Vor den Grabungen 2016 vermutete man, dass das ursprüngliche Aussehen der Burg Wahlmich sich nur geringfügig von der Ketzelburg in Haibach unterschied.Bis zu Beginn der Ausgrabungen im Jahr 2016 stand die Burg Wahlmich nicht im Fokus der der Wissenschaft. Im Gegenteil: Die Forschungsgeschichte der Anlage ist im Vergleich zu anderen Burgen der Region als dünn zu bezeichnen. Selbst in der Reihe „Die Kunstdenkmäler von Unterfranken“[1], in der am Anfang des 20. Jahrhunderts systematisch alle bekannten Denkmäler Unterfrankens erfasst und beschrieben wurden, findet die Wahlmich mit keinem Wort Erwähnung. Und das, obwohl auch ein Eintrag der Gemeinde Waldaschaff mit der katholischen Pfarrkirche St. Michael und dem „Armenhaus“, einem ehemaligen Hof der Herren von Hettersdorf, gewidmet ist.[2] Auch das Schloss Weiler, dass in engem Bezug zur Wahlmich steht, wird gesondert abgehandelt.[3]

Der Einzige, der wirklich direkt auf die Burg selbst eingeht ist der Heimatforscher Wilhelm Büttner, der Anfang der 60er Jahre eine umfassende Ortschronik vorlegte.[4] Er zitiert dabei u.a. auch Quellen, die in der heutigen Forschung nicht mehr nachvollziehbar bzw. als nicht voll glaubwürdig gelten wie die s.g. „Kittel‘sche Zettelsammlung“.[5] Dennoch sind seine Angaben als alleinige Beschäftigung mit der Wahlmich zu berücksichtigen und aufzuführen.

So waren die Bewohner der Wahlmich aller Wahrscheinlichkeit nach die Herren von Weiler, die als Vasallen im Dienst der Grafen von Rieneck standen und diesen unter anderem auch auf ihrer Burg Wildenstein bei Eschau dienten.[6]

Im 12. und 13. Jahrhundert sind die Herren von Weiler Vasallen der Grafen von Reineck im oberen Aschafftal. „Im Südwesten des heutigen Dorfes Waldaschaff“ errichten sie ihre „Wilerburg“[7] genannte Stammburg, die so auf rienecksche Initiative zurückgeführt wird, „wenn sie nicht geradezu ihr Werk ist„.  Im direkten Umfeld der Weilerburg lassen die Rienecker den Wald roden um Platz zu schaffen für neue Siedler. Es entstehen Höfe unterhalb der Burg, am Sülzberg, sowie der Hockenhof und eine Mühle als „selbstverständliche Einrichtung einer Burg“ als westliche Abgrenzung des Dorfes Waldaschaff.[8]

Nach dem Aussterben der Rienecker im Jahr 1559 ging ihre gesamte Lehnsherrlichkeit auf das Erzbistum Mainz über. Dieses hatte aber auch schon davor Lehnsrechte in der Umgebung der Wahlmich.[9] Über die genaue Lage des Stammsitzes der Herren von Weiler gibt es jedoch keinerlei bisher bekannte Aufzeichnungen.[10] Erwähnt wird nur, dass im Jahr 1286 Gernod von Wyler dieses Stammschloss bewohnte[11] zusammen mit seiner Frau Alheidis und der Tochter Lisa.[12] Die weiteren Nennungen des Geschlechts beziehen sich nicht mehr direkt auf ihren Wohnort.[13] Einzig in der beschriebenen Kittel‘schen Zettelsammlung wird ein Hinweis auf die Lage gegeben:

 „Das Stammschloß der Herren von Weiler liegt an der Rückwand des Kaylbergs in der Keul, führt den Namen Wilburg und ist wahrscheinlich im Bauernkrieg zerstört worden. Der Bezirk dieser Burgruine gehört noch zu Weiler und wird von den Hofbauern im Hockenhof benützt; daselbst sind schon unterschiedliche Waffen und dergleichen gefunden worden.“[14]

 Zerstört worden sein soll die Burg durch Brandfackeln im Bauernkrieg, der im Spessart um das Jahr 1525 wütete.[15] Die Anlage wurde an dieser Stelle nicht wiedererrichtet, sondern „(…) die Herren von Weiler [bauten] etwa 300 Schritte aufwärts gegen den Berg von Weiler ein anderes Schloss.“[16]

In den 1660er Jahren wurde dann das „Neue Schloss“ errichtet[17], dass bis heute südlich der Zufahrtsstraße nach Waldaschaff im Tal liegt. Die bestehende Anlage wurde im Stil der Spätrenaissance errichtet.[18] Dieser Standortwechsel entsprach durchaus dem allgemeinen Trend, die Burgen aus ihren höheren und sicheren Lagen in die Täler zu verlegen und somit leichter erreichbar zu machen.

Der archäologische Forschungsstand vor den Grabungen 2016

Über den Burgstall Wahlmich sind keinerlei archäologische Untersuchungen bekannt, auch nicht in den Ortsakten des Bayrischen Landesamtes für Denkmalpflege[19]. Dort lassen sich nur einige wenige Aktennotizen finden: Die früheste stammt aus dem Jahre 1871 und beschreibt nur das Vorhandensein eines Burgstalls mit „Resten von Grundmauern und Wallanlagen“ und dessen derzeitigen Besitzer.[20] Weitere Informationen erhält man erst aus einem Bericht vom 31. Mai 1954: Im Zuge einer Wirtschaftsplanung wird die Wahlmich besichtigt und beschrieben. Laut diesem Bericht soll bis 1866 noch ein Turm aufrecht gestanden haben. Zerstört worden sein soll er im gleichen Jahr: In den Ruinen der Wahlmich hatte sich bayrisches Militär verschanzt, welches durch die preußische Artillerie von der gegenüberliegenden Talseite aus beschossen wurde. Im Zuge dieses Beschusses stützte der Turm ein und seine Substanz wurde wohl von den Bauern der Umgebung als Baumaterial abtransportiert. Aus welcher Quelle er diese Informationen bezieht, erwähnt der Verfasser nicht. Die Beschreibung bezieht sich allerdings auf einen von ihm geschilderten „lunett-ähnlichen Graben“ am kurvigen Nord­ende der Anlage, 3 m über dem vorbeilaufenden Rinnsal. Sein Aushub wurde wohl als Brustwehr auf der Schachtung der Nordwand aufgelagert.[21] Dieser Eingriff in die Burgsubstanz ist heute noch an der Nordseite des Hanges gut erkennbar. Ein über Funde gesicherter Zusammenhang mit den Kriegsereignissen von 1866 ließ sich jedoch nicht herstellen. Und auch in der Ortschronik werden „Brandspuren tragende Mauerreste“ erwähnt die in dieser Zeit noch sichtbar gewesen sein müssen.[22]

 

Anmerkungen:

[1] Adolf Feulner, Bernh. Hermann Röttger, Max Kaufmann, Georg Loesti, Die Kunstdenkmäler von Unterfranken. Bezirksamt Aschaffenburg, Bd. 3, (Die Kunstdenkmäler von Bayern) München 1927.

[2] Feulner, Röttger, Kaufmann, Loesti (wie Anm. 1), S. 141-142

[3] Feulner, Röttger, Kaufmann, Loesti (wie Anm. 1), S. 145

[4] Wilhelm Büttner, Geschichte des Dorfes Waldaschaff und der Pfarrei Keilberg, Aschaffenburg 1961.

[5] Unter der Bezeichnung „Kittel‘sche Zettelsammlung“ werden die handschriftlichen Aufzeichnungen des Martin Balduin Kittel aus dem 19. Jahrhundert zusammengefasst. Obwohl Kittel den Doktortitel der Medizin trug, ist er heute eher als Geologe und Lokalhistoriker bekannt. Seine vielseitige Begabung schlug sich in zahlreichen literarischen Werken nieder. Deshalb wird er auch gerne als der „bedeutendste Geschichtsschreiber Aschaffenburgs“ bezeichnet. Kittel schöpfte bei seiner Beschäftigung mit der Lokalgeschichte aus einem Fundus an Quellen, der inzwischen aus verschiedenen Gründen nicht mehr in diesem Umfang zur Verfügung steht. Das größte Problem besteht jedoch darin, dass Kittel grundsätzlich keine Quellen angibt. Es lässt sich also nicht mehr nachvollziehen, aus welchen Archivalien er seine verschiedenen Informationen zusammengetragen hatte und somit auch nicht, inwieweit die Aussagen der Wahrheit entsprechen. Die „Kittel‘sche Zettelsammlung“ kann deshalb nicht als seriöse Quelle in Betracht gezogen werden (Lorenz Kemethmüller, Die Ketzelburg in alten Quellen, in: Harald Rosmanitz (Hg.), Die Ketzelburg in Haibach. Eine archäologisch-historische Spurensuche, Neustadt a. d. Aisch 2006, S. 33–44., S. 36-37).

[6] Büttner (wie Anm. 4), S. 39.

[7] Der Argumentation Büttners folgend wäre die Burg Wahlmich als „Weilerburg“ zu bezeichnen. Büttner bleibt allerdings mit Fußnotenteil den auf Archivalien gestützten Nachweis der entsprechenden Zuweisung schuldig. Daher wird die Anlage derzeit in Anlehnung an den Gewannnamen, auf dem sich das Bodendenkmal befindet, als Burg „Wahlmich“ bezeichnet. Eine Verfestigung der „Weilerburg“ erfolgte in einem Aufsatz des o.g. Autors aus dem Jahre 1967 Wilhelm Büttner, Die Weilerburg bei Waldaschaff, in: Spessart 12 (1967), S. 9–11).

[8] Büttner (wie Anm. 4), S. 21.

[9] Büttner (wie Anm. 4), S. 41.

[10] Büttner (wie Anm. 4), S. 39.

[11] Büttner (wie Anm. 4), S. 40.

[12] Feulner, Röttger, Kaufmann, Loesti (wie Anm. 1), S. 145

[13] Nennungen in Urkunden des Klosters Schmerlenbach, u.a. in den Jahren 1331, um 1435, 1544, 1572 (Feulner, Röttger, Kaufmann, Loesti (wie Anm. 1), S. 145)

[14] Notiz aus dem Pfarrarchiv Keilberg, zitiert in Büttner (wie Anm. 4), S. 39.

[15] Büttner (wie Anm. 4), S. 159.

[16] Notiz aus dem Pfarrarchiv Keilberg, zitiert in Büttner (wie Anm. 4), S. 42.

[17] Büttner (wie Anm. 4), S. 42.

[18] Feulner, Röttger, Kaufmann, Loesti (wie Anm. 1), S. 145.

[19] Ortsakten Nr. 6021-29, BLfD.

[20] Aktenvermerk Schwarz vom 01.08.1955, Ortsakten Nr. 6021-29, BLfD.

[21] Aktenvermerk vom 31.05.1954; Ortsakten Nr. 6021-29, BLfD.

[22] Büttner (wie Anm. 48), S. 39.

 

Weiterführende Literatur

Wilhelm Büttner, Geschichte des Dorfes Waldaschaff und der Pfarrei Keilberg, Aschaffenburg 1961.

Wilhelm Büttner, Die Weilerburg bei Waldaschaff, in: Spessart 12 (1967), S. 9–11.

Christine Engler, Keine Burg weit und breit? Die Burgenlandschaft des westlichen Spessart vom 12. bis 14. Jahrhundert. Masch. Magisterarbeit, Bamberg 2009.

Adolf Feulner, Bernh. Hermann Röttger, Max Kaufmann, Georg Loesti, Die Kunstdenkmäler von Unterfranken. Bezirksamt Aschaffenburg, Bd. 3, (Die Kunstdenkmäler von Bayern) München 1927.

Lorenz Kemethmüller, Die Ketzelburg in alten Quellen, in: Harald Rosmanitz (Hg.), Die Ketzelburg in Haibach. Eine archäologisch-historische Spurensuche, Neustadt a. d. Aisch 2006, S. 33–44.


© Christine Reichert, Mainaschaff & Harald Rosmanitz, Partenstein 2017