Der Rand eines großen Kugeltopfes vom "Alten Schloss"
Die Kartierung der "Vorspessartware" belegt die Abhängigkeit ihrer Verbreitung vom Transportweg Main. Die beiden bislang belegten Produktionsorte Dörsthöfe und Seligenstadt hatten unmittelbaren Zugang zu diesem Flussystem. Karte: Jürgen Jung, Spessart-GIS
Die bislang bearbeitete Keramik vom "Alten Schloss" bei Kleinwallstadt gehört zu einem Gutteil der sogenannten Vorspessartware an. Sie Verdeutlicht, dass die Burgstelle in der Mite des 13. Jahrhunderts besiedelt war.

Unter den in den Boden gelangten und dort erhaltenen Gegenständen stellt die Keramik die umfangreichste Fundgruppe dar, da sie im Gegensatz zu anderen Materialien wie Metall, Holz oder Textilien so gut wie unvergänglich ist. Bei der bislang auf dem „Alten Schloss“ gefundenen Keramik handelt es sich in der Mehrzahl um uneinheitlich gebrannte Irdenware aus hell brennendem Ton. Diese findet sich im gesamten westlichen Spessartvorland und ist auch unter dem Begriff „Vorspessartware“ bekannt1. Da der Ton der Vorspessartware nur wenig natürliche Magerungsbestandteile enthält, wurden ihm künstlich Magerungszuschläge in Form von Granitgruß, Quarzkörnchen und Glimmerpartikel zugesetzt. Eine noch ausstehende Analyse dieser Zuschlagstoffe könnte dazu beitragen, das Herstellungsgebiet der Vorspessartware genauer einzugrenzen. Bei der Zerkleinerung des Magerungsmaterials wurde wenig Sorgfalt verwandt. Die Gefäßoberfläche hat daher, bedingt durch hervortretende und ausgefallene Magerungsbestandteile, einen rauen und körnigen Charakter. Fragmente aus den Töpfereien bei Alzenau und in Seligenstadt sprechen dafür, dass die Vorspessartware als lokale Produktion in erster Linie für den Eigenbedarf hergestellt wurde. Ihre Machart ist in der Regel recht grob, doch lassen sich dieser Keramik auch fein gearbeitete Stücke zur Seite stellen.

Die Übernahme von Formen von Keramik aus dem rheinländischen Pingsdorf, die in jener Zeit mit großem Gewinn entlang des Rheins und des Mains gehandelt wurden, spricht dafür, dass man sich – wenn man sich schon nicht das teure Original leisten konnte – zumindest auf den ersten Blick identische „Raubkopien“ auf die heimische Anrichte stellen wollte. Noch wissen wir nicht, wo die Keramik gefertigt wurde, die auf dem „Alten Schloss“ in Gebrauch war. Die Keramiken aus dem Töpferabwurf einer Töpferei aus der Mitte des 13. Jahrhunderts von den Dörsthöfen bei Alzenau weisen zwar auffällige Übereinstimmungen in Form und Proportion auf2. Die Töpferei dürfte jedoch zu klein und zu weit entfernt gewesen sein, um für die Versorgung des Untermains zwischen Miltenberg und Aschaffenburg in Frage zu kommen.

Da der größte Teil der Scherben kleinteilig zerbrochen war, ließ sich die ursprüngliche Gefäßform in der Regel nicht sicher ermitteln. Wie im gesamten deutschen Raum, so war auch auf dem „Alten Schloss“ zwischen 1230 und 1260 das keramische Haushaltsgeschirr recht anspruchslos. Unter dem keramischen Fundgut stehen die Keramikscherben von in der Küche und an der Tafel gebrauchten Töpfen, Krügen und Bechern an erster Stelle. An Gefäßen lassen sich Kugeltöpfe und Tüllenkannen nachweisen. Die Randausformungen der kaum untergliederten Gefäße variieren nur wenig. Bei den Rändern der Kugeltopfkeramik überwiegen mäßig bis stark ausladende, abknickende Randformen mit rundlichem oder kantig abgestrichenem Randabschluss. Daneben treten steilgestellte bis mäßig ausladende, rundlich umbiegende Ränder mit rundlichem oder abgestrichenem Randabschluss sowie schlichte hohlgekehlte Ränder auf. Handhaben sind durch unterrandständige Ösenhenkel vertreten. Ausgießvorrichtungen in Form von Tüllen weisen auf Kugelkannen hin. Verzierungen wie Wellendekore oder Rollrädchenverzierung sind sehr selten. Der Anteil der Kugeltopfwaren an der Geschirrkeramik liegt in Kleinwallstadt bei über 90 Prozent und entspricht damit den Ergebnissen, die man bei der Analyse der etwa fünfzig Jahre älteren Keramik aus Haibach ermitteln konnte3. In Entsprechung zum Fundinventar von der Ketzelburg in Haibach dürfte das Formenspektrum noch um glasierte Irdenware sowie um kleine Kugeltöpfe mit Rollrädchendekor, Furchen- oder Riefenzier auf den Gefäßschultern zu erweitern sein.

Dass die Gefäße vorwiegend als Vorrats- oder Kochtöpfe eingesetzt wurden, belegen Rußspuren auf der Außenwandung. Tüllenkannen und ein rädchenverzierter Trinkbecher legen nahe, dass das Geschirrepertoire auch Schank- und Trinkgefäße enthielt. Die poröse, wasserdurchlässige, aber sehr hitzebeständige Irdenware diente als Kochgeschirr. Kugeltöpfe, die unmittelbar in die Glut bzw. ans Feuer gesetzt wurden, eigneten sich besonders zum Kochen von Eintöpfen und Brei. Die rundlich geschlossene Form speichert die Hitze sehr gut und führt zu erstaunlich kurzen Garzeiten.

Spätestens in der Mitte des 13. Jahrhunderts änderten sich im westlichen Spessart die Gefäßformen grundlegend. Sie lassen sich vergleichsweise leicht von der älteren Vorspessartware unterscheiden. Besonders augenfällig ist dieser Wandel in den nun umgeschlagenen, scharf profilierten Rändern. Die bis dahin gebräuchlichen linsenförmigen Böden werden durch glatt abgestrichene Böden ersetzt4. Der weiß brennende Scherben erhält im reduzierenden Brand eine grau schimmernde Oberfläche. Hinzukommen des Weiteren auch im Scherben gräulich bis schwarze Keramiken sowie Töpfe bei denen ein orangerot bis dunkelrot brennender Ton zum Einsatz kam. Dass auch im „Alten Schloss“ bei Kleinwallstadt in annähernd allen Befundzusammenhängen solche Scherben „neuer Machart“ vorkommen, lässt Rückschlüsse auf den Zeitpunkt der Besiedlung der Burgstelle zu. Er kann in das zweite Drittel des 13. Jahrhunderts gelegt werden.

Rand eines kugeligen Kochtopfes der sogenannten "Vorspessartware"
Rand eines kugeligen Kochtopfes der sogenannten "Vorspessartware" (von oben)
Rand eines kugeligen Kochtopfes der sogenannten "Vorspessartware"
Rand eines kugeligen Kochtopfes der sogenannten "Vorspessartware" (von oben)
Dieser Rand eines kugeligen Kochtopfes mit kantig abgesetzter Mündung kann ebenfalls der "Vorspessartware" zugeordnet werden.
Innenseite desselben Randstücks
Vergleichsweise selten fanden sich Trinkbecher. Dieses Fragment trägt auf seinem Bauch eine Verzierung in Form eines gitterförmigen Rollstempels.
Innenseite des Trinkbecher-Randstücks
Etwa ein Drittel des keramischen Fundgutes besteht aus reduzierend gebrannter Irdenware.
Das Randstück der reduzierend gebrannten Ware von oben
Boden eines reduzierend gebrannten Topfes
Boden eines reduzierend gebrannten Topfes (Innenseite)

Eine erste Durchsicht der Knochen lässt zusätzlich zum Geschirrepertoire weitere Rückschlüsse darauf zu, was bei den Burgbewohnern auf den Tisch kam: Dem verschwindend geringer Prozentsatz der Knochen von Wildtieren nach muss die Jagd weniger der Nahrungsbeschaffung als standesbewusster Zerstreuung gedient haben. Wesentlich ist neben einer Vielzahl von Schweine- der hohe Anteil an Schafknochen. Das Schaf hielt die Hänge um die Burg herum von Bewuchs frei, lieferte Milch und Wolle und bereicherte ganz zuletzt auch noch den Speiseplan.

Randstück mit Henkel einer Grape vom "Alten Schloss"Die Mehrzahl der Kochgefäße auf dem „Alten Schloss“ in Kleinwallstadt bestand aus Keramik, obwohl man bereits für das 13. Jahrhundert davon ausgehen kann, dass auch bronzene und gusseiserne Töpfe und Pfannen auf der Burg im Einsatz waren. Die Fragmente von zwei reduzierend gebrannten Grapen stehen sozusagen zwischen der keramischen und metallenen Form. Sie stammen aus Schnitt 8. Mit Grapen bezeichnet man dreibeinige, annähernd kugelförmige Gefäße aus Keramik oder aus Metall. Dabei sind die buntmetallenen Gefäße unter den Bodenfunden recht selten, da sie aufgrund ihres Materialwertes recycelt wurden und so erst gar nicht oder nur selten in den Boden gelangten. Die Form des Grapens aus Keramik mit seinen drei Beinen ist bereits für das 13. Jahrhundert mehrfach nachgewiesen und wurde im Rhein-Main-Raum bis ins 17. Jahrhundert unter Veränderung verschiedener Einzelformen beibehalten. Boden und Fuß derselben Grape vom "Alten Schloss"Die Grapenfüße wurden dabei deutlich länger und schmaler; die kugelige Form des Gefäßkörpers wurde von flachbödigen Exemplaren abgelöst. Wie ihre metallenen Pendants fanden auch die keramischen Grapen in der Küche Verwendung: Mit ihren kurzen drei Beinen wurden sie auf die noch heiße Glut gestellt und eigneten sich vorzüglich zum Garen und Aufwärmen von Speisen. Gleichzeitig konnte man die Gefäße an ihren Henkeln vom Feuer nehmen und sie vergleichsweise unproblematisch auch zum Auftragen von Speisen bei Tisch nutzen5.

Weiterführende Literatur:

G. Isenberg, H.-W. Peine, Was sucht das Gold im Schlamm? Archäologische Spurensuche in der Mindener Bäckerstraße (Minden 1998).
Christof Krauskopf, …davon nur noch wenige rutera zu sehen seyn sollen … Archäologische Ausgrabungen in der Burgruine Schnellerts. Kultur und Lebensformen in Mittelalter und Neuzeit 1 (Bamberg 1995).
Harald Rosmanitz, Töpfe massenhaft, in: Harald Rosmanitz (Hg.), Die Ketzelburg in Haibach (Neustadt a. d. Aisch 2006), 75-83.
S. E. van der Leeuw, Medieval Pottery from Haarlem: a Model, in: Rotterdam Papers II. A Contribution to Medieval Archaeology (Rotterdam 1975), S. 67ff.
Ludwig Wamser, Befestigte Anlagen des frühen bis späten Mittelalters in den Ruinen des Römerkastells Miltenberg-Altstadt, in: Horst Wolfgang Böhme (Hg.), Burgen der Salierzeit, Teil 2. In den südlichen Landschaften des Reiches (Sigmaringen 1991), S. 235ff.
Magnus Wintergerst, Hoch- und spätmittelalterliche Keramik aus der Altstadt Frankfurt am Main. Schriften des Archäologischen Museums Frankfurt 18 (Frankfurt a. Main 2002).

  1. Krauskopf 1995, 39f; Wintergest 2002, 77f
  2. Rosmanitz 2006, 81f
  3. Rosmanitz 2006, 75ff
  4. Wamser 1991, 239, Abb. 2.16-40; Van der Leeuw 1975, 80, bes. Fig. 20
  5. Isenberg/Peine 1998, 23