Der Fundschleier aus der Periode 1 ist vergleichsweise dünn. Dennoch sind auch dort Becherkacheln mit gekniffenem Fuß nachweisbar. Die Nutzung von Kachelöfen auf der Burg Mömbris zeichnet sich im Fundgut durch fünf verschiedene Kacheltypen auf: In der Periode 2 waren Spitzkacheln mit weiter Mündung und Becherkacheln mit glatt abgestrichenem Boden in Gebrauch. Die Fundstücke konzentrierten sich im Bereich der Schmiede (Schnitt 1). Beachtenswert ist die Vergesellschaftung von Spitzkacheln mit Becherkacheln mit glattem Fuß. Es ist davon auszugehen, dass beide Kacheltypen in einem Ofen verbaut waren. Diese Verschneidung konnte im Spessart bislang nur für Mömbris nachgewiesen werden. In der Mitte des 14. Jahrhunderts sind erste Einflüsse der Kachelproduktion aus Dieburg spürbar. Sowohl dort gefertigte hellbrennende Becherkacheln mit weit ausschwingender Mündung, als auch durchweg gelb glasierte Napfkacheln mit reliefiertem Vorsatzblatt waren in einen Ofen im Steinernen Haus verbaut. Die geringe Funddichte spricht dafür, dass archäologisch lediglich eine Ofenreparatur und kein Ofenversturz erschlossen worden sein dürften. Ebenfalls der Periode 3 sind die Überreste eines voll entwickelten Ofens vom Typ Tannenberg zuzuweisen, der im Jahre 1405 beim Niederbrennen des Hauses zerstört wurde. Sein Feuerkasten bestand aus unglasierten Napfkacheln, der Oberofen aus gelb- und grünglasierten Halbzylinderkacheln. Streufunde frühbarocker Blattkacheln mit Tapetendekoren in den humosen Deckschichten auf dem „rechteckigen Burghügel“ zeigen, dass später bei der Gartenbestellung auch Kachelfragmente der angrenzenden Bebauung auf den Hügel verbracht wurden.
Ein besonderes Augenmerk kommt der Raumheizung zu, die im letzten Drittels des 14. Jahrhunderts auf der Burg Mömbris gestanden haben dürfte. Wie schon erwähnt, dürfte sich deren Feuerkasten aus unglasierten Napfkacheln zusammengesetzt haben. Der Oberofen griff die Aufwertung des Hausrates durch allgemein wachsende Schmuckfreude auf. Als idealer Bildträger entstand die Halbzylinderkachel mit reliefiertem Vorsatzblatt. Sie bestehen aus einem auf der Töpferscheibe geformten Halbzylinder. An seiner Vorderseite ist ein modelgepresstes Vorsatzblatt angarniert.1
Reliefierte Nischenkacheln vom Typ Tannenberg sind aufgrund der Nähe zum Fertigungsort Dieburg im Spessart weit verbreitet. Sie fanden sich im Fundgut des Klosterbergs bei Hösbach-Rottenberg2 ebenso wie auf der Burg Mole in Heimbuchenthal3, auf der Burg Wildenstein4 sowie auf der Burg Bartenstein bei Partenstein5. Die Kacheln weisen Schadensbilder auf, die auf Brandzerstörungen zurückzuführen sind. Dabei ist die Glasur blasig aufgeworfen. Dies weist auf hohe Temperaturen bei einem Sekundärbrand hin.
In den Niederlanden, im Großraum Köln, entlang des Rheins und der Unterläufe von Main und Neckar stellen Halbzylinderkacheln vom Typ Tannenberg ein herausragendes Element im Spektrum der dort anzutreffenden, spätmittelalterlichen keramischen Inventare dar.6 Ihre Bedeutung liegt weniger in ihrer Rolle als vermeintliche Leitform zur Datierung oder als Sozialindikator. Mit dieser Kachelart wurde in den genannten Regionen vielmehr der Schritt von den bis dahin größtenteils aus scheibengedrehten Becher- und Spitzkacheln bestehenden Kachelöfen zu hochwertigen, zumindest in Teilen reliefverzierten Raumheizungen in repräsentativen Räumlichkeiten vollständig und konsequent vollzogen. In den archäologisch teiluntersuchten Produktionszentren von Halbzylinderkacheln des Typs Tannenberg in Brühl7, Dieburg, Köln8 und Mayen9 führten gleich mehrere Faktoren zur Serienfertigung der Ofenkeramiken. Im Falle von Dieburg, von wo auch der Burgherr der Burg Mömbris seine Ofenkeramiken bezog, entwickelte sich die Kachelproduktion für die ortsansässigen Töpfereien für die Dauer einer Generation zu einem bedeutenden wirtschaftlichen Standbein aus. Der Transport vom Produzenten zum Endverbraucher erfolgte über die Flusssysteme Rhein und Main. Charakterisiert wird der nach der Burg Tannenberg bei Seeheim-Jugenheim benannte Kacheltypus durch den hell brennenden Ton, durch das reliefierte Vorsatzblatt mit genastem Dreiecksgiebel, sowie durch die holzschnittartigen, stark stilisierten Dekore in den beiden daran anschließenden, oberen Zwickeln. Die Halbzylinderkacheln der Burg Mömbris lassen sich primär der zweiten Dieburger Kachelphase zuweisen. Die Zerstörung von 1405 gibt für das Material von der Burg Mömbris eine noch kürzere Laufzeit vor.
© Harald Rosmanitz, Partenstein 2020
Weiterführende Literatur:
Enders, David; Rosmanitz, Harald (2015): Tatort Burg. Die Ausgrabungen auf der Burg Wildenstein. In: Beiträge zur Archäologie in Ober- und Unterfranken 9, S. 317–352.
Grimm, Gerald Volker (2009): Brühler Ofenkacheln aus dem Mittelalter. Mit einem Beitrag zur Datierung und zur Entwicklung der Verkleidungen vom Typus Burg Tannenberg. In: Bonner Jahrbücher 209, S. 215–238.
Redknap, Mark (1988): Medieval pottery production at Mayen. Recent advances, current problems. In: David R. M. Gaimster, Mark Redknap und Hans-Helmut Wegner (Hg.): Keramik des Mittelalters und der beginnenden Neuzeit im Rheinland. [Medieval and later pottery from the Rhineland and ist markets]. Oxford (BAR international series, 440), S. 3–37.
Redknap, Mark (1999): Die römische und mittelalterliche Töpferei in Mayen. In: Hans-Helmut Wegner (Hg.): Berichte zur Archäologie an Mittelrhein und Mosel 6 (Trierer Zeitschrift für Geschichte und Kunst des Trierer Landes und seiner Nachbargebiete. Beiheft, Beiheft 24), S. 11–402.
Rosmanitz, Harald (2010): Die Niederungsburg „Mole“ bei Heimbuchenthal im Spessart. In: Georg Ulrich Großmann (Hg.): Die Burg zur Zeit der Renaissance. Berlin, München (Forschungen zu Burgen und Schlössern, 13), S. 227–240.
Rosmanitz, Harald (2014): Hösbach-Rottenberg, Lkr. Aschaffenburg, Klosterberg. Maßnahmen-Nr. M-2013-816-1_0. Archäologische Untersuchung. Mai bis Juli 2013. (masch. Manuskript). Partenstein.
Rosmanitz, Harald (2015): Die Ofenkacheln vom Typ Tannenberg. Eine spätgotische Massenproduktion im Spannungsfeld von Produzent und Konsument. In: Stefan Hesse, Tobias Gärtner und Sonja König (Hg.): Von der Weser in die Welt. Festschrift für Hans-Georg Stephan zum 65. Geburtstag. Langenweißbach (Alteuropäische Forschungen, NF 7), S. 355–373.
Rosmanitz, Harald; Bachmann, Sabrina; Geißlinger, Michael (2019): Partenstein, Lkr. Main-Spessart, Burg Bartenstein, Maßnahmen-Nr. M-2016-1339-1 und 2_0. Archäologische Untersuchungen Juli bis November 2016 sowie Mai bis August 2017. (masch. Manuskript). Partenstein.
Rosmanitz, Harald; Reichert, Christine (Hg.) (2014): Eschau, Lkr. Miltenberg, Burg Wildenstein. Maßnahmen-Nr. M-2011-676-1_0. Archäologische Untersuchungen, April/Mai 2011 sowie August bis Oktober 2012. (masch. Manuskript). Partenstein.
Roth Heege, Eva (Hg.) (2012): Ofenkeramik und Kachelofen. Typologie, Terminologie und Rekonstruktion im deutschsprachigen Raum. Basel: Schweizerischer Burgenverein (Schweizer Beiträge zur Kulturgeschichte und Archäologie des Mittelalters, 39).
Unger, Ingeborg (Hg.) (1988): Kölner Ofenkacheln. Die Bestände des Museums für Angewandte Kunst und des Kölnischen Stadtmuseums. Köln.