Entlang der Flüsse Main und Kinzig haben sich beeindruckende Zeugnisse mittelalterlicher Burgenbaukunst erhalten. Im Inneren Spessart sind diese Hinterlassenschaften der Feudalkultur deutlich seltener anzutreffen1. Die Burg Wildenstein stellt mit ihren imposanten Resten aufgehenden Mauerwerks einen Sonderfall dar. Aus diesem Grund wurde sie bereits um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert als Postkartenmotiv und Ausflugsziel vermarktet2. Dennoch schenkte man der Anlage bis ins 21. Jahrhundert hinein weder von der historischen noch von der archäologischen Forschung größere Beachtung3. Dagegen interessierten sich bereits in den 1860er Jahren Schatzsucher für die Ruine4. Von wissenschaftlicher Seite wurde sie lediglich im Zusammenhang mit dem Konflikt zwischen Mainz und Rieneck 1260/61 dank der vor diesem Hintergrund reichhaltigen diplomatischen Quellen registriert5. Die Situation änderte sich erst am Ende der 1990er Jahre, als eine Gruppe heimatkundlich Interessierter, heute die „Burgfreunde Wildenstein e.V.“, die Anlage vom Eigentümer, dem Grafen von Erbach, in Erbpacht übernahmen, um dem fortschreitenden Zerfall Einhalt zu gebieten6. Trotz Sanierungen in den Jahren 1894 und 1933 waren in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts Teile der Ringmauer und der im Norden in diese integrierte Turm baufällig geworden. Zusätzlich wirkte sich die zwischenzeitlich durch den Grafen von Erbach auf dem gesamten Burgareal angelegte Bewaldung und damit die Einbeziehung des Denkmals in die Forstwirtschaft in negativer Weise auf die Erhaltung der Bausubstanz aus. 2003 fanden im Vorgriff der Sanierung des Turmes archäologische Untersuchungen durch das Büro für Burgenforschung Zeune statt. 2011/12 schlossen sich die Ausgrabungen durch das Archäologische Spessartprojekt an.

Die Burg bleibt auch nach Abschluss der Grabungen ein Sanierungsfall. So bedarf die noch bis auf Höhe der Zinnen erhaltene, östliche Ringmauer dringend einer baulich-technischen Überarbeitung. Im Bereich des Palas muss dessen Ostmauer bis auf Erdgeschosshöhe neu aufgemauert werden. Erst dann macht die Festigung des Aufgehenden Sinn. Zwischenzeitlich ist dieses Burgsegment von einem provisorischen Dach vor der Witterung geschützt, welches den Gesamteindruck der Burg jedoch massiv beeinträchtigt. Die von den Burgfreunden errichtete hölzerne Zugangsrampe zum äußeren Burgtor bedarf ebenfalls einer Erneuerung. Gleiches gilt für die Zuwegung zur Anlage vom Dorf her. Ein solcher Investitionsbedarf kann von dem kleinen Verein nicht allein geschultert werden.

Blick von Westen auf das Tor der Burg Wildenstein
Fotografie aus der Zeit um 1900

Archiv der Burgfreunde Wildenstein e.V., Eschau
Blick von Süden auf die komplett überwucherte Schildmauer im Osten
Fotografie vor 1990
Archiv der Burgfreunde Wildenstein e.V., Eschau
Blick von Osten auf den unter Schutt liegenden Palas
Fotografie vor 1990
Archiv der Burgfreunde Wildenstein e.V., Eschau
Blick von Osten auf den unter Schutt liegenden Palas nach Ausdünnung des Baumbestandes
Fotografie um 1990
Archiv der Burgfreunde Wildenstein e.V., Eschau
Blick von Nordosten auf den teilweise freigelegten Palas kurz vor Grabungsbeginn 2010
Blick von Norden auf den unter Schutt liegenden Palas und das Gewölbe des Kellerzugangs
Fotografie vor 1990
Archiv der Burgfreunde Wildenstein e.V., Eschau
Blick von Norden auf das Gewölbe des Kellerzugangs
Fotografie um 1990
Archiv der Burgfreunde Wildenstein e.V., Eschau
Blick von Nordwesten in den östlichen Burghof mit Schildmauer
Fotografie um 1990
Archiv der Burgfreunde Wildenstein e.V., Eschau
Fällung der Bäume im Bereich des ehemaligen Küchentrakts westlich des Palas
Fotografie um 1990
Archiv der Burgfreunde Wildenstein e.V., Eschau

Weiterführende Literatur:

Heidi Banse, Anna Maria Schellenbacher. Eine Webertochter aus der Wallonie, in: „gelurt“ Odenwälder Jahrbuch für Kultur und Geschichte (2004), S. 109–113.
David Enders, Zerstörung von Burgen. Untersuchungen zu einem Phänomen des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit mit Beispielen aus dem Spessart. (Masch. Masterarbeit), Bamberg 2014.
Christine Engler, Keine Burg weit und breit? Die Burgenlandschaft des westlichen Spessart vom 12. bis 14. Jahrhundert. (Masch. Magisterarbeit), Bamberg 2009.
Adolf Feulner, Bernhard H. Röttger, Wildenstein, in: Felix Mader (Hg.), Bezirksamt Obernburg. Die Kunstdenkmäler von Bayern. Regierungsbezirk Unterfranken XXIII, München 1925, S. 142–146.
Roman Fischer, Das Untermaingebiet und der Spessart, in: Peter Kolb, Ernst Günther Krenig (Hgg.), Vom hohen Mittelalter bis zum Beginn des konfessionellen Zeitalters (Unterfränkische Geschichte Bd. 2) 1992, S. 121–168.
Stefan Grathoff, Mainzer Erzbischofsburgen. Erwerb und Funktion von Burgherrschaft am Beispiel der Mainzer Erzbischöfe im Hoch- und Spätmittelalter, Bd. 58, (Geschichtliche Landeskunde) Stuttgart 2005.
Wolfgang Hartmann, Zur Geschichte der Spessartburgen Waldenberg und Kugelberg und ihrer Herren, in: Aschaffenburger Jahrbuch für Geschichte, Landeskunde und Kunst des Untermaingebietes 19 (1997), S. 9–53.
Wolfgang Hartmann, Zur frühen Geschichte von Sommerau und seiner Wasserburg., in: Spessart 103 (2009), S. 3–11.
Wolfgang Hartmann, Burg Wildenstein. Vor 750 Jahren urkundlich ertmals erwähnt, in: Main-Echo. Ausgabe Obernburg (20./21.11.2010).
Peter Kolb, Ernst Günther Krenig (Hgg.), Vom hohen Mittelalter bis zum Beginn des konfessionellen Zeitalters (Unterfränkische Geschichte Bd. 2) 1992.
Hans Körner, Grafen und Edelherren als territorienbildende Kräfte, in: Peter Kolb, Ernst Günther Krenig (Hgg.), Vom hohen Mittelalter bis zum Beginn des konfessionellen Zeitalters (Unterfränkische Geschichte Bd. 2) 1992, S. 85–120.
Ursula Pfistermeister, Wehrhaftes Franken. Burgen, Kirchenburgen, Stadtmauern. Um Würzburg, Bd. 2, Nürnberg 2001.
Harald Rosmanitz, Christine Reichert, Eschau, Lkr. Miltenberg, Burg Wildenstein. Archäologische Untersuchungen, April/Mai 2011 sowie August bis Oktober 2012. (Masch. Manuskript), Partenstein 2014.
Theodor Ruf, Das Inventar über die fahrende Habe des Grafen Philipp III. von Rieneck in den Schlössern Schönrain, Rieneck, Wildenstein und Lohr (1559), Würzburg 1982.
Theodor Ruf, Die Grafen von Rieneck. Genealogie und Territorienbildung. Diss. phil. Würzburg, 2 Bände, Würzburg 1984.
Horst Sattler (Hg.), Burglandschaft. Eine Zeitreise im Main4eck. 20 Burgen, Schlösser, Stadtbefestigungen und Wehrkirchen zwischen Spessart und Odenwald, Aschaffenburg 2014.


David Enders und Harald Rosmanitz, Partenstein 2015


 

  1. Sattler 2014.
  2. http://www.spessartprojekt.de/kulturwege/eschau/taf_2.php
  3. Hartmann 2010; Feulner/Röttger 1925.
  4. http://www.burgfreunde-wildenstein.info/index.php?id=21
  5. Grathoff 2005, S. 293; Ruf 1984, Bd. 1, S. 151-156; Fischer 1992, S. 124-126.
  6. Die „Interessengemeinschaft zur Erhaltung der Burgruine Wildenstein“ wurde am 23.05.1997 in Eschau gegründet. Sie ging am 26.03.2002 in die „Burgfreunde Wildenstein e.V.“ über (http://www.burgfreunde-wildenstein.info/index.php?id=7).