Lit Streifzug 21


Bettina von Arnim
(Frankfurt 1785 – Berlin 1859)

Frühlingskranz
(darin eine Stelle über den Hof in Aschaffenburg zur Zeit Dalbergs)

Als wir eintraten in den Saal, da stand ein ganzer Trupp langer, dünner, kurzer, dicker, breiter, alle schwarzgekleideter Tanzherrn in der Mitte, die soviel Raum zum Tanzen ließen zwischen sich und den Wänden, an denen die jungen Mädchen zwischen Mamas auf gereiht waren wie allerlei Marktfrüchte, worunter Schoten, Rüben und Zwiebeln nicht die wenigsten waren, hier und da ein angenehmer Blumenkohl, nur selten ein Borsdorfer Apfel, worunter ich zu zählen; jetzt holten die Herren die Rübchen, Zwiebelchen und Schotenbukettchen zum Tanz. Alle hatten Uhrketten mit allerlei Berlocken, manche zwei aus der Tasche hängen; diese Berlocken machten ein Glockenspiel wie eine Herde. Ich saß da dicht am Musikantenbalkon und vertrieb mir die Zeit, mit beiden Händen meine Ohren zuzuhalten, um nichts von der Musik zu hören; dabei sah ich mir die Menschen an, die da herumhüpften, und hatte die Empfindung, als ob sie alle toll seien, und endlich musste ich lachen, ich ließ die Hände los, da brauste mir der Walzer seinen vollen Strom ins Gehör. Dann machte ich ein zweites Experiment: ich klappte die Ohren auf und dann wieder zu, so kam ich stückweise zu einer ganz aparten Musik, die ich mir aneinanderrückte, wie eine Harlekinade! So vertrieb ich mir die Zeit! Endlich kam Grunelius, der Lange, und tanzte einen Walzer mit mir, ich aber nicht mit ihm, denn er hielt mich schwebend, und ich kam nicht dazu, eine Fußspitze auf die Erde zu setzen. Zu diesem Kunststück mit mir wie mit einer Porzellanurne herumzutanzen, brauchte er alle Kneifgewalt seiner langen Finger, die er wie Krallen in mich einschlug; denn war ich heruntergefallen, so konnte ich den Hals brechen; da hätte man ihm vielleicht Vorwürfe machen können. Wer war froher als ich, da ich wieder an meinem Platz war!