Das größte in Kleinwallstadt erhaltene Hufeisenfragment hat noch eine Länge von 11,0cm und eine Breite von 4,4cm. Sein Stollen ragt 1,3cm über das ca. 0,6cm dicke Hufeisen hinaus.

Schon bei den Forschungen des Archäologischen Spessartprojekts zu den Hinterlassenschaften der Nutzer jener Wegesysteme, die seit der Bronzezeit den gesamten Spessart überziehen, mussten wir feststellen, dass archäologische Belege, die über die stellenweise mehrere Meter eingegrabenen Wege hinausgehen, äußerst spärlich sind.

So beschränkt sich unsere Kenntnis über den Fernhandel und das damit einhergehende Fuhrwesen beim „Alten Schloss“ bislang auf die Kartierung der Altwege, die sich in unmittelbarer Nähe noch vergleichsweise gut geschützt im Wald erhalten haben. Diese Altwege dürfen in der Nutzungszeit der Burg im 13. Jahrhunderts als Standortvorteil nicht unterschätzt werden. Die Burg gewährleistete dem vom Maintal kommenden Fernreisenden einen sicheren Aufstieg auf das Hochplateau des Spessarts. Gleichzeitig garantierte die Wehranlage an dieser Stelle die vollständige Kontrolle des Fernhandels seitens der Obrigkeit.

Einziges Überbleibsel der vielen Fußgänger, Reiter und Fuhrwerke sind mehrere Hufnägel und bislang vier fragmentierte Hufeisen. Sie fanden sich in den Nutzungshorizonten im Westteil der Kleinwallstädter Burg sowie im Graben zwischen Vor- und Hauptburg.

Hufeisen treten im Mittelalter ganz vereinzelt seit dem 9. bzw. 10. Jahrhundert auf. Eine chronologische Ansprache der meist nicht stratifizierten Hufeisen ist schwierig, da bislang nicht geklärt ist, welche Merkmale für die Datierung bedeutsam sind. Anpassung der Eisen an bestimmte Verhältnisse wie Sommer- oder Winterbeschläge oder Anforderungen für Reit-, Zug-, Pack-, Arbeitstier an die jeweiligen Tiere – wie Pferd, Maultier oder Esel – spielen hier hinsichtlich der verschiedenen Merkmale sicherlich auch eine wichtige Rolle.

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Bei dreien der vier in Kleinwallstadt gefundenen Hufeisen handelt es sich um Eisen mit Wellenrandruten. Charakteristisch für diesen Typ sind die namengebenden Wellenkonturen. Sie entstanden durch die Materialverdrängung, wenn mit einem keilför­migen Stift, dem sog. Durchschlag, die Nagellöcher in das glühende Eisen getrieben wurden. Die Wellenrandeisen weisen auf jeder Rute drei Nagellöcher auf. Im Gegensatz zu den Hufeisen mit Mondsichelruten fehlen bei den Wellenrandeisen die Griffe am Scheitel des Schusses. Innerhalb der Gruppe der Wellrandeisen gehören die Kleinwallstädter Exemplare zur jüngeren Gruppe, besitzen sie doch deutlich senkrecht aufgeschmiedete und danach umgelegte Stollen. An allen drei Fragmenten scheinen diese noch sehr kantig und wenig abgenutzt zu sein.

Vergleiche mit Hufeisen aus Schweizer Burgen datieren die Wellenrandeisen in die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts. Ab der Mitte des 13. Jahrhunderts setzten sich Hufeisen mit Mondsichelruten durch. Ein entsprechendes Exemplar fand sich im Jahre 2006 in der Verfüllung des Grabens zwischen Vor- und Hauptburg.

Hufschmied bei der Arbeit. Miniatur aus dem Hausbuch der Mendelschen Zwölfbrüderstiftung zu Nürnberg, 1467 (Stadtbibliothek Nürnberg, Amb. 317.2 Folio 86 verso)

Hufschmied bei der Arbeit.

Der Fund von Hufnägeln und Hufeisen verwundert nicht weiter, wenn man bedenkt, daß einerseits der Verlust eines Hufeisens bei den damaligen Straßenverhältnissen sicher nicht immer sofort auffiel, andererseits mit Hufeisen ausgestattete Tiere in allen Lebens- und Arbeitsbereichen zum Einsatz kamen.

Für die Ausgrabungen in Kleinwallstadt erweisen sich die Hufeisenfragmente als ausgesprochener Glücksfall, geben uns die Fragmenten von Hufeisen mit Wellenrand bzw. Mondsichelruten doch zusätzlich zur Keramik einen vergleichsweise präzisen Hinweise darauf, dass das „Alte Schloss“ bei Kleinwallstadt in der Mitte des 13. Jahrhunderts bewohnt war.

Weitere Hufeisen konnten auf dem Kugelberg bei Goldbach (zweites Drittel 12. Jh.), auf der Burg Wahlmich bei Waldaschaff (Mitte 13. Jh.), auf dem Kloster Elisabethenzell bei Rieneck (erstes Drittel 14. Jh.), auf der Burg Hauenstein bei Krombach (letztes Drittel 14. Jh.) sowie auf der Burg Bartenstein bei Partenstein (15.-16. Jh.) geborgen werden.

Weiterführende Literatur:

Christian Bader, Die Burgruine Wulp bei Küsnacht ZH. Schweizer Beiträge zur Kulturgeschichte und Archäologie des Mittelalters 25 (Basel 1998), S. 63f.
Andreas Heege, Straßen und Wege, in: Andreas Heege (Hg.), Einbeck im Mittelalter. Eine archäologisch-historische Spurensuche. Studien zur Einbecker Geschichte 17 (Oldenburg 2002), S. 114-119.


© Harald Rosmanitz, Partenstein, 2018