Die wenigen glasierten Keramikfragment vom "Alten Schloss" lassen sich als Teile eines Aquamaniles ansprechen.
Einige der Fragmente ließen sich zusammensetzen.
Die Innenseite des Aquamaniles ist unglasiert.
Dieses weitgehend erhaltene, grün glasierte Aquamanile aus Offenburg gibt uns eine Vorstellung davon, wie das Gießgefäß vom "Alten Schloss" ursprünglich ausgesehen haben dürfte.

Die in einer Schuttschicht in Schnitt 8 auf dem „Alten Schloss“ in Kleinwallstadt geborgenen Fragmente eines Aquamaniles1 zählen zu den ältesten erhaltenen glasierten Keramiken am Untermain.

Damit erweisen sie sich im Vergleich mit dem sonstigen, inzwischen mehrere tausend Scherben umfassenden keramischen Inventar der Burgstelle als Sonderfall, sind doch sämtliche andere bislang dort geborgenen Geschirr- und Kachelfragmente unglasiert. Zwar setzte im Laufe des 13. Jahrhunderts auch in Südwestdeutschland die Technik der Bleiglasur ein. Sie blieb allerding auf besondere Geschirre wie Aquamanilen und Spielzeug beschränkt. Der späteren, fast durchgängigen Verwendung von Glasuren zur Abdichtung von keramischem Geschirr ging eine Phase voran, in der die Glasur ausschließlich zur Verzierung eingesetzt wurde. Wie unausgereift und damit kompliziert die Herstellung eines glasierten Stückes war, zeigt die Analyse des Kleinwallstädter Fragmentes. Dieses wurde gleich zwei Mal gebrannt. Zuerst als noch unglasiertes Stück in reduzierender Ofenatmosphäre und später, nach dem Auftragen deiner hell brennenden Engobe und des Glasurüberzuges, ein zweites Mal in einem dann wahrscheinlich niedriger temperierten, zweiten Brennvorgang. Das umständliche und energieintensive Verfahren war notwendig, um die Leuchtkraft der grünen Glasur in der gewünschten Weise zur Geltung zu bringen. Eine solche Herstellungstechnik dürfte sicher nicht jedem ortsansässigem Hafner vertraut gewesen sein. Man kann daher im Falle von Kleinwallstadt davon ausgehen, dass dieses Aquamanile als hochpreisiger Luxusartikel auf einem der überregionalen Märkte in Aschaffenburg, Frankfurt oder Würzburg erworben wurde.

Das gute Stück ist der letzte Rest eines Gießgefäßes aus Keramik, eines Aquamanile (von lat. aqua: Wasser, manus: Hand, also Gefäße zur Handwaschung). Sie lösen die bis dahin gebräuchlichen Kannen ab. Wahrscheinlich lässt sich die Form der metallenen Aquamanilen von ähnlich gebildeten islamischen Tierbronzen ableiten. Die islamischen Bronzen gelangten im Zeitalter der Kreuzzüge, durch Kreuzfahrer und Kauf­leute, in das Abendland. Indiz dafür ist das Auftreten der Aquamanilen hier erst im 12. Jahrhundert, also nach dem ersten Kreuzzug (1096). Auch die Vorbilder für die keramischen Formen muss man außerhalb Europas, im ostmittelmeerischen Gebiet, suchen. Keramische figürliche Gießgefäße sind in der islamischen, byzantinischen und koptischen Welt über große Zeiträume hinweg zu finden. In England, wo auch im frühen Auftre­ten von Glasuren byzantinische Verbindungen nachzuweisen sind, sind schon sehr frühe glasierte Aquamanilen aus Ton nachgewiesen. Es könnte sein, dass der bemerkenswerte Zusammenhang zwischen frühem Auf­treten von Glasur und Gießgefäßen auch bei uns auf kulturelle Einflüsse aus dem byzantinischen Raum hindeutet.

Bei der Darstellung der Händewaschung auf den im 12. Jahrhundert entstandenen Fresken von San Isidoro in León (E) kommt anstelle eines Aquamanile ein gießkannenartiges Gefäß zum Einsatz.

Bei der Darstellung der Händewaschung auf den im 12. Jahrhundert entstandenen Fresken von San Isidoro in León (E) kommt anstelle eines Aquamanile ein gießkannenartiges Gefäß zum Einsatz.

Durch seine freiplastische Gestaltung ahmt das in seiner Grundstruktur auf der schnell drehenden Töpferscheibe gefertigte Gefäß aus Kleinwallstadt zeitgleiche Aquamanilen aus Metall nach. Dafür spricht auch der Auftrag einer grünen Glasur, mit der zumindest in Ansätzen das Reflektieren eines entsprechenden Gefäßes aus Bronze oder Messing nachempfunden werden konnte.

Die Aquamanilen aus Keramik, die noch längst nicht alle publiziert sind und deren Zahl durch zahlreiche Neufunde stetig ansteigt, haben das Wissen um die Verwendung der figürlichen Gießgefäße erheblich erweitert. Soweit durch die Fundumstände er­kennbar, sind fast alle diese Keramiken dem Bereich des Hausrats zuzuordnen. Unter den Fundorten überwiegen Burgen und Städte. Aus Klöstern stammende Exemplare lassen sich ebenfalls dem Wohn- und Aufenthaltsbereich innerhalb der Klausur zuordnen, nicht der Kirche.

Leider lässt das Kleinwallstädter Fragment kaum Rückschlüsse darüber zu, in welcher Form sich das Aquamanile ursprünglich den Betrachter darbot. Dem profanen Verwendungsbereich entspräche am ehesten die Darstellung eines Ritters zu Pferde. Sie bildet die mit Abstand größte Motivgruppe unter den keramischen Gießgefäßen. Höfische Lebensformen, wozu die zeichenhafte Reinigungshandlung des Händewaschens gehört, und das Idealbild des gerüsteten Ritters besaßen auch außerhalb der Höfe im städtischen Bürgertum, unter Klosterinsassen und selbst auf dem Land Vorbildfunktion. Vor dem Hintergrund der ansonsten sozial wenig differenzierten Sachkultur des Mittelalters darf die figürliche Gestaltung eines Gießgefäßes, auch wenn sie bescheiden ausfällt, als eine bewusste, aufwändige, zeichenhaft gemeinte Nachahmung höfischer Lebensart interpretiert werden.

Weiterführende Literatur:

Uwe Gross, Mittelalterliche Keramik zwischen Neckarmündung und Schwäbischer Alb. Forschungen und Berichte der Archäologie des Mittelalters in Baden-Württemberg 12 (Stuttgart 1991), S. 111-113.
Michael Hütt, „Quem lavat unda foris …“. Aquamanilien. Gebrauch und Form (Mainz 1993).
Eberhard Kasten, Tönerne figürliche Gießgefäße des Mittelalters in Mitteleuropa. Arbeits- und Forschungsbereichte zur Sächsischen Bodendenkmalpflege 20/21 (1976), S. 387-558.

  1. Von dem Aquamanile haben sich ca. 10% erhalten. Das größte Fragment hat eine Höhe von 3,5cm, eine Breite von 2,8cm und eine Tiefe von 4,0cm. Vergleiche formal dazu Gross 1991, S. 111ff; Hütt 1993; Kasten 1976, S. 387ff.