Ein Reisesouvenir mit besonderen Garantien

Das auf der Burg Wildenstein gefundene Pilgerzeichen stellt eine Madonna dar und steckte ursprünglich in diesem hochovalen Medaillon.

Bis zur Reformation – und in Südwestdeuschland noch lange danach – haben Pilgerreisen im Leben des Menschen eine Rolle gespielt, die wir uns heute kaum groß genug vorstellen können. Ihre Wirkung beschränkte sich keineswegs auf die Frömmigkeit. Die Pilgerfahrt war vielmehr oft der einzige Anlass, zu reisen und fremde Länder kennenzulernen. Als sichtbares Zeichen der Wallfahrt brachte man kleine Bleireliefs mit, die man – wie in Wildenstein – durch ein Amulett fassen ließ und um den Hals trug. Häufig nähte man sie an Hüte oder auf Mäntel. Nicht selten gab man die Pilgerzeichen dem Verstorbenen auf seinem Weg ins Jenseits mit.

Pilgerzeichen geben wichtige Hinweise auf die damals beliebten und zueinander in Konkurrenz stehenden Pilgerziele, auf Pilgerwege und Reisegewohnheiten. Sie bieten zudem wichtige Aussagen zur Volksfrömmigkeit, zu abergläubischen, magischen und volksmedizinischen Praktiken. Das Wildensteiner Pilgerzeichen zeigt eine Madonna in barocker Tracht. Es gehört damit in die Tradition der Wallfahrt zu nahe gelegenen, insbesondere marianischen Gnadenorten, wie sie mit dem Konzil von Trient, dem Tridentinum erst voll entwickelt wurde.

Hinter den Pilgerzeichen verbirgt sich eine ganze Tourismusindustrie. Alleine ihre Herstellung und Vermarktung garantierte hunderten von Menschen Lohn und Brot. Das Pilgerzeichen ist Teil einer groß angelegten Kampagne zur Schaffung und Wahrung eines Standortvorteils, dem man vielerorts auch durch die Errichtung prächtiger Gebäude Rechnung trug. Nur so konnten Bauwerke entstehen wie der Kölner Dom, Vierzehnheilige oder die Grabeskirche zu Jerusalem.

Dass die Pilgerzeichen aus einer vergleichsweise billigen Blei-Zinn-Mischung gefertigt wurden, hängt übrigens nicht nur von ihrem Verkauf als Massenprodukt ab. Vielmehr gab schon Ludwig XI. von Frankreich den bleiernen Abzeichen aus Demut vor dem Herren den prächtigen Ausformungen in Silber oder gar Gold den Vorzug. Als sichtbare Zeichen des Pilgerstandes halfen sie ihren Trägern, Beschwernisse und Gefahren der Reise besser zu bestehen, boten auf unsicheren Straßen und zu Fehdezeiten einen gewissen, freilich nur unverbindlichen Schutz.

Durch Kontakt mit der Reliquie am Pilgerort hatten sie Heils- und Segnungskräfte gewonnen. Später wurden sie an Gandenbildern oder in der heimischen Kirche angebracht. Aber auch im Haus, an der Betstelle, über der Stalltüre oder im Felde gegen Unkraut und Ungeziefer vergraben sollten sie das Böse abwehren. In Krankheitsfällen tauchte man die Pilgerzeichen in Wasser oder Wein, die man dann als Medizin verabreichte, oder man brachte sie unmittelbar mit dem erkrankten Körperteil in Berührung. Der Gaube an die im Pilgerzeichen innenwohnende Heilkraft geht sogar so weit, dass man sie im Abguss auf Kirchenglocken anbrachte.