Wüstungen und ihre Befunde lassen sich oft nur durch das Fundgut datieren, so auch im Falle der Wüstung Stubach bei Ulmbach. Dies trifft dort auf alle Perioden zu. Bereits die Analyse hunderter, bei der ersten Feldbegehung zutage getretener Keramikfragmente erlaubte eine grobe zeitliche Einordnung der Besiedelung des Areals in das 13. und 14. Jahrhundert. Die Auswertung im Nachgang der Ausgrabungen ließ eine Verfeinerung der Siedlungsabfolge zu: Einer hochmittelalterlichen Erstbesiedlung im ausgehenden 12. und im 13. Jahrhundert (Periode 1), markiert durch zweihenkelige Tüllenkannen mit Standring bzw. Wellenfuß, folgte eine intensive Besiedlung um 1350 (Periode 2). Herausragende keramische Elemente dieser Phase sind weit ausschwingende Abrahmschüsseln und Flaschen, zum Teil mit Siebeinsatz, aus sehr hart gebrannter Irdenware. Das gleiche Fundgut bestimmt als verlagertes Material die Aufgabe der Besiedlung (Periode 3) und die Nachnutzung des Areals (Periode 4). Wenige eingestreute Ziegel, malhornverzierte Teller und Krüge sowie Fragmente von Steinzeug- und Steingutgefäßen gehören der rezenten Nutzung des Geländes zwischen dem 16. und dem 20. Jahrhundert an (Periode 5).

Darüber hinaus geben uns die Funde wesentliche Aufschlüsse über das Leben der Dorfbewohner. Gebrauchsgegenstände, Geräte und Werkzeuge zeugen von ihrem Alltag. Erstaunlicherweise ist anhand des Fundguts eine Abgrenzung der durch Milchwirtschaft zu Wohlstand gelangten Bauern von Niederadeligen, wie wir sie etwa gleichzeitig für die Ketzelburg in Haibach fassen können1, kaum möglich. Sowohl im niederadligen als auch im bäuerlichen Milieu bildete der Kachelofen das Zentrum der guten Stube. Als Schank- und Trinkgefäße bediente man sich regionaler Keramikprodukte. Selbst im Bereich der Bauweise der Wohnhäuser sind lediglich graduelle Unterschiede festzustellen. So waren in allen angeführten Fällen die Dächer mit Stroh oder Schilf gedeckt und lediglich mit einem ziegelbesetzten Dachfirst ausgestattet.

Vor den Grabungen 2015 waren von diesem Areal keine Fundstücke bekannt. Da im Main-Kinzig-Kreis die mittelalterliche Wüstungsforschung bis auf die Begehung einer Wüstung im Kinzig-Stausee westlich von Steinau a. d. Str. bislang weitgehend brach liegt, muss man als Vergleiche mangels fehlender regionaler Keramikchronologie zur Funktionsansprache und Datierung auf wenige Funde von Werkstattbruch von Töpfereien beschränken. Neben den bislang unveröffentlichten hochmittelalterlichen Funden von Marjoss im Jossatal ist hier vor allem auf die nur ansatzweise veröffentlichten Keramiken von Aulendiebach zu verweisen2. Eine weitere im regionalen Umfeld liegende Töpferei trat bei Bauarbeiten bei den Dörsthöfen in Alzenau zutage3.

Die Stratigraphie des Fundmaterials der Grabung bei Ulmbach ergab eine klare chrono-typologische Abgrenzung von zwei Besiedlungsphasen. Ausgehend von dieser Beobachtung unter Einbeziehung des bisherigen Wissens über die Keramik des Kinzigtals ist es möglich, mithilfe der Gefäße aus Stubach eine vorläufige Keramikchronologie zu entwickeln, deren Schwerpunkte eindeutig um 1200 sowie um 1350 liegen4.

Die Funde waren in den untersuchten Arealen primär in den Lauf- und Nutzungshorizonten der Perioden 1 und 2 anzutreffen. Hinzu kommt der überlagernde Brandschutt der Zerstörung der zweiten Besiedlungsphase (Periode 3). Ein zeitlicher Abgleich über Vergleiche mit den durch das ASP ergrabenen Bodendenkmalen im Spessart ist nicht möglich. Allerdings fallen für die Periode 2/3 deutliche formale Übereinstimmungen der Keramiken mit entsprechenden Objekten aus der Burg Bartenstein bei Partenstein ins Auge. In diesem Zeithorizont gibt es darüber hinaus Parallelen zu den Funden von der Burg Spielberg in Brachttal5.

Da die Untersuchungsflächen in Quadranten aufgeteilt und das Fundmaterial quadrantenweise geborgen und archiviert wurde, konnten bisher keine Gefäße zusammengesetzt werden. Vor einer Auslage der Fragmente benachbarter Quadranten wären diese einzeln zu beschriften, um Vermischungen zu vermeiden. Im Rahmen der Grabungsdurchführung und -dokumentation war dies unmöglich. Ein weiterer Aspekt bezüglich der Quantität des Fundmaterials und der Vollständigkeit der Gefäße ist der Umstand, dass aufgrund des harten Pseudogleys vermischt mit Basaltgestein im gesamten Untersuchungsgebiet eine maximale Befundtiefe von 40cm vorliegt. Es wurden keine Gruben oder gar Keller festgestellt.

Über die Keramik hinaus sind nur wenige andere Fundgruppen vorhanden. Das größte Raumvolumen innerhalb des Fundguts nimmt der verziegelte Hüttenlehm ein, der in fast allen Quadranten vorliegt. In Periode 1 sind darüber hinaus breite Hohlziegel zu erwähnen, die im Bereich der Hausstellen konzentrierten. Mit ihnen waren vermutlich die Firstpartien der Gebäude versehen, um das Eindringen von Wasser in die weiche Dachhaut zu vermindern. An Eisenobjekten kamen vor allem Nägel, Messer und Hufeisen vor. Unter ihnen ist ein Sporn besonders hervorzuheben. Glas fehlt völlig.

Die Keramik der Perioden 2 und 3 setzt sich fast vollständig aus Kochtöpfen (Kugeltöpfe), einfachen Deckeln, einhenkeligen Flaschen und ausladenden Abrahmschüsseln zusammen. Zwar ist die Kartierung einer eingehenden Materialanalyse vorbehalten, doch lässt sich bereits jetzt absehen, dass diese Formen in allen Flächen in Schicht 2 vorhanden sind. Neben Hüttenlehm und Hohlziegeln spielt die Ofenkeramik eine große Rolle. Bei den Grabungen 2015 konnte kein Standort eines Kachelofens lokalisiert werden. Bei den Fragmenten von Spitzkacheln mit T-förmigem Mündungsprofil6 handelt es sich durchweg um Streufunde. Die Verbreitung dieser Kachelform ist auf Südhessen und den Untermain beschränkt. Über Fundkontexte von Kloster Elisabthenzell und Burg Bartenstein lässt sich diese Form in die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts datieren. Um 1330 löste die Napfkachel7 die Spitzkachel ab. Dass in der Wüstung Stubach während der Periode 2 Textilien verarbeitet wurden, legt ein Spinnwirtel nahe. Im Gegensatz zur Periode 1 weist Periode 2/3 auch Importkeramik auf. Dazu zählt aus Dieburg stammendes, braun engobiertes Protosteinzeug. Auch ein rädchenverzierter Trinkbecher aus grauem Protosteinzeug kann der Importkeramik zugerechnet werden. Außerdem sind Fragmente von Bechern aus grauem Siegburger Steinzeug zu benennen. Ebenfalls dieser Gruppe zuzuordnen ist ein Spielzeugfigürchen in Form einer Kruselerpuppe. Mit ihrem bis auf Taillenhöhe herunterfallenden Kruseler zählt das Stück zu den frühesten seiner Art8.

Die Eisenobjekte unterscheiden sich nur wenig von Periode 1. Besondere Erwähnung verdienen ein Axtblatt, eine Sichel, ein Hostieneisen (?). Aus archäologischem Kontext lassen sich darüber hinaus Fragmente von Hohl- und Flachgläsern sowie eine aus Messing bestehende Schließe der Fundaufzählung anfügen. Ein weiteres, zentrales Fundstück, ein aus Bronze gegossener Schwertknauf, wurde bei der parallel zur Grabung durchgeführten systematischen Begehung des Geländes mit einer Metallsonde gefunden.


Harald Rosmanitz, Partenstein, 2016


 

  1. Harald Rosmanitz (Hg.), Die Ketzelburg in Haibach. Eine archäologisch-historische Spurensuche, Neustadt a. d. Aisch 2006. Vergleichbar ist auch die Situation auf der Burg Schnellerts bei Brensbach im Odenwald (vgl. Christoph Krauskopf, …davon nur noch wenige rutera zu sehen seyn sollen… Archäologische Ausgrabungen in der Burgruine Schnellerts, Bd. 1, (Kultur- und Lebensformen in Mittelalter und Neuzeit) Bamberg 1995.).
  2. Christoph Krauskopf, Die mittelalterliche Töpfereitradition in Aulendiebach, in: Büdinger Geschichtsblätter (1995/1996), S. 305–311.
  3. Harald Rosmanitz, Fund(ge)schichten. Die Keramik des 13. Jahrhundert vom Schlösschen Michelbach und den Dörsthöfen bei Alzenau, Lkr. Aschaffenburg. Masch. Manuskript, Partenstein 2010.
  4. Die von Magnus Wintergerst für den Raum Frankfurt entwickelte Keramiktypologie ist auf das Kinzigtal nicht anwendbar.
  5. Ulrich Gascher (Hg.), Die verborgene Burg Spielberg. Amtsburg, Jagdstation, Witwensitz ; anlässich der Ausstellung „Die Verborgene Burg Spielberg“ zum „Tag des offenen Denkmals“ im Brachttal-Museum Spielberg am 13. September 2008, Gelnhausen 2008.
  6. http://furnologia.de/galerie/1070-2/eine-spitzkachel-aus-grossostheim/.
  7. http://furnologia.de/galerie/1070-2/eine-napfkachel-aus-miltenberg/.
  8. Vgl. Gerald Volker Grimm (Hg.), Kleine Meisterwerke des Bilddrucks. Ungeliebte Kinder der Kunstgeschichte ; Handbuch und Katalog der Pfeifentonfiguren, Model und Reliefdrucke ; Suermondt-Ludwig-Museum, Aachen ; zugleich Begleitbuch zu der Ausstellung „Ungeliebte Kinder der Kunstgeschichte. Kleine Meisterwerke des Bilddrucks“ vom 14.7. bis 16.10.2011 im Suermondt-Ludwig-Museum Aachen, Büchenbach 2011, S. 43-50 und Eveline Grönke, Edgar Weinlich (Hg.), Mode aus Modeln. Kruseler- und andere Tonfiguren des 14. bis 16. Jahrhunderts aus dem Germanischen Nationalmuseum und anderen Sammlungen (Wissenschaftliche Beibände zum Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums Bd. 14), Nürnberg 1998, S. 26-72.