Die Stadt Steinau an der Straße liegt im oberen Kinzigtal zwischen Schlüchtern und Bad-Soden/Salmünster, die ebenfalls den Stadtstatus besitzen. Nach der Gebietsreform in den 1970er Jahren wurden zahlreiche Gemeinden und Weiler den zentralen Orten zugeschlagen. Wie alle Kommunen im Kinzigtal besitzt auch Steinau an der Straße Stadtteile im südlich gelegenen Spessart, wie auch im nördlich gelegenen Vogelsberg. Bisweilen sind die zugehörigen Siedlungen relativ weit vom zentralen Ort entfernt und wie im Bereich des Joßgrundes orographisch und letztlich auch verkehrs- und wirtschaftsgeographisch vom jeweiligen Hauptort abgelegen.

Die archäologische Grabung an der Wüstung Stubbach liegt im Gemarkungsgebiet des Stadtteils Ulmbach. Dieser liegt ca. 6 km nördlich von Steinau im Bereich der Ausläufer des Vogelsberges. Der Ort ist über die Straße L 3195 mit dem Kinzigtal verbunden und damit an die BAB 66 an der Anschlussstelle Steinau angeschlossen. Die Straße folgt dem Tal des Ulmbaches. Dieser formiert sich erst im Gebiet der Siedlung Ulmbach aus vielen kleineren Gerinnen zu einem größeren Fließgewässer, das schließlich westlich von Steinau in die Kinzig mündet. Die Kinzig ist hier künstlich zum „Kinzigstausee“ verändert. In gleicher Weise wie das Gewässernetz fächert sich auch das Straßennetz bei Ulmbach in verschiedene Richtungen sternförmig auf und erschließt die kleineren Weiler und Gehöfte der Umgebung.

Topographische Übersicht der Umgebung der Wüstung Stubbach. - Bearbeitung: Spessart-GIS, J. JUNG/ASP, Datengrundlage: Bayerische Vermessungsverwaltung [Hrsg.]: Digitale Topographische Karte 1:50.000.

Topographische Übersicht der Umgebung der Wüstung Stubbach

Wenn man aus dem Ort Ulmbach die Straße L 3195 ca. 2 km in nordwestliche Richtung fährt, gelangt man an die ehemalige bzw. wüstgefallene Siedlungsstelle Stubbach. Diese ist auch in der Topographischen Karte als „Wüstung Stubbach“ verzeichnet. Die Grabungsfläche umfasst ein Nord-Süd ausgerichteten ca. 500m mal 100m breiten Streifen, nördlich eines kleinen Wäldchens und eines Naturschutzgebietes.

Die Wüstung liegt geomorphologisch im Bereich einer großzügigen Talmulde bei ca. 370 m über NN). Eingerahmt von einem Höhenbereich im Süden, Westen und Norden, der bei ca. 405 m NN liegt, repräsentiert der ehemalige Siedlungsbereich den oberen Talabschnitt eines kleinen Fließgewässers. Dieses ist heute fast kanalähnlich ausgeprägt, dürfte aber im Anschluss an die Quellbereiche zur Zeit der Besiedlung schwach in der Talsohle mäandriert haben. Unmittelbar westlich der Wüstungsstelle kommt es an einem Wäldchen zu einem Zusammenfluss mit einem Gewässer ähnlicher Größe. Im weiteren Verlauf in Richtung Süden führt das Gewässer nun auch den Namen „Stubbach“. Nach dem Zusammenfluss ist eine zunehmende Eintiefung des Gewässers zu beobachten. In dieserm Bereich ist kann der sogenannte Kerbensprung und damit der Übergang von einem flachmuldigen in ein kerbartiges Talquerprofil lokalisiert werden. In dem weiteren 2,5 km langen Verlauf verliert der Stubbach noch 70 Höhenmeter, bevor er bei der Salzmühle in den Kinzigtributär „Salz“ mündet.

Insgesamt folgen alle Fließgewässer dieses Gebietes der allgemeinen Abdachung des Vogelsberg-Massives in Nord-Süd-Richtung bis zur Kinzig. Dabei gliedern die Gewässer das Vogelsberg-Massiv in einzelne Höhenrücken, die dementsprechend auch Nord-Süd ausgerichtet sind. Der Höhenrücken um Ulmbach ist ein eindrucksvolles Beispiel für die Reliefgliederung dieses Gebietes. Eine kartographische Übersicht der Hangneigungen demonstriert vor allem die ausgeprägten Flachbereiche in der Umgebung von Ulmbach.

Hangneigungen der Umgebung der Wüstung Stubbach. - Bearbeitung: Spessart-GIS, J. JUNG/ASP, Datengrundlage: Bayerische Vermessungsverwaltung [Hrsg.]: Digitale Topographische Karte 1:50.000

Hangneigungen der Umgebung der Wüstung Stubbach

Die hellen Farben repräsentieren Flächen mit nur wenigen Grad Hangneigung. Dabei kommt die großzügige Abdachung von Nord nach Süd nicht im Kartenbild zur Geltung. Die braunen Farben an den Talflanken der größeren Fließgewässer, wie z.B. der Salz, repräsentieren steiler Bereiche. Letztlich sind die steilen Talflanken ein Indiz dafür, dass die größeren Fließgewässer tiefer in die Hochfläche eingesenkt sind. Die kleineren, tributären Gerinne bewegen sich in  längeren Fließabschnitten auf höherem Niveau und begeben sich erst in den Unterläufen in fast schon klingenähnlichen Tälern auf das Niveau der Vorfluter.

Die manuelle Kartierung von Verebnungen auf der Grundlage des Isohypsenbildes der Messtischblätter im Maßstab 1:25 000 bringt im Bereich des Buntsandsteines im Spessart eindeutige Ergebnisse. Hier ist das treppenartige Relief, das heißt die Abfolge von Flachbereichen und Hangbereichen mit dieser Methode eindeutig nachvollziehbar. Im Bereich des Vogelsberges stößt diese Methode an ihre Grenzen, da einzelne Flächen nicht so deutlich voneinander abgesetzt sind. Dennoch zeigt die Karte der Verebnungen der Umgebung Ulmbach sehr aufschlussreich ein sehr dichtes Netz an Flachbereichen, Die Grabungsfläche selbst ist nicht als Verebnung ausgewiesen, da Verebnungen definitorisch nur als Vollformnen, das heißt leicht konvexe Formen gesehen werden. Die Grabungsfläche liegt aber am Rande einer konkaven Oberfläche und wurde daher nicht als Verebnung auskartiert, obwohl sie ein prinzipiell ebenes Gelände aufweist.

Die Flachbereiche bzw. die Hochfläche insgesamt kann zum einen mit dem geologischen Untergrund, hier den einzelnen Basaltdecken in Verbindung gebracht werden. Darüber hinaus geht das flache Relief auf alte Landoberflächen zurück, die in einem tropenähnlichen  Klimaumfeld und der damit verbundenen chemischen Verwitterungsprozesse gebildet wurde. Über lange Zeiträume des Erdmittelalters und insbesondere in den älteren Abschnitten des Tertiärs wurden Rumpfflächen gebildet, deren Reste auch über die pleistozänen Kaltzeiten hinaus in der Landschaft konserviert sind. Gerade im Bereich des Vogelsberges ist es schwierig, morpho-genetische Interpretationen über die Flachformen anzustellen, da es selten aussagekräftige geologisch-morphologische Befunde gibt. Dementsprechend ist die Einordnung als Strukturfläche, also eine vom geologischen Untergrund bestimmte Fläche oder als Skulpturfläche, eine von den exogenen Verwitterungs- und Abtragungsprozessen bestimmte Fläche, unklar. Die chemischen Verwitterungsprozesse als Relikte der tertiären Verwitterungsdynamik können aber im Bestand der Grobfraktion im oberflächennahen Untergrund nachgewiesen werden. Hier finden sich teils frische, unverwitterte Gesteine aber auch chemisch zersetzte Basalte. Diese besitzen eine graue bis weiße Farbe und der Gesteinsverband ist bisweilen etwas aufgelöst.

Höhenlagen und Verebnungen in der Umgebung der Wüstung Stubbach. Datengrundlage. - Bearbeitung: Spessart-GIS, J. JUNG/ASP, Datengrundlage: Bayerische Vermessungsverwaltung [Hrsg.]: Digitale Topographische Karte 1:50 000

Höhenlagen und Verebnungen in der Umgebung der Wüstung Stubbach

Geologisch ist der Bereich durch die Ausläufer des Vogelsberg-Basaltes bestimmt. In der Geologischen Übersicht dominieren daher die grünen Farben eines Alkali-Olivin-Basaltes. Da der Gesteinschemismus in der Regel nur laboranalytisch differenziert werden kann, ist der Basalt häufig in der Einheit „Basaltische Gesteine“ zusammengefasst.

Die Basaltdecke überlagert einen mesozoischen Gesteinsuntergrund, der im Wesentlichen die Sedimentgesteine des Buntsandsteins umfasst, aber auch die jüngeren, marinen Gesteinsserien des Muschelkalks überlagert. Letztere Gesteine fehlen im südlich angrenzenden Spessart bis auf die Randgebiete zum Kinzigtal und ein kleiner Muschelkalk-Aufsitzer in der Nähe von Marktheidenfeld. Zieht man das Miozäne Alter der Basalte mit Absolutdatierungen von 16 – 18 Millionen Jahren in Betracht und geht man davon aus, dass die Basaltergüsse einen präbasaltischen Untergrund konserviert haben, birgt dies wichtige morphogenetische Aussagen. Man kann davon ausgehen, dass auch im Spessart noch bis in das jüngere Tertiär hinein Muschelkalk zumindest räumlich eingeschränkt verbreitet war.

In der Umgebung von Ulmbach kommen Gesteine des Muschelkalks noch in einigen Schollen zum Vorschein. Diese sind an Störungen abgesetzt und repräsentieren einzelne Hochschollen des bruchtektonisch gestörten Gesteinsverbandes. Überhaupt ist das Gebiet um das Schlüchterner Becken, das südöstlich zum Gebiet Ulmbach angrenzt, stark bruchtektonisch beansprucht. Im Gegensatz zu vielen Bereichen des Spessarts mit ein einer konsolidierten, zum Teil mesozoischen Bruchtektonik, ist das Gebiet um Schlüchtern mit den Ausläufern in Richtung Steinau noch bis in das jüngere Tertiär hinein aktiv.

Quasi synchron zu den basaltischen Aktivitäten werden Schollen unterschiedlichen Abwärtsbewegungen gebildet, die im relativen Bezug verschiedene Hoch- und Tiefschollen darstellen. Gerade die Tiefschollen nehmen Tertiärsedimente auf und bilden mit den einzelnen Sedimentstraten ein wichtiges Landschaftsarchiv des Jungtertiärs. In den größeren Tälern in der Umgebung von Ulmbach kommen in den Talsohlen bzw. an den Talflanken noch Tertiärsedimente auf Buntsandstein aber auch auf Muschelkalk vor und sind hier angeschnitten.

Landnutzung in der Umgebung der Wüstung Stubbach. - Bearbeitung: Spessart-GIS, J. JUNG/ASP. Datengrundlage: Statistisches Bundesamt Wiesbaden 1997

Landnutzung in der Umgebung der Wüstung Stubbach

Auf den Hochflächen, so auch im Bereich der Grabungsfläche sind mächtige basaltische Decken verbreitet, die bisweilen eine kartierfähige Lößdecke tragen. Die Basalte, teils als bergfrische, teils als chemisch zersetzte Varietät wurden in den pleistozänen Kaltzeiten kryogen aufgearbeitet. Zum Teil kam es zur Verzahnung oder kryoturbaten Vermischung mit den Lößschichten, so dass in der Regel geringmächtige Deckschichten den geologischen Untergrund bilden. Dieser stellt das Ausgangssubstrat der nacheiszeitlichen Bodenbildung dar. Es entwickelten sich Braunerden, die aufgrund der hohen Tonanteile der unteren Deckschichtenglieder häufig Merkmale von Staunässe aufweisen und daher pseudovergleyt sind. Evtl. sind die basalen Schichten bereits als Basaltzersatz anzusprechen, der autochthon vorliegt und nicht solifluidal verlagert wurde.

Die Böden sind aufgrund der Lößauflage und der relative hohen Tonanteile sehr fruchtbar. Dies äußert sich heute noch durch eine intensive landwirtschaftliche Nutzung in der Umgebung von Ulmbach. Größtenteils wird Ackerbau betrieben, daneben dienen die Flächen auch der Grünlandnutzung. Insgesamt hebt sich das Gebiet um Ulmbach und der Grabungsfläche durch einen ausgeprägten Offenlandbereich ab. Waldflächen, meist in Form von Laubholzbeständen, sind erst wieder im Gebiet der Salz, weiter östlich im Gebiet des Ulmbaches und weiter südlich im Übergang zum Kinzigtal verbreitet.

Weiterführende Literatur:

Gisbert Diederich, Helmut Hickethier, Zur Tektonik des Schlüchterner Beckens und seiner Umrahmung, in: Notizblatt des Hessischen Landesamtes für Bodenforschung (1970), S. 187–197.

Karl-Heinz Ehrenberg, Helmut Hickethier, Erläuterungen zur Geologischen Karte von Hessen 1:25 000, Blatt Nr. 5622 Steinau a. d. Str, Wiesbaden 1983.

Peter Felix-Henningsen, Die mesozoisch-tertiäre Verwitterungsdecke (MTV) im Rheinischen Schiefergebirge, in: Relief, Boden, Paläoklima 6 (1990).

Jürgen Jung, GIS-gestützte Rekonstruktion der neogenen Reliefentwicklung tektonisch beeinflusster Mittelgebirgslandschaften am Beispiel des Spessarts (NW-Bayern, SE-Hessen). (masch. Dissertation am Geographischen Institut der Universität.Würzburg), Würzburg 2006.

Josef Schwarzmeier, Winfriedf Weinelt, Erläuterungen zur geologischen Karte 1:100 000 Naturpark Spessart, München 1981.

Jürgen Siebert, Der Spessart. Eine landeskundliche Studie, Breslau 1934.


Jürgen Jung, Kleinwallstadt 2015