Kloster Elisabethenzell – ein archäologischer Park entsteht *

Das im Wald zwischen Ruppertshütten und Rieneck an der sogenannten Birkenhainer Straße (oder Frankfurter Landstraße) gelegene, ehemalige Kloster Elisabethenzell war vor allem aus Urkunden und historischen Spessartkarten – wie etwa der Hoffmann-Karte – bekannt. Die letzten noch obertägig sichtbaren Mauerreste waren bis in die 30er Jahren des 20. Jahrhunderts hinein unter anderem zur Wiederverwendung der Steine im Straßenbau abgetragen worden. In den späten 60er Jahren fanden dann Sondagen durch den in Ruppertshütten ansässigen Forstoberinspektor Horst Hünsch im Bereich des Klosterareals statt.

Mehr über das Kloster Einsiedel wollte auch Ingbert Roth, Kirchenpfleger von Ruppertshütten, wissen und führte bereits 2006 erste Vorgespräche mit dem Archäologischen Spessartprojekt. Doch erst 2011 wurden mit der Gründung der ARGE Kloster Einsiedel die Pläne zur Freilegung und Erforschung des Klosters konkreter. Mit Zustimmung des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege sowie der Bayerischen Staatsforsten AöR als Besitzer des Grundstückes und Mittelgeber wurden zwischen 2012 und 2016 unter Leitung von Harald Rosmanitz Ausgrabungen auf dem Klosterareal durchgeführt. In deren Vorfeld wurden Geophysikalische Untersuchungen durchgeführt und Airborne Laser Scans ausgewertet.

Bereits während der fortschreitenden Ausgrabungen wurden erste Teile der Kirchenmauern von freiwilligen Helfern saniert.

Bereits während der fortschreitenden Ausgrabungen wurden erste Teile der Kirchenmauern von freiwilligen Helfern saniert.

Im Laufe der Ausgrabungen entpuppte sich die Anlage als weitaus umfangreicher, als es die in den Urkunden überlieferten Bezeichnungen „Capellam“ und „Einsiedel“ zunächst hätten vermuten lassen. Und bald kam der Wunsch auf, die Reste des ehemaligen Klosters auch nach Abschluss der Ausgrabungen sichtbar und erfahrbar zu halten – dies sollte in Form eines archäologischen Parks geschehen.

Ein erster Schritt in Richtung Archäologischer Park war die Sanierung freigelegter Mauern.
So wurden bereits 2014, parallel zu den noch laufenden Grabungen, erste Bereiche des Kirchenbaus – der das zentrale Element der Anlage war – von den Ehrenamtlichen saniert. Von den drei festgestellten Steinphasen eigneten sich durch ihre gute Erhaltung die Mauern der zweiten Phase – die um 1270 entstandene Apsidenkirche – und der dritten Phase – des nach 1295 errichteten Kirchenbaus mit Chorraum und Atrium – für die Sichtbarmachung.

Der sanierte Brunnen an der nordöstlichen Ecke des Klosterareals

Der sanierte Brunnen an der nordöstlichen Ecke des Klosterareals

Am nordöstlichen Rand des Untersuchungsareals konnten bereits in der ersten Grabungskampagne die Reste eines 6 m tiefen Brunnens freigelegt werden. Auch der Schachtrand des in die Rodungs- und Anfangsphase der Bebauung des Areals zu datierenden Brunnens wurde überkront und erhöht. Zur Absicherung zukünftiger Besucher wurde zudem ein Metallgitter eingebaut.

Saniert wurde auch die freigelegte, an den Kirchenbau anschließende Friedhofsmauer. Erkennbar ist nun, dass der mit geschätzt etwa 150–200 Personen belegte Friedhof über einen Zugang vom Hauptkirchenraum und von Westen, also von außerhalb des zentralen Klosterareals verfügte. Während die Mauern der Friedhofseinfassung und des Chorraumes hüfthoch wieder errichtet wurden, sind die des Hauptkirchenraumes etwas höher überkront. Dadurch ist die Bedeutung des Hauptschiffes – das es als Raum des Gebetes aber auch der Unterkunft für Reisende gehabt haben dürfte – auch optisch erkennbar.

Die südlich des Kirchenbaus aufgedeckten Grundmauern zweier Fachwerkhäuser – von diesen besaß eines einen Keller ­–, bei denen es sich um ein- bzw. zweistöckige Wohnhäuser handelte, waren dagegen nicht für eine Sichtbarmachung geeignet – sei es aus Sicherheitsgründen oder wegen des Erhaltungszustandes – und wurden wieder mit Erde überdeckt

Der ehemalige Fischteich der Anlage hat sich inzwischen wieder mit Wasser gefüllt.

Der ehemalige Fischteich der Anlage hat sich inzwischen wieder mit Wasser gefüllt.

Im nordwestlichen Untersuchungsareal traten mehrere Befunde zu Tage. Neben einer Umfassungsmauer, die am Atriumsbau der Kirche ansetzt und eine Toranlage beinhaltet, fanden sich dort auch ein Keller und die massiven Grundmauern eines Steinernen Hauses sowie südlich davon eine kleine, wohl als Umfriedung eines Gartens anzusprechende Mauer. Auch hier wurden einige der Mauerbefunde überkront, andere Grundrisse nach dem Wiederverfüllen durch niedrige Mauern sichtbar gemacht. Zudem wird auch die Steinschüttung im Steinernen Haus, die wohl Teil einer Warmluftheizung war, zukünftig sichtbar sein.

Überkront wurden letztendlich auch die im Südwesten des Klosterareals freigelegten Befunde einer Umfassungsmauer sowie eines Brunnens. Der ebenfalls dort aufgedeckte Teich wurde mit einem Schutzzaun umgeben. Inzwischen hat sich dieser wieder in ein kleines Biotop verwandelt. Und sicherlich wird den einen oder anderen Besucher des archäologischen Parks das Vorhandensein eines Teiches auf dem Höhenrücken mitten im Wald erstaunen.

Neben der Konservierung und zugleich Sichtbarmachung der Mauern, was von den Ehrenamtlichen im Laufe der Jahre des Projektes Durchhaltevermögen verlangte – die letzten Mauern wurden in der zweiten Hälfte des Jahres 2017 überkront – musste auch das Gelände im Klosterareal hergerichtet werden. Hierzu zählten zunächst das Verfüllen der noch offenen und mit Geoflies ausgelegten Grabungsschnitte sowie das Verteilen des während den Ausgrabungen entstandenen Aushubhaufens.

Handarbeit: Verteilen der Schotterschicht auf dem wiederverfüllten Friedhofsareal

Handarbeit: Verteilen der Schotterschicht auf dem wiederverfüllten Friedhofsareal

Zudem wurden im Bereich des Friedhofs, der Kirche und des Steinernen Hauses eine Schotter- und eine Kiesschicht eingebracht, die diese Bereiche zusätzlich optisch von der Umgebung abheben. Hierbei war vor allem bei den Arbeiten im Bereich des Friedhofs und der Kirche trotz des Einsatzes eines Baggers noch einmal Muskelkraft gefordert, um die Schottermassen zu verteilen. Zwischen Atrium und Kirchenschiff wurde zudem eine Treppe installiert, sodass nun der ursprüngliche Zugang zur Kirche über das Atrium, dessen Bodenniveau tiefer als das des Kirchenraums lag, nicht nur nachvollziehbar sondern auch wieder zu begehen ist.

Ende 2017 waren – von wenigen, witterungsbedingt nicht mehr umsetzbar gewesenen Schönheitskorrekturen bei der Geländegestaltung – die Arbeiten vor Ort abgeschlossen. Anhand der sanierten Mauern erschließt sich Besuchern, denen bereits auf einer vorläufigen Tafel einige Informationen dargeboten werden, nun schon klar die vom Kern der Klosteranlage eingenommene Fläche. Jedoch kann es nicht Sinn und Zweck eines archäologischen Parks sein, allein hübsch hergerichtete Mauern zu zeigen. Denn interessierte Besucher möchten auch etwas über die Geschichte eines Ortes wissen und dies ist nicht alleine durch Mauern möglich. (Zumal – wie ich aus eigener Erfahrung kenne – die Steine im übertragenen Sinne nicht zu jedem sprechen.)

Ende 2017: Blick vom Atrium auf das Kirchenschiff, wo nun eine Treppe den ursprünglichen Zugang ermöglicht

Ende 2017: Blick vom Atrium auf das Kirchenschiff, wo nun eine Treppe den ursprünglichen Zugang ermöglicht

Das Konzept des archäologischen Parks sieht darüber hinaus mehrere Informationstafeln vor, deren Inhalt aktuell ausgearbeitet wird. So werden Besucher sich etwa über die Entwicklungsgeschichte des Klosters, über dessen Wasserversorgung oder über während den Ausgrabungen gemachte Funde informieren können. Die Textgestaltung sieht dabei neben den konkreten, aber dennoch möglichst ausführlichen Erläuterungen für Jugendliche und Erwachsene auch einen kleinen, durch eine Figur gekennzeichneten Bereich vor, in dem die entsprechenden Themen kindgerecht dargeboten werden.

Die im Text dargebotenen Inhalte sollen durch bildliche Darstellungen unterstützt werden. Neben Grabungsfotos unter anderem auch durch eine 3D-Rekonstruktion der Anlage. Darüber hinaus werden von dem Illustrator Christian Meyer zu Ermgassen sogenannte Lebensbilder erstellt, die das Werden der Anlage und das Leben im Kloster und auf der Fernstraße „Birkenhainer Straße“ lebendig werden lassen sollen.

Vom Grabungsplan zu Lebensbildern - Entwurfsskizzen von Illustrator Christian Meyer zu Ermgassen

Vom Grabungsplan zu Lebensbildern – Entwurfsskizzen von Illustrator Christian Meyer zu Ermgassen

Die Darstellung der Gebäude orientiert sich dabei wo es geht an den am Ort gemachten Befunden und Funden: So geben die freigelegten Mauern Informationen zu den Gebäudegrundrisses und deren Lage zueinander. Neben seinen Fundamentmauern geben im Falle des südlich der Kirche gelegenen Fachwerkhauses Bruchstücke eines Kachelofens anhand ihres Zerscherbungsgrades und dem fehlenden Nachweis eines entsprechenden Standortes im Erdgeschoss Hinweis darauf, dass es über mindestens ein Obergeschoss verfügt haben muss.Durch zahlreiche Ziegelfunde lässt sich unter anderem für die Dächer dieses Fachwerkhauses und des Kirchenbaus eine Eindeckung im Mönch-Nonne-Prinzip erschließen.

Andere Funde geben Hinweis auf die Ausstattung der Kirche in ihrer letzten Phase: so besaß der Hauptkirchenraum im Altarbereich mindestens ein mit Maßwerk versehenes Fenster und allgemein waren die Glasfenster mit Silberlot verziert; für den Chorraum ist ein Wandputz mit roter Bemalung nachgewiesen. Auch die hochwertige Innenausstattung der Kirche lässt sich teilweise rekonstruieren: so sind Glaslampen bezeugt und das Aussehen des Altares lässt sich aus den in situ erhaltenen Resten erschließen. Aus anderen  Quellen gibt es den Hinweis darauf, dass das Kloster Elisabethenzell über zwei Glöckchen verfügt haben soll. Da ein Glockenturm im Befund nicht nachzuweisen war, darf daraus geschlossen werden, dass die Kirche über einen Dachreiter, also ein wohl hölzernes Türmchen als Glockenstuhl verfügte. Durch all diese Hinweise lässt sich schon eine recht konkrete Vorstellung vom Aussehen der Kirche gewinnen. Fehlende Informationen, wie etwa zu den damals üblichen Raumhöhen oder das Aussehen eines Steinernen Hauses, sind über Vergleichsbeispiele – wie etwa das Templerhaus in Amorbach oder ähnliches – zu erlangen und so kann das Bild vervollständigt werden.

Aus den so sich immer mehr ins Detail verfeinernden Skizzen entsteht nach und nach eine Rekonstruktion der Architektur, die in einem weiteren Schritt vom Illustrator mit Leben gefüllt wird. Hierzu wissen wir aus den Ausgrabungen im Friedhof etwa, dass im Kloster auch Frauen und Kinder lebten. Sie sind dem für die Bewirtschaftung der klostereigenen Äcker und Wiesen zuständigen Gesinde zuzurechnen. Die für diese Arbeiten notwendigen Werkzeuge (Sicheln oder Sensen, Hacke, Axt und Bohrer aus Eisen) lassen sich ebenfalls im Fundmaterial nachweisen.

Neben seiner eigentlichen Funktion als Kloster spielte Elisabethenzell wohl auch als Raststation für Pilger und Fuhrleute eine Rolle, wie aus dem Fund von Pilgerzeichen, eines Fuhrmannsmessers und einer Bestattung mit in der Kleidung eingenähten Münzen – wie es bei Reisenden üblich war – zu erschließen war. Andere Funde, wie Hufeisen unterschiedlicher Ausprägung, geben Hinweis auf das Vorhandensein verschiedener Reit-, Last- und Zugtiere an diesem Ort.

Weitere angedachte und mögliche Elemente des archäologischen Parks „Kloster Elisabehtenzell“ könnte die Darstellung der Lage des Klosters und der Birkenhainer Straße im Gelände anhand eines vor Ort aufgestellten Geländemodells sein oder das Aufstellen einer Sitzgruppe. Durch letztere würde das Klosterareal wieder seiner Funktion als Raststation – in diesem Falle für Wanderer oder Radfahrer – gerecht werden.


*leicht gekürzte Version des Vortrags von Matthias Nöth am 18.11.2017 auf dem 10. Symposium zur Burgenforschung im Spessart in Mömbris