Eine Auswahl an Nägeln vom "Alten Schloss" - noch in unrestauriertem Zustand

Fast unbeachtet bleiben bei den meisten Mittelaltergrabungen die eisernen Nägel mit ihren ganz unterschiedlichen Größen und Formen. Andererseits sind diese Artefakte von hohem wissenschaftlichem Wert, lassen sich doch mit ihnen Rückschlüsse auf das regionale Handwerk und die kleinräumige Rohstoffgewinnung ziehen. Das Schmiedehandwerk war seit dem Mittelalter in jedem Ort des Spessarts zu finden.

Im Mittelpunkt einer Schmiedewerkstatt befand sich das Schmiedefeuer. Die Eisenstücke wurden in der mit Holzkohle befeuerten Feuergrube des Herdes durch den Blasebalg zur Rot- oder gar Weißglut gebracht. Das aus Rinder- oder Ziegenleder gefertigte Gebläse betrieb der Schmied mit der Hand oder dem Fuße. Ein Rauchfang ließ den Qualm durch den Schornstein abziehen. Auf dem Amboss bearbeitete der Schmied mit Zange und Hammer kleinere Eisenstücke, bei größeren drehte und wendete der Meister das glühende Werkstück und zeigte dabei mit einem kleinen Hammer an, wo das Metall von den großen Vorschlaghämmern der Zuschläger getroffen werden sollte. Eisenstücke wurden so auf der Bahn des Ambosses gestreckt, vereinigt, gestaucht, gehärtet, am Horn gebogen und mit dem eingesetzten Abschrot, auch Blockmeißel genannt, zerschnitten. Ein Locheisen auf dem Ambossstock diente zur Herstellung von Hufnägeln. In einem mit Wasser gefüllten Löschtrog zischte beim Abschrecken das heiße Metall in einer Dampfwolke auf.

Neben den vielseitigen Dorfschmieden bildeten sich schon sehr früh Spezialisten des Handwerks. So gab es Hof-, Nagel-, Sensen- und Messerschmiede, Nadler, Sporer, Schlosser, Spengler, Schwert- und Harnischfeger. Die Nagelschmiede gehörten zu den weniger privilegierten Vertretern des Schmiedehandwerks. Zu Fertigung eines Schmiedenagels holte der Nagelschmied aus dem Schmiedefeuer eine kurze Eisenstange heraus, hämmerte ihr auf dem kleinen Amboss eine Spitze, kerbte sie auf dem Eisenschrot ein und knickte sie um. Im Loch des Nageleisens brach er sie mit einem Ruck der Linken ab und formte mit ein paar Hammerschlägen der Rechten den Nagelkopf. Der wurde dann mit dem „Zahn“, einer Eisenstange, und einem stumpfen Hämmerchen gefasst und so der fertige Nagel aus dem Loch gehoben.

Die Nägel wurden nach Größe, Gewicht, Form der Köpfe und nach der Verwendung eingeteilt. Es gab kantige und runde Nägel, Nägel mit kleineren und größeren, ganzen und halben, mit glatten, mit pyramidalen, mit konischen, halbkugeligen, so genannten Champignonköpfen, mit dreieckigen und viereckigen (Hufnägel); ferner Brettnägel, Lattennägel, Schindelnägel, Schiefernägel, Schloß-, Reif- und Bandnägel, Blasbalgnägel, Schlossernägel, Maurernägel, Schuhnägel (Pinnen), Bootsnägel und Tornägel. Die größten Nägel hießen Schleusennägel und waren bis zu fünfundvierzig Zentimeter lang, gefolgt von den Schiffsnägeln mit zwanzig bis fünfundzwanzig Zentimetern. Andere wie die Zwecken (broquettes), welche Tapezierer, Sattler und Stellmacher gebrauchten, waren so klein, dass tausend Stück lediglich 125 Gramm wogen.

Die verschiedenen Nagelköpfe wurden durch 4 bis über 20 Hammerschläge hergestellt. Ein geschickter Nagler konnte im 19. Jahrhundert pro Tag bis zu 2000 Nägel anfertigen. Allerdings währte die Arbeitszeit von morgens drei bis abends sieben Uhr und säumige Gesellen wurden oft zum Spott des ganzen Dorfes mit Hörnerblasen und Gesang aus den warmen Betten gejagt. Die meisten Hammerschmiede starben bei den ungesunden Arbeitsbedingungen „wegen schwacher Brust“ schon in verhältnismäßig jungen Jahren. Das Eisen dürften die Nagelschmiede zum großen Teil aus den kleinen primitiven Rennfeuerhütten des Vorspessarts zwischen Kleinwallstadt und Eschau bezogen haben.

Neben Informationen zur „Fabricia“, zur Herstellung der im 13. Jahrhundert auf dem „Alten Schloss“ in Kleinwallstadt genutzten Nägel geben uns diese aufgrund ihrer hakenförmigen Köpfe und Verformungen einen Hinweis auf ihre ursprüngliche Nutzung. Wahrscheinlich wurden mit den Nägeln die aus gespaltenen Bohlen besetehende, durchgehende Lattung unter dem Ziegeldach auf dem Dachstuhl befestigt. Mit Hilfe der Nägel war es möglich, die Unterfütterung der Ziegeldeckung dauerhaft wind- und wasserundurchlässig zu machen.