Der durchwühlte Berg

Wendet man sich der Untersuchung der Burgruine auf dem Gräfenberg zu, so stellt man bald fest, dass diese ihr Schicksal mit vielen kleineren aber auch größeren Burganlagen des Spessarts teilt: Wir wissen weder auf wessen Gründung die Burg zurückgeht, noch gibt es einen sicheren urkundlichen Beleg dafür, wem die Anlage gehörte.1

Anhand der schriftlichen Quellen ist eine eindeutige Lokalisierung der Burg Landesehre nicht möglich. Zwar erwähnt eine Urkunde aus dem Jahre 1261, dass sich die Anlage bei Aschaffenburg befunden habe, nähere Angaben fehlen jedoch.2 Unklar ist auch, wann genau die Burg erbaut wurde. In der erwähnten Urkunde von 1261 wird die Burg als neu errichtet bezeichnet. Daher ist anzunehmen, dass sie um die Mitte des 13. Jahrhunderts entstanden sein muss.

"Plan über die Burgruinen in der Waldabteilung Gräfenberg, Bezirksamt Alzenau, Kreis Unterfranken", gezeichnet von Herrn Steigerwald in Rottenberg im Mai 1909. In diesem Plan ist u.a. auch die Burgzisterne eingezeichnet (aus: Ortsakten des Landesamts für Denkmalpflege).

„Plan über die Burgruinen in der Waldabteilung Gräfenberg, Bezirksamt Alzenau, Kreis Unterfranken“, gezeichnet von Herrn Steigerwald in Rottenberg im Mai 1909. In diesem Plan ist u.a. auch die Burgzisterne eingezeichnet.

Die Frage nach der Lage der Festung Landesehre beschäftigte für lange Zeit Heimatforscher und Historiker. Bereits in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sahen einige Forscher den Standort der Burg Landesehre auf dem Gräfenberg bei Hösbach-Rottenberg. Auf dieser Erhebung befindet sich eine Burgruine, die im Westen durch Steinbrucharbeiten, welche um 1900 einsetzen und bis in die 40er Jahre andauerten, beinahe zu 80% zerstört wurde.3 Bereits 1857 vermutete Adalbert von Herrlein, dass es sich bei der Anlage um die Überreste einer Festung der Grafen von Rieneck handeln muss.4

1904 führte der Aschaffenburger Apotheker Deinlein erste Ausgrabungen auf dem Gräfenberg durch. Dabei entdeckte er ein Knospenkapitell aus dem 13. Jahrhundert, das heute im Rathaus von Hösbach-Rottenberg aufbewahrt wird. Zudem fand man Ziegelfragmente, Eisenobjekte und behauene Quader mit Mörtelresten.5 Während Grabungs- und Steinbrucharbeiten fand man in dem Zeitraum 1905-1908 Mauerreste, Keramikscherben, Kettenstücke, einen Dolch, einen Steigbügel, Metallschnallen und Knochen, sowie „Mauerzüge einer rechteckigen Gebäudeanlage und einer Zisterne“.6 Diese Funde wurden von dem damaligen Hauptkonservator Hock auch nach heutigem Kenntnisstand erstaunlich genau in die Mitte des 13. Jahrhunderts datiert.7 Anfang des Jahres 1908 zählte der Rottenberger Bürgermeister in einem Bericht an das Bezirksamt Alzenau die Funde auf, die während den Steinbrucharbeiten gemacht worden waren:

  • eine Längsmauer von 5m Länge und 1,80m Breite
  • eine Quermauer von 4m Länge und 0,40m Breite
  • an letztere anstoßend eine weitere Mauer, welche noch nicht ganz freigelegt ist
  • weiter sind die Anfänge eines Gewölbes erkenntlich
  • ein kreisrundes Mauerwerk, vielleicht Zisterne oder Burgverlies
  • an einzelnen Gegenständen wurden gefunden: Knochen, 2 Metallschnallen, 1 Horn, Topfscherben und Ziegelstücke8

 1935 trieben Mitglieder des Spessartbundes einen Graben zu den Mauern der Burg vor. Man fand dabei „eingestürztes Mauerwerk und Brandschutt“.9 Die Arbeiten wurden daraufhin eingestellt. 1984 wurde erneut eine Grabung auf dem Gräfenberg durchgeführt. Allerdings waren daran nur Laien und kein archäologisches Fachpersonal beteiligt. Die Ergebnisse sind nicht sehr aussagekräftig. Ein abschließender Bericht dieser Grabung wurde nie angefertigt. Es wurden lediglich eine Scherbe sowie drei runde Bodenverfärbungen gefunden. Letztere wurden aufgrund ihres Durchmessers von etwa 10 cm und ihres Abstandes voneinander von ca. 45 cm als Überbleibsel eines Palisadenzaunes gedeutet.10

Die Spuren der leider nicht dokumentierten Untersuchungen aus dem Jahre 1989 zeichneten sich zu Begin der Ausgrabungen 2007 noch deutlich im Gelände ab.

Die Spuren der leider nicht dokumentierten Untersuchungen aus dem Jahre 1989 zeichneten sich zu Begin der Ausgrabungen 2007 noch deutlich im Gelände ab.

1985 erwähnte Ernst Pfahler in einem Brief an das Landesamt für Denkmalpflege Funde vom Gräfenberg.11 „[…] auch einige Eisenmesserfragmente sowie Teile einer Herdschaufel und eines Kesselgehänges aus der Latènezeit […] im Ostteil der ehem. Befestigungsanlage“ gefunden worden.12 Aus einem Vermerk aus dem Jahre 1986 geht hervor, dass das Kesselgehänge in einen anderen Fundzusammenhang gehört. Stattdessen erwähnt der Vermerk nun einen Pflugvorschneider.13 1989 wurden schließlich auf dem Gräfenberg Grabungen durchgeführt. Im Rahmen dieser Arbeiten wurden Teile der Ringmauer freigelegt.14


Harald Rosmanitz, Partenstein 2015


  1. Zusammenfassend: Gerhard Ermischer und Helmut Flachenecker, Die Ketzelburg und die Burgenforschung im Spessart, in: Die Ketzelburg in Haibach, hrsg. von Harald Rosmanitz, Neustadt a. d. Aisch 2006 , S. 145 ff.
  2. „[…] apud Aschaffenburg construxerant novum Castrum […]“, Staatsarchiv Würzburg, Mainzer Urkunde Nr. 123; Valentin Ferdinand de Gudenus: Codex diplomaticus anecdotorum, S. 682, Nr. 301; Theodor Ruf, Die Grafen von Rieneck. Genealogie und Territorienbildung I. Genealogie 1085 bis 1559 und Epochen der Territorienbildung, Würzburg 1984 (Mainfränkische Studien 32/1), S.134ff.
  3. Vgl. auch die Site „Historikerstreit“
  4. Adalbert von Herrlein, Aschaffenburg und seine Umgegend. Ein Handbuch für Fremde, Aschaffenburg 1857.
  5. Ernst Pfahler, Die Burganlage auf dem Gräfenberg, in: Rottenberg. Geschichte eines Dorfes im Vorspessart, hg. von Ernst Pfahler, Rottenberg 1978, S. 30f.; Die Ausgrabung auf dem Gräfenberg bei Hösbach-Aschaffenburg, in: Beobachter am Main 331 (04.12.1905), S. 2.
  6. Der Klosterberg und der Gräfenberg bei Rottenberg, in: Heimatjahrbuch des Kahlgrundes 1928, Teil 1 .
  7. Brief Hock an Regierung von Unterfranken und Aschaffenburg vom 06.02.1908, Staatsarchiv Würzburg, Landratsamt Alzenau 1704, Akten betr. Ausgrabung – Burgstall auf dem Gräfenberg bei Rottenberg 1905ff., 1130/324.
  8. Bericht des Bürgermeisters Lorenz Steigerwald an das Bezirksamt Alzenau vom 22.01.1908, Staatsarchiv Würzburg, Landratsamt Alzenau 1704, Akten betr. Ausgrabung – Burgstall auf dem Gräfenberg bei Rottenberg 1905ff., 1130/324.
  9. Wolf Schmitt, Das Geheimnis vom Gräfenberg, in: Aschaffenburger Zeitung 18./19. Juli 1936, S. 2.
  10. Veronika Fries, Dokumentation und Interpretation der archäologischen Untersuchungen auf dem Gräfenberg im September und Oktober 2007, Facharbeit im Fach Geschichte am Kronberg Gymnasium Aschaffenburg 2008, S. 5-8. Verkürzte Fassungen der Arbeit unter Vorwegnahme der Publikation der Grabungsergebnisse durch den Grabungsleiter: Veronika Fries, ein Dorf gräbt aus. Die Burg auf dem Gräfenberg. Spessart. Monatsschrift des Spessartbundes. Zeitschrift für Wandern, Heimatgeschichte und Naturwissen, 102. Jg., Oktober 2008, S. 12-18; Veronika Fries, Die Rienecker auf dem Gräfenberg – Legende oder Wahrheit. Die archäologische Untersuchung auf dem Gräfenberg bei Rottenberg im Herbst 2007. Unser Kahlgrund 2009. Heimatjahrbuch für den ehemaligen Landkreis Alzenau, 54. Jg., 2009, S. 163-169.
  11. Pfahler an Landesamt für Denkmalpflege vom 03.01.1985, Ortsakten im BLfD.
  12. Wamser an Pfahler vom 06.09.1985, Ortsakten im BLfD.
  13. Vermerk betreffend der Funde auf dem Burgstall Gräfenberg vom 19.02.1986 bzw.20.02.1986, Ortsakten im BLfD.
  14. Grabungsarbeiten auf dem Gräfenberg vom 29.03.1989, Ortsakten im BLfD. Die Grabungen wurden von dem damaligen Oberkonservator Ludwig Wamser betreut. Dabei durchschnitt man den südlichen, äußeren Wall. Eine zweite Sondage fand im Bereich des 2007 untersuchten Schnittes 7 statt. Eine den heutigen Maßgaben des BLfD entsprechende Dokumentation liegt nicht vor. Aus Mangel an Vermessungsdaten, maßstabgerechten Zeichnungen und aussagekräftigen Fotografien können die damals gewonnenen Ergebnisse in den vorliegenden Bericht nicht eingearbeitet werden. Die Funde gelangten anteilig zum damaligen Rottenberger Bürgermeister Pfahler und an das BLfD. Nach eigenem Bekunden (Stand 2006) war beim BLfD nichts über entsprechende Fundstücke bekannt. Die in Rottenberg verbliebenen Fundstücke wurden bei Ernst Pfahler unsachgemäß gelagert und vermengten sich spätestens bei ihrer Überführung in die Sammlung des „Alten Rathauses“ in Hösbach-Rottenberg mit Funden vom Klosterberg, ebenfalls auf der Gemarkung Rottenberg. Ernst Pfahler wies die beiden Fragmente der Herdschaufel der Latènezeit zu (Ernst Pfahler, Bemerkenswerte Funde auf dem Gräfenberg in Rottenberg, in: Unser Kahlgrund (1987), S. 181). Die beiden von einem Metallsondengänger ohne Befundzusammenhang bzw. ohne Beifunde geborgenen Fragmente können jedoch mit Hilfe eines annähernd übereinstimmenden Stückes aus Oldendorf, Landkreis Osnabrück der Völkerwanderungszeit (erste Hälfte des 5. Jahrhunderts) zugewiesen werden (Wolfgang Schlüter, Die völkerwanderungszeitliche Siedlung von Oldendorf bei Melle, Ldkr. Osnabrück, in: Ausgrabungen in Niedersachsen. Archäologische Denkmalpflege 1979-1984, hrsg. von der Archäologischen Denkmalpflege im Institut für Denkmalpflege, Stuttgart 1985, S. 200, Abb. 5).