Wirtschaftshof – Raststation – Präsenz der Obrigkeit
Der Lufthof, 300 Meter über NN auf einem Höhenrücken des Spessart nordwestlich der Gemeinde Dorfprozelten gelegen, ist seit langem bekannt. Die Wurzeln des Wirtschaftshofs bleiben auch nach Abschluss der archäologischen Untersuchungen im Unklaren. Wenige Fragmente glimmerhaltiger Vorspessartware in den unteren Straten geben einen Hinweis darauf, dass an dieser Stelle bereits im letzten Drittel des 13. Jahrhunderts mit einer Bebauung zu rechnen ist. Am 11. November 1329 wird der Hof „zem Lufft“ von den Grafen zu Rieneck dem Deutschen Orden überschrieben (HStA München, Mainzer Urkunden Nr. 646). In diese Zeit ist die Keramik einzuordnen, mit der sich sowohl die Errichtung der steinernen Umfassungsmauer, als auch die des großen Dreikanthofs datieren lässt. Die umfangreichen Arbeiten dürften mit dafür verantwortlich gewesen sein, dass sämtliche Spuren der Vorgängerbesiedlung verschwanden. Die Blütezeit der Anlage endet mit der Übereignung des Hofes an die Collenburger am 3. Januar 1379 (Generallandesarchiv Karlsruhe 69 Rüdt von Collenberg. Urk. Nr. U 21). Spätestens im ersten Drittel des 15. Jahrhunderts verfällt die Außenmauer. Gleiches gilt für die Bebauung im Hofinneren. Bei den Grabungen 2024 konnte die Nachfolgebebauung des 15. Jahrhunderts nicht erschlossen werden. Auf der Pfinzingkarte von 1594 ist auf dem Areal „Zum Lufft“ lediglich ein Gebäude zu sehen. Die Jagdgrenzkarte des Wertheimer Malers Christoff Usslerber aus dem Jahre 1612 gibt uns ein recht anschauliches Bild vom Lufthof. Von einem hölzernen Gatter umgeben, erkennen wir zwei an einem Weg liegende, zweistöckige, ziegelgedeckte Fachwerkgebäude. Eines davon konnte in der nordwestlichen Ecke der Umfassungsmauer ergraben werden. 1635 auf der Geleitstrasse- und Wildfuhrkarte (Staatsarchiv Würzburg, Mainzer Risse und Pläne 270) als blühendes Gemeinwesen wiedergegeben, wird der Lufthof im Jahre 1669 als „vor langer Zeit eingefallen und ganz oeth“ charakterisiert. Dies entspricht dem archäologischen Befund. Das am Ende des 16. Jahrhunderts errichtete Haus war möglicherweise bereits in Folge der Aktivitäten der Schweden in der Region bald nach 1635 dem Verfall überlassen worden. Zwischen 1700 und 1802 war das Areal dann als ganzjährig besiedelter Schafhof in Nutzung. Letztmals rief sich die Anlage, zwischenzeitlich in Besitz des Freistaats Bayern, im Jahre 1924 in Erinnerung. Zum „immerwährenden Gedächtnis der Toten und Vermissten“ errichteten Dorfprozeltener Bürger am Hang südlich des Areals mit den Mauersteinen des Lufthofs eine Kriegergedächtniskapelle. Das Jubiläum dieses Gebäudes, das vom ortsansässigen Heimat- und Geschichtsverein gepflegt wird, bildete den Ausgangspunkt für die Forschungsgrabung des Archäologischen Spessartprojekts e. V. – Unterfränkisches Institut für Kulturlandschaftsforschung an der Universität Würzburgs.
Während der viermonatigen Grabungskampagne wurden von Mitte Juni bis Mitte Oktober auf dem Areal des Lufthofs acht Schnitte mit einer Grundfläche von 288 Quadratmetern angelegt (Abb. 1). Der erfolgreiche Verlauf der Grabung ist nicht zuletzt dem Engagement des Heimat- und Geschichtsvereins Dorfprozelten zu verdanken. Eine maßgebliche Förderung der Forschungsgrabung erfolgte durch die Kulturstiftung des Bezirks Unterfranken. Ohne die ehrenamtlichen Helfer aus den umliegenden Gemeinden wäre es nicht möglich gewesen, in dem vorgegebenen Zeitraum eine so große Fläche ohne den Einsatz von schwerem Gerät intensiv zu untersuchen. Es wurden mehr als 3100 Ehrenamtsstunden geleistet.
Die Dimensionen des Lufthofs erschließen sich am besten im digitalen Geländemodell (DGM). Heute am Schnittpunkt zweier Waldwegen gelegen, zeichnet sich die Umfassungsmauer deutlich ab. Das von ihr trapezförmig eingefasste Areal hat eine Grundfläche von ca. 6400 Quadratmetern. Ebenfalls im DGM zu erkennen sind die Spuren eines darin eingebetteten Dreikanthofs (37 m x 90 m). Auffällig ist ein Teich mit Ablauf westlich der Anlage. Der Wasserversorgung kann weiterhin ein kleiner, südlich vorgelagerter Quellhorizont zugewiesen werden. Über ihm stand ursprünglich eine Brunnenstube. Der Altweg, der von der Collenburg kommend zwischen Teich und westlicher Umfassungsmauer verlief, ist nicht mehr erkennbar. Gleiches gilt für seine Fortsetzung in Richtung Henneburg. Dieser dürfte mit einigem Abstand der nördlichen Umfassungsmauer vorgelagert gewesen sein. Die geostrategische Bedeutung der Anlage auf dem Scheitel eines Höhenrückens erklärt sich, ähnlich dem Priorat Elisabethenzell bei Rieneck, aus dem Vorhandensein von dauerhaft wassergebenden Quellen und der Passage eines bis in das 17. Jahrhundert stark befahrenen, dem Verlauf des Mains zwischen Aschaffenburg und Würzburg folgenden Fernwegs.
Patchwork durch die Zeiten
Den Initiatoren, dem Geschichtsverein und der Gemeinde, ging es darum, detaillierte Informationen über die sich im Gelände deutlich abzeichnenden Bebauungsspuren zu erhalten. Das Areal ist kein eingetragenes Bodendenkmal. In Absprache mit Eigentümer und Denkmalschutz wurde ein Konzept entwickelt, wie in dem dicht bewaldeten Gelände durch minimalinvasive Bodeneingriffe ein Optimum an Erkenntnissen generiert werden konnte. Von Anfang an stand dabei fest, dass die archäologisch untersuchten Flächen nach der Maßnahme wieder in ihren ursprünglichen Zustand zu versetzen waren.
Um einen Überblick über die noch im Boden erhaltenen Strukturen und über die Besiedelungsabfolge zu erhalten, wurde im nördlichen Drittel des Lufthofs auf Höhe der Enden der ursprünglichen Bebauung durch einen Dreikanthof ein knapp 70 Meter langer Schnitt angelegt (Abb. 2). Dabei wurden die Fundamente von zwei Fachwerkhäusern angeschnitten (Schnitt 1b und 1d). Beide waren niedergebrannt. In beiden konnte eine ebenfalls einer Feuersbrunst zum Opfer gefallene Vorgängerbebauung dokumentiert werden. Über Keramik und Ofenkeramik (Abb. 3) lassen sich die Baulichkeiten in die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts datieren. In der jüngsten der beiden Brandschichten im östlichen Hausbefund (Schnitt 1b) konnten, neben den Resten eines Napfkachelofens, mehrere Eisenglocken sowie Hufeisen für Maultiere oder Esel geborgen werden. Gemeinsam in einer Strate liegend kann das ursprünglich darüberstehende Fachwerkhaus als zweigeschossig rekonstruiert werden. Im Erdgeschoss unter der nach Norden weisenden guten Stube befanden sich demnach Stallungen. Beachtenswert ist ein kleines Steinbeil aus Amphibolit (Abb. 4). Auch dieses war in der Brandschicht enthalten. Es ist davon auszugehen, dass das prähistorische Artefakt, ähnlich wie die Stücke von der Ketzelburg bei Haibach und vom Kloster Elisabethenzell bei Rieneck, im Mittelalter vorgeblich als Blitzschutz in das Dachwerk eingebaut waren.
- Abb. 3: Napfkacheln aus Schnitt 1b
- Abb. 4: Steinbeil aus Amphibolit
- Abb. 5: Kanne aus engobiertem Fast-Steinzeug
Der Umfassungsmauer folgend wurden in weiteren, bewuchsfreien Arealen Sondagen angelegt. Dabei konnte der Verlauf des nördlichen und westlichen Segments der 85 cm breiten und ursprünglich knapp drei Meter hohen Umfassungsmauer nachgezeichnet werden. Von ihr haben sich noch bis zu vier Lagen im Boden erhalten. Der Mörtel, der die zweischalige Struktur ursprünglich zusammenhielt, ist vollständig vergangen. Die Keramiken im Bereich der Mauersohle datieren die Errichtung des Gewerks in die Mitte des 14. Jahrhunderts. Ihre Niederlegung ist aufgrund von Fast-Steinzeug aus Dieburg an den Beginn des 15. Jahrhunderts zu terminieren (Abb. 5). Spuren eines bewussten Abrisses fehlen. Es ist davon auszugehen, dass das Mauerwerk über einen längeren Zeitraum hinweg nicht gewartet wurde und dann Stück für Stück einstürzte. Mittig in der nördlichen Umfassungsmauer lag der knapp fünf Meter breite Tordurchlass. Von der Torkonstruktion selbst haben sich die beiden verlagerten Angelsteine erhalten.
Kurz vor Grabungsende konnte noch eine größere Fläche im Bereich der ehemaligen Westecke der Umfassungsmauer untersucht werden (Schnitt 2, Abb. 6). An dieser Stelle wurde die eingestürzte Umfassungsmauer im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts in Teilen als Gründung des steinernen Untergeschosses eines großen Hauses genutzt. Der mehr als zwölf Meter lange Befund (SW nach NO) hatte sich im Aufgehenden noch auf einer Höhe von bis zu 90 cm erhalten. Im Gegensatz zu den anderen untersuchten Flächen waren die Schuttauflagerungen nicht nachträglich glattgezogen beziehungsweise abgetragen worden. Der Fußboden des leicht eingetieften Gebäudes befand sich über einer Lage kleingeschlagener Bieberschwanzziegel. Damit sollte das Eindringen von Schichtenwasser verhindert werden. Geologisch liegt der Lufthof auf geklüftetem Sandstein, dessen untere Lagen seit der Römerzeit als hochwertiger Rohstoff abgebaut und über den Main verhandelt wird. Eine darüberliegende, wasserabweisende Lehmschicht verhindert im Bereich des Lufthofs das Abfließen des Wassers. So tritt dort bereits nach stärkeren Regenereignissen Schichtenwasser zu Tage. Daher sahen die Bewohner des isoliert in einer Rodungsinsel liegenden Gehöfts davon ab, Keller zu errichten. Bei der jüngsten erschlossenen Baustruktur behalf man sich stattdessen mit einem mit steinernen Mauern ausgestatteten Untergeschoss.
Gegen 1635 dürfte die Baulichkeit, ähnlich wie diejenige auf dem Gotthardsberg bei Amorbach oder der Burg Bartenstein bei Partenstein, aufgelassen worden sein. Der Grund dafür ist in der jahrelangen Stationierung schwedischer Truppen in der Festung Hanau zu suchen. Die Versorgung des Heeres war durch weit ausgreifende Raubzüge zu gewährleisten. Der Wirtschaftsbetrieb in schlecht geschützten oder zu verteidigenden Gebäudekomplexen, die zudem auch noch exponiert in der Landschaft lagen oder, an Fernstraßen befindlich, leicht erreicht werden konnten, ließ sich nicht mehr aufrechterhalten. Im Falle des Lufthofs wurde das Hausinventar systematisch zerkleinert und in der nordwestlichen Hausecke aufgetürmt. Trotz ihres fragmentarischen Zustands zeugt das Fundgut mit aufwendig malhorndekorierter Irdenware, reliefierter Ofenkeramik (Abb. 7), importiertem Steinzeig aus dem Westerwald und teils farblosen, modelgeblasenen Flach- und Hohlgläsern von einem an dieser Stelle unerwarteten, hohen Lebensstandard. Nach der Niederlegung dieser Bebauung wurde in den nachfolgenden Jahrhunderten zumindest in dem ehemals umfriedeten Areal kein Versuch mehr unternommen, Häuser zu errichten.
Zwanzig Jahre Forschungsgrabungen
Die Grabung auf dem Lufthof bei Dorfprozelten ist ein Baustein eines nunmehr zwanzigjährigen Forschungsprojekts, bei dem die mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Strukturen des Spessarts an ausgewählten Bodendenkmälern ausschnittsweise untersucht werden. Beispielhaft für vergleichbare Mittelgebirgsregionen sind inzwischen weitreichende, zum Teil sehr detaillierte Aussagen über die Territorialpolitik, die Ökonomie und den Alltag in Dörfern, Burgen und Klöstern möglich. Mit den daraus gewonnenen Erkenntnissen lässt sich der tiefgreifenden Wandel veranschaulichen, dem die Kulturlandschaft Spessart damals unterlag. Im Hinterland der urbanen Ballungszentren Aschaffenburg und Würzburg wurden Nahrungsmittel erzeugt und Rohstoffe abgebaut. In vielen Fällen erfolgte auch deren Verarbeitung. Dies war nur mit einer angemessenen Infrastruktur möglich. Der Gruppe der Wirtschaftshöfe außerhalb von Dörfern, Burgen und Städten hat sich der Fachbereich Archäologie des Archäologischen Spessartprojekts schon vor der Grabung von 2024 angenommen. Dem Priorat Elisabethenzell bei Rieneck (ergraben 2012-16) und den Dörsthöfen bei Aschaffenburg (ergraben 2022) sind ebenso wie dem hier vorgestellten Projekt die infrastrukturellen Rahmenbedingungen gemeinsam, die das Aufrechterhalten dieser Anlagen über längere Zeit hinweg garantierten. Die optimale Anbindung an stark frequentierte Straßen und Wege konnte sich auf die Bewohner im Falle militärisch ausgetragener Konflikte verheerend auswirken. Solche Aktionen gingen fast zwangsläufig mit dem Wüstfallen einher. Nach den Grabungen und den Auswertungen der dabei gewonnenen Erkenntnissen, sowohl die Befunde als auch Funde betreffend, wird als Nächstes zu klären sein, wie sich diese mit der Historie der Region und der umliegenden Burgen im Sinne der Betreiber solcher landwirtschaftlichen Anwesen in Einklang bringen lassen.
Harald Rosmanitz