Aus dem keramischen Fundmaterial stechen mindestens zwei zoomorphe Objekte heraus. Die braun oder grün glasierten Fragmente lassen sich über ein ähnliches Stück vom „Alten Schloss“ in Kleinwallstadt[1] pferdeförmigen Aquamanilen zuweisen. Die importierte Sonderform setzt sich durch ihre Glasur vom übrigen Koch- und Schankgeschirr ab. Der späteren, fast durchgängigen Verwendung von Glasuren zur Abdichtung von keramischem Geschirr ging eine Phase voran, in der die Glasur ausschließlich zur Verzierung eingesetzt wurde. Die Herstellung solcher Keramiken war kompliziert und sicher nicht jedem ortsansässigem Hafner vertraut. Man kann daher im Falle der Fundstücke von der Burg Wahlmich davon ausgehen, dass die dort zum Einsatz gekommenen Aquamanile als hochpreisige Luxusartikel auf einem der überregionalen Märkte in Aschaffenburg, Frankfurt oder Würzburg erworben wurden.



Aquamanile (von lat. aqua: Wasser, manus: Hand, also Gefäße zur Handwaschung) lösten die bis dahin gebräuchlichen Kannen bzw. Hebekannen ab. Wahrscheinlich lässt sich die Form der metallenen Aquamanilen von ähnlich gebildeten islamischen Tierbronzen ableiten. Die islamischen Bronzen gelangten im Zeitalter der Kreuzzüge, durch Kreuzfahrer und Kaufleute, in das Abendland. Indiz dafür ist das Auftreten der Aquamanilen hier erst im 12. Jahrhundert, also nach dem ersten Kreuzzug (1096). Auch die Vorbilder für die keramischen Formen muss man außerhalb Europas, im ostmittelmeerischen Gebiet, suchen. Keramische figürliche Gießgefäße sind in der islamischen, byzantinischen und koptischen Welt über große Zeiträume hinweg zu finden. In England, wo auch im frühen Auftreten von Glasuren byzantinische Verbindungen nachzuweisen sind, sind schon sehr frühe glasierte Aquamanilen aus Ton nachgewiesen. Es könnte sein, dass der bemerkenswerte Zusammenhang zwischen frühem Auftreten von Glasur und Gießgefäßen auch bei uns auf kulturelle Einflüsse aus dem byzantinischen Raum hindeutet. Durch die freiplastische Gestaltung ahmen die in ihrer Grundstruktur auf der schnell drehenden Töpferscheibe gefertigten Gefäße zeitgleiche Aquamanilen aus Metall nach. Dafür spricht die braun-gelben Glasur, mit der zumindest in Ansätzen das Reflektieren eines entsprechenden Gefäßes aus Bronze oder Messing nachempfunden werden konnte.

Die Aquamanilen aus Keramik, die noch längst nicht alle publiziert sind und deren Zahl durch zahlreiche Neufunde stetig ansteigt, haben das Wissen um die Verwendung der figürlichen Gießgefäße erheblich erweitert. Fragmente vergleichbarer Gefäße sind inzwischen auf sechs Grabungen des Archäologischen Spessartprojekts vertreten. Neben der Burg Wahlmich, dem Kloster Elisabethenzell und dem „Alten Schloss“ bei Kleinwallstadt sind die Burgen bei Partenstein und bei Eschau ebenso zu erwähnen wie der Gotthardsberg bei Amorbach. Die Aquamanilen bildeten an allen genannten Fundstellen einen festen Bestandteil des repräsentativen Auftretens des Hausherrn. Vor dem Hintergrund der ansonsten sozial wenig differenzierten Sachkultur des Mittelalters darf die figürliche Gestaltung eines Gießgefäßes, auch wenn sie bescheiden ausfällt, als eine bewusste, aufwendige, zeichenhaft gemeinte Nachahmung höfischer Lebensart interpretiert werden.

Aufgrund ihrer kleinteiligen Erhaltung im mehrfach verlagerten Brandschutt der Burg lassen die Waldaschaffer Fragmente kaum Rückschlüsse darüber zu, in welcher Form sich die Aquamanilen ursprünglich dem Betrachter darboten.

 

 

Harald Rosmanitz, Partenstein 2018


Anmerkungen

[1] Vgl. Harald Rosmanitz, Burgenforschung im Spessart. Das „Alte Schloss“ in Kleinwallstadt, in: Beiträge zur Archäologie in Unterfranken (2009), S. 243–286., bes. S. 276-278.