Parallelen im ehemaligen Heimatmuseum in Amorbach (Kellereigasse in Amorbach). Die Befunde zeigen deutlich, dass irgendwann nach dem in Periode 4 angelegten, rechteckigen Gebäude nach Abtragung desselben darüber ein wie auch immer geartetes Fachwerkgebäude errichtet wurde. Dieses entsprach in seinen Ausmaßen bereits dem 2011 niedergelegten, straßenseitigen Gebäudekomplex. Zum Zeitpunkt der Errichtung des besagten Fachwerkgebäudes verschob sich die straßenseitige Anbindung um annähernd drei Meter nach Osten. Nach Niederbrennen des Fachwerkhauses wurde an dessen Stelle im 16. Jahrhundert ein zweites, ebenfalls in Fachwerktechnik errichtetes Gebäude aufgeführt. Der Zeitpunkt der Neubebauung fällt in Entsprechung mit dem Neubau der Kellerei in die Zeit nach den Verheerungen des Bauernkrieges, insbesondere des Besatzes Amorbachs durch Götz von Berlichingen im Jahre 1525. Die Reste des bemalten Innenverputzes lassen vermuten, dass besagtes Anwesen durchaus repräsentativen Charakter besessen haben dürfte.
Periode 5: Verdichtung der Bebauung im 17. und 18. Jahrhundert
Im 17. und 18. Jahrhundert erfolgte eine in sämtlichen Schnitten nachweisbare, deutliche Verdichtung der Bebauung. Ein Großteil der bis dahin lediglich grob rollierten bzw. mit Stampflehm versehenen Areale versteinte. Typisch für das 17. und 18. Jahrhundert sind neben entfärbten Butzenscheiben und Flachgläsern v.a. Henkeltöpfe mit sehr hohem Hals und stark verschliffenen Rändern mit zahlreichen horizontalen Beistrichen im Schulterbereich. Als typische Glasurfarbe dominiert ein helles Braun. Das Fundspektrum wird durch Splitter von Fayence-Gefäße und v.a. im ausgehend 18. Jahrhundert durch Steingutgeschirr bereichert. Hinzu kommt Westerwalder Steinzeug, v.a. Mineralwasserflaschen. Da sich in dieser Zeit weder für das gesamte Stadtgebiet noch für das Anwesen eine kriegsbedingte Katastrophe noch ein Schadfeuer nachweisen lässt, wird die Periode 5 v.a. durch ihre Kontinuität gekennzeichnet. Die Straten nehmen sich vergleichsweise bescheiden aus und sind voneinander nur schwer zu trennen. Hinzu kommt, dass mit der Einbringung eines durchgängigen Stampflehmbodens in der Periode 4 sowie aufgrund der zu diesem Zeitpunkt bereits flächigen Bebauung der angrenzenden Areale eine weitere Aufhöhung des Untergrundes nicht mehr vorgesehen war. Der anfallende Schutt wurde anderweitig verbracht.
In Schnitt 1A entstand zu diesem Zeitpunkt das bis zum Abriss der Bebauung 2011 noch genutzte Fundament einer Stallung bzw. einer Scheune, welches nach Osten hin in einem trapezförmigen, lediglich zweilagigen Sockel ausläuft. Der ca. 80cm auf 100cm messende, in Mörtel gesetzte Befund wurde nachträglich um 40cm nach Osten erweitert. Die Funktion des Sockels ist bislang unklar, beachtenswert scheint in diesem Zusammenhang jedoch, dass er um mehr als 30cm aus der Flucht der mittelalterlichen Grundstücksgrenze nach Norden vorkragte. Ebenfalls aus dem 17. Jahrhundert stammen Teile der bereits zuvor in Grundzügen existierenden Vorderhausbebauung die sowohl in den Schnitten 1A als auch 1B nachgewiesen werden konnten. Da bei Anlage von Schnitt 1A nicht von vorneherein dieses Fundament zur Erschließung der darunter liegenden Strukturen abgebaggert wurde, konnte dort noch die Schwelle einer nach Norden aus dem Hause in die Gosse führenden Tür zumindest in Teilen erfasst werden.
In Schnitt 1B haben sich Spuren der Periode 5 wesentlich schlechter erhalten. Unter anderem lag dies daran, dass ein Großteil der Befunde bereits bei der Anlage einer nach Westen abfallenden Kanalisationsleitung nördlich des Schnittes tiefgründig gestört wurde. Im westlichen Drittel des Schnittes wurde im Nordprofil eine Grube aus jener Epoche angeschnitten. Eine weitere Grube befand sich etwa mittig im Südprofil von Schnitt 1B. Durch die letztgenannte Grube wurde die Stratigraphie der Innenbebauung des Hochmittelalterlichen, rechteckigen Gebäudes weitgehend gestört. Sie wies zumindest partiell dünne Löschkalkeinträge auf. Daher kann davon ausgegangen werden, dass wir es hier mit einem wie auch immer gearteten Latrinenbefund zu tun haben, der jedoch aufgrund der Lage und Tiefe der geplanten Streifenfundamente der Neubebauung nicht archäologisch untersucht wurde.
In Schnitt 2 zeigt sich das Bemühen um die Schaffung einer gut funktionierenden Infrastruktur am deutlichsten. Südlich der Innenbebauung des straßenseitigen Hauses legte man ein direkt an die Außenmauer angrenzendes Pflaster an. Dieses setzt sich aus einer Reihe behauener Sandsteine zur Schaffung einer scharfen, ost-west gerichteten Kante, sowie einer rinnenförmigen Pflasterung nach Süden hin zusammen. Die so entstandene, sorgfältig gearbeitete Rinne diente dazu, Fäkalien und Küchenabfälle in Richtung zur im Westen liegenden Mud abzuführen. Die Rinne wurde mindestens dreimal erhöht und in der Periode 6 mit Zement ausgegossen. Eine vergleichbare Rinne dürfte das Areal auch nördlich flankiert haben. Allerdings wurde diese bei der Anlage einer Kanalisation in Periode 6 vollständig zerstört.
Periode 6: Erschließung des Areals am Ende des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts
Die dichte Bebauung aber auch der vergleichsweise schlechte Untergrund führten dazu, dass die Anbindung an die strom- und Wasserversorgung im 20. Jahrhundert vergleichsweise oberflächlich erfolgte. Sämtliche Zu- und Ableitungen lagen maximal 70cm unter dem ursprünglichen Laufhorizont. Besonders zu erwähnen ist eine eiserne Wasserzuleitung, die auf Höhe des westlichen Segments von Schnitt 1B von Süden nach Norden verlief. Den topographischen Gegebenheiten folgend wurde das Abwasser sowohl des untersuchten Anwesens als auch der nördlich anschließenden Parzellen in ein Leitungssystem nördlich der Schnitte 1A und 1B abgeführt. In diesen Bereichen wurden die ursprünglichen Besiedelungsspuren bis in eine Tiefe von etwa 120cm rezenten zerstört.
Fazit
Für die archäologischen Untersuchungen auf dem Gelände des Anwesens „Schmiedsgasse 48“ in Amorbach stellte sich einerseits die Frage nach der Siedlungsgeschichte des im Bereich der Stadterweiterung von Amorbach liegenden Anwesens. Andererseits wurde nach Spuren der Beeinflussung durch das westlich angrenzende Kloster Amorbach gesucht, dessen Anfänge bis in die Karolingerzeit zurück reichen. Für letztere ist insbesondere das rechteckige Gebäude aus Periode 2 von Interesse. Aufgrund der Vorgaben durch die Denkmalpflege konnte die Siedlungskontinuität des Areals nur in einer vergleichsweise kleinen Sondage untersucht werden. Die Besiedelungsspuren lassen sich dabei bis an den Beginn des 12. Jahrhunderts zurückverfolgen. Insbesondere die notwendige und kontinuierliche Aufschüttung des Areals gegenüber der westlich angrenzenden Mud und dem von Osten einsickernden Schichtenwassers führte zur Anlagerung von stratigraphisch eindeutig definierbaren Schichten. Leider ergaben sich sowohl aus der Befund als auch der Fundanalyse keine Belege für ein dort ansässiges Handwerk. Dies ist umso erstaunlicher, da sich die Metzgerei in der südlich angrenzenden Parzelle urkundlich bis ins 15. Jahrhundert zurückverfolgen lässt. Entsprechende archivalische Nachweise handwerklicher Tätigkeit sind auch für andere Parzellen im unmittelbaren Umfeld belegt.
Weiterführende Literatur:
Manfred Benner, Die Keramik des Kornmarkts, in: Dietrich Lutz (Hg.), Vor dem großen Brand. Archäologie zu Füßen des Heidelberger Schlosses, Stuttgart 1992, S. 66–69.
Christine Engler, Keine Burg weit und breit? Die Burgenlandschaft des westlichen Spessart vom 12. bis 14. Jahrhundert. Masch. Magisterarbeit, 2 Bände, Bamberg 2009.
Richard Krebs, Amorbach im Odenwald. Ein Heimatbuch, 2. Aufl., Amorbach 1983.
Joachim Lorenz, Martin Okrusch, Christine Reichert, Harald Rosmanitz, „Porfido verde antico“ im Odenwald. Der Tragaltar vom Gotthardsberg, in: Beiträge zur Archäologie in Unterfranken 7, 2011, S. 175–197.
Gerline Prüssing, Peter Prüssing, Ein spätmittelalterlicher Töpfereibezirk in Dieburg, Kreis Darmstadt-Dieburg. Erste Ergebnisse in der ehemaligen Vorstadt Minnefeld, Fuchsberg 12-16, im Jahr 1986. Archäologische Denkmäler in Hessen 89, Wiesbaden 1990.
Gerline Prüssing, Peter Prüssing, Ein spätmittelalterlicher Töpferzentrum in Dieburg, in: Dieburg – Erbe und Gegenwart. Jahrbuch 2002, S. 61–97.
Peter Prüssing, Anmerkungen zu „Ofenkeramik – Zieglerwerk – Baukeramik“ anhand neuer Grabungsergebnisse aus dem spätmittelalterlichen Töpfereizentrum Dieburg, Landkreis Darmstadt-Dieburg, Hessen, in: Werner Endres (Hg.), Beiträge vom 34. Internationalen Hafnerei-Symposium auf Schloß Maretsch in Bozen/Südtirol 2001. Nearchos 12, Innsbruck 2003, S. 321–329.
Christine Reichert, Harald Rosmanitz, Porphyr auf dem Gotthardsberg, in: Das Archäologische Jahr in Bayern 2011, S. 150–152.
Christine Reichert, Harald Rosmanitz, Das „Alte Schloss“ bei Kleinwallstadt am Untermain, in: Georg Ulrich Großmann (Hg.), Die Burg zur Zeit der Renaissance. Forschungen zu Burgen und Schlössern 13, Berlin/München 2010, S. 213–225.
Harald Rosmanitz (Hg.), Die Ketzelburg in Haibach. Eine archäologisch-historische Spurensuche, Neustadt a. d. Aisch 2006.
Wolf Schmidt (Hg.), Das Templerhaus in Amorbach (Arbeitshefte des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege 53), München 1991.
Astrid Schmitt-Böhringer, Burg Tannenberg bei Seeheim-Jugenheim, Lkr. Darmstadt-Dieburg. Eine spätmittelalterliche Ganerbenburg im Licht der archäologischen Funde (Universitätsforschungen zur prähistorischen Archäologie 151), Bonn 2008.
Wilhelm Störmer, Roland Vocke, Miltenberg. Die Ämter Amorbach und Miltenberg des Mainzer Oberstifts als Modelle geistlicher Territorialität und Herrschaftsintensivierung, München 1979.
Max Walter, Werden und Wachsen der Stadt Amorbach, in: 700 Jahre Stadt Amorbach. 1253 – 1953. Beiträge zur Kultur und Geschichte von Abtei und Stadt Amorbach, Amorbach 1953, S. 19–33.
Harald Rosmanitz, Partenstein 2015
- Schmitt-Böhringer 2008.
- Der Torbefund wurde beim Einbringen der Schotterung unterhalb des neuen Hausfundamentes weitgehend abgebaggert. Über den Verbleib des während der Grabung nicht dendrochronologisch beprobbaren Holzpfostens lassen sich keine Aussagen treffen.
- Die dendrochronologische Auswertung und die Restaurierung der Funde stehen derzeit noch aus.
- Schmidt 1991; Engler 2009.
- Rosmanitz 2006
- Reichert/Rosmanitz 2010, bes. S. 273-275.
- Lorenz et al. 2011, Taf. 2-3.
- Eine Holzartensuchung und dendrochronologische Bestimmung der Hölzer steht aus. Sie werden zusammen mit sämtlichen anderen Funden von der Schmiedsgasse 48 im Templerhaus, Bädersweg 2, 63916 Amorbach gelagert.
- Aufgrund der Gesamtuntersuchungstiefe von maximal 120cm wurde die Fundamentunterkante nicht erreicht.
- Eine dendrochronologische Beprobung des Balkens war aufgrund des schlechten Erhaltungszustandes des oberen Bereiches sowie des fortschreitenden Baubetriebes nicht möglich.
- Die Datierung der Schichten erfolgte anhand der darin enthaltenen Keramik. Chronologische Indikatoren waren hierbei neben durchweg oxidierend gebranntem, meist grün und gelb glasiertem Geschirr mit Karnisrändern, v.a. jedoch Nischenkacheln vom Typ Tannenberg (Prüssing 2003; Prüssing/Prüssing 2002; Prüssing/Prüssing 1990; Schmitt-Böhringer 2008). Im Fundgut fanden sich darüber hinaus Nischenkacheln mit ausgeprägtem Kielbogen. Diese sind aufgrund der Befunde vom Gotthardsberg bei Amorbach (Reichert/Rosmanitz 2011) sowie mit Hilfe der Analyse der Bauphasen der Wildenburg (Rosmanitz, unpubliziert) in die Zeit zwischen 1410 und 1420 zu datieren. Damit kann die Anlage des Erdeintrags erst in den 1420er Jahren als abgeschlossen angesehen werden.
- Der Sandstein wurde anlässlich des Abschlusses der archäologischen Untersuchung geborgen. Aufgrund mangelnder Wiederverwendbarkeit im Neubau wurde er jedoch nicht, wie ursprünglich beabsichtigt, aufbewahrt. Aufgrund seines Gewichtes war es nicht möglich, ihn zusammen mit dem sonstigen Fundgut ihn ins Templerhaus zu verbringen.
- Entsprechender Lehm konnte anläßlich der geomorphologischen Untersuchung des Gotthardsberges durch den Lehrstuhl für Geographie der Universität Würzburg 2010/2011 für die Hänge nördlich des Gotthardsberges nachgewiesen werden. Am Hangfuß des Gotthardsberges besitzen diese Lößanwehungen noch eine Mächtigkeit von mehr als 13 Metern. Woher der in der Schmiedsgasse 48 gefundene Lehm stammt, konnte nicht erforscht werden. Archäologische Aufschlüsse im Bereich der Amorbacher Stadtkirche aus dem Jahre 2009 sprechen jedoch dafür, dass besagtes Erdmaterial aus dem Bereich des alten Stadtkerns von Amorbach stammt.
- Das Fundgut besteht zum Großteil aus gelb- und braunglasierten Henkeltöpfen mit rotem Beistrich auf der äußeren Schulter. Hinzu kommen gestelzte Grapen und Fettfänger. In wenigen Fragmenten erhalten haben sich des weiteren Hohlgläser (Nuppenbecher, Krautstrünke und formgeblasene Becher). Das Geschirr weist deutliche Parallelen zum Fundgut vom Kornmarkt in Heidelberg auf (Benner 1992, bes. S. 67 f.).
- Besagtes Mauerwerk hat sich beispielsweise in Profil 2011/4, Befund 51a erhalten.