Lange genutzt – der Brunnen im Bereich der Wüstung Seehausen bei Duttenbrunn
Bei den Grabungen in der Wüstung Seehausen stießen die Ausgrabenden auf einen Typus eines Bodendenkmals, das vom Archäologischen Spessartprojekt e. V. bislang noch nicht untersucht werden konnte.

Die verschiedenen Stadien der Freilegung des Brunnens.
Bald nach 1300 dürfte dort ein steinerner Brunnenschacht angelegt worden sein. Dessen Nutzung reicht zurück bis ins ausgehende 18. Jahrhundert und darüber hinaus. Die ursprünglich von einer Brunnenstube eingehauste Anlage stand später im Zentrum eines größeren Pfostenbaues. Vieles spricht dafür, dass durch den Brunnen das hier weidende Vieh weitab der nächsten Siedlungen mit dem notwendigen Nass versorgt werden konnte.

Luftbild des Brunnens mit ehem. Brunnenhaus (blau) und dessen Rekonstruktion in Anlehung an den Befund vom Kloster Elisabethenzell (Zeichnung Christian Meyer zu Ermgassen, Kellinghusen)
Im Rahmen der Grabungen war es nicht möglich, die ursprüngliche Tiefe des Brunnenschachts zu erschließen. Aussagen waren lediglich darüber zu gewinnen, wie dieser angelegt wurde. Demnach teuften die Erbauer einen mit Holz verschalten Schacht bis auf Höhe des Schichtenwassers ab, das an dieser Stelle bis heute in sechs Meter Tiefe angetroffen wird. Erhaltene Hölzer in der Verfüllung des Brunnens zeigen anschaulich, dass dieser Wasserspiegel seit Anlage der Wasserentnahmestelle bis heute annähernd gleich geblieben ist. Nach Erreichen der Sohle führten die Arbeiter einen runden, etwas kleineren Steinring auf. Dafür türmten sie etwa gleichhohe, an ihrer Stirnseite zugerichtete Kalksteine in horizontalen Lagen aufeinander. Die Steine selbst waren nicht vermörtelt. Ihre Stabilität erhielt die sich nach unten leicht verschmälernde Konstruktion durch das Feststampfen des wieder eingebrachten Aushubs zwischen Steinbering und ursprünglichem Schacht.

Isometrische Ansicht des ergrabenen Brunnenschachts und Funktionsschema der Errichtung eines solchen Brunnens (Zeichnung Christian Meyer zu Ermgassen, Kellinghusen)
Bereits während seiner Aufdeckung im Jahre 2023 wurde deutlich, dass dieses Bauwerk in seiner heutigen Form nichts mit der karolingerzeitlichen Wüstung Seehausen zu tun hatte. Scherben des 9. Jahrhunderts im Umfeld geben allerdings zur Vermutung Anlass, dass an dieser Stelle bereits in der Karolingerzeit Wasser entnommen worden sein dürfte.
Da Errichtung und Form eines solchen Gewerks über die Zeiten hinweg keine Veränderungen erfuhren, sind wir bei der Datierung der Anlage und des Nutzungszeitraums des Brunnens auf Fundstücke angewiesen.
Den terminus post quem, den Zeitpunkt also, an dem der Schacht angelegt wurde, liefern Fundstücke aus der Verfüllung zwischen Schachtwand und Steinbering. Alle von dort stammenden Keramikreste sind reduzierend gebrannten, kleinen Kugeltöpfen zuzuweisen. Töpfereien in Karlstadt und Würzburg, die diese Ware produzierten, waren im 14. Jahrhundert aktiv. Noch genauer, nämlich in das erste Drittel des 14. Jahrhundert, lässt sich der Nutzungszeitraum dieser Ware mit ihren sehr einfach ausgebildeten Rändern durch die Zerstörungshorizonte von 1333 auf der Burg Bartenstein bei Partenstein und vom Kloster Elisabethenzell bei Rieneck eingrenzen. Mit der Errichtung des Schachts wurde demzufolge erst vierhundert Jahre nach Aufgabe des dortigen Königsguts begonnen.
In den folgenden Jahrhunderten ersetzten reduzierend gebrannte Töpfe, anfangs mit scharfkantig profilierten Rändern, die Kugeltöpfe. Anstelle der Wackelböden wurden die Keramiken nun im Fußbereich glatt von der schnell drehenden Töpferscheibe abgeschnitten. Spätestens ab 1400 optimierte man die Dichte der Gefäße durch das inwandige Aufbringen einer grünen oder gelben Glasur. Impulsgeber hierfür waren die Töpfereien in Dieburg bei Frankfurt am Main.
- Tafel 2: Oxidierend gebrannte Topffragmente
- Tafel 3: Oxidierend gebrannte Topffragmente
Als jüngstes Fundstück ist eine Maserholzpfeife anzusprechen. Das mehrteilige Artefakt besteht aus einem Pfeifenrohrendstück in Form eines durchbohrten Hirschgeweihs, dem eigentlichen hölzernen Pfeifenkopf und einer Abdeckung aus Buntmetall zum Schutz vor Funkenflug. Im Pfeifenkopf selbst hatten sich noch Tabakkrümel erhalten. Pfeifen dieser Art kommen erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts auf. Das Stück aus Seehausen bereichert unsere Vorstellung von der Verfüllung des Brunnens um ein weiteres Detail. Aller Wahrscheinlichkeit nach rauchte derjenige, der den Brunnenschacht einebnete, bei dieser Arbeit seine Pfeife. Dabei dürfte diese sich vom Stil gelockert haben und fiel in Gänze in den Schacht – sicher ein herber Verlust für den Eigentümer.

Pfeifenkopf aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, Geweih, Holz, Buntmetall, H. 13.2 cm, Br. 8,7 cm
Aufgrund der unerwartet hohen Wassersäule haben sich in der Brunnenverfüllung auch organische Reste, vor allem Hölzer, erhalten. Hierzu zählen Teile von Daubenschälchen und von hölzernen Eimern. Teile von mittig durchbohrten, dünnen Baumstämmen dürften zu einer hölzernen Steigleitung gehört haben. An ihrem oberen Ende befand sich eine Schwengelpumpe, mit der das Wasser zutage gefördert werden konnte. Zuvor war man auf an einem Seil hängende Eimer angewiesen. Zwei mannsgroße, oben bearbeitete Baumstämme waren ebenfalls in den Brunnenschacht geworfen worden. Da sie das Tiefergehen unmöglich machten, wurden diese am 25. September 2023 mit Hilfe eines Krans an die Oberfläche gebracht. Beide mehr als zwei Meter langen Hölzer sind an ihren oberen Enden gabelartig ausgearbeitet. Größe und Art der Bearbeitung lassen vermuten, dass die beiden Pfosten für die Nutzung ursprünglich in die Erde eingegraben waren. Die Vermutung liegt nahe, dass die hölzernen Gabeln zur Aufnahme eines horizontal angeordneten Holzes gedient und als solche Konstruktion über dem Brunnenschacht gestanden haben dürften. Die beiden Hölzer sind demnach als Haspelbaum anzusprechen. Die ursprünglich ebenfalls hölzerne Winde fehlt.
Die dendrochronologische Analyse durch Georg Brütting aus Ebermannstadt ergab, dass die beiden zugerichteten Hölzer im Winter 1800/01 gefällt wurden. Das Haspelgestänge kann also frühesten 1801 über dem Brunnen errichtet worden sein. Die 74 bzw. 76 Jahresringe erlauben eine sichere Zuweisung.1 Die naturwissenschaftliche Untersuchung lieferte eine unerwartet späte Zeitstellung der Hölzer. Die Kenntnis über das Alter des Haspelbaums hat die Fülle an Fragen, die an den Brunnenschacht zu stellen sind, um eine weitere bereichert. Das bewusste Verwerfen der eichenen Konstruktion spricht dagegen, dass wir hier einen Aufbau vor uns haben, der erst für den Verfüllvorgang notwendig wurde. Vielmehr haben wir es mit einem auf Dauer angelegten, integralen Teil von Schacht und Brunnenstube zu tun. Sie verlor anlässlich der Auflassung der Konstruktion ihre Funktion und wurde folgerichtig im Zuge der Verfüllung in den Schacht geworfen.
Das Zeitfenster zwischen dem Aufstellen des Haspelbaums (nach Frühjahr 1801), dem Einfüllen und dem Zeitpunkt, an dem die Anlage vollständig aus der Landschaft getilgt war, kann höchstens 35 Jahre betragen haben. Auf der Uraufnahme der Landesvermessung von 1836 ist der Schacht nicht mehr vermerkt.
Im ersten Drittel des 14. Jahrhundert wurde mit großem technischem und sicher auch finanziellem Aufwand eine ganzjährige Entnahmestelle für Frischwasser geschaffen. Sie lag weit entfernt von jeder Bebauung. Von Anfang an kamen als Nutzer nur jene Personen infrage, die Zugang zum Brunnenhaus hatten. Zu Beginn recht klein dimensioniert, wurde im Laufe der Zeit über dem Schacht ein ziegelgedecktes Holzgebäude mit einer Giebellänge von mehr als zehn Metern errichtet. Kurz vor dem Verfüllen des Brunnens erfolgte eine Reaktivierung der Anlage durch einen Haspelbaum. Reste einer hölzernen Steigleitung, an deren oberem Ende eine Schwengelpumpe gesessen haben dürfte, lassen vermuten, dass besagte Haspel weniger der Wasserentnahme wegen dort aufgestellt wurde. Eher ist in diesem Zusammenhang an sicher häufig notwenige Reparatur- und Säuberungsarbeiten zu denken.
Harald Rosmanitz, Partenstein, 2025