Fragment eines Dachziegels vom "Alten Schloss" bei Kleinwallstadt, vmtl. 1. Hälfte 13. Jahrhundert, Maße: 12,0cm x 12,5cm x 1,4cm
Größere Fragmente von Dachziegeln wurden im Sommer 2006 in der Verfüllung des Grabens zwischen Haupt- und Vorburg geborgen. Ihre Lage im Bereich des Mauerzinnen lässt die Vermutung zu, dass diese ursprünglich zu einem ziegelgedeckten Wehrgang gehörten.
 Waren die Wehrgänge auf der Ringmauer durchweg mit roten Ziegeln gedeckt, so wiesen die Fachwerkgebäude im Burginneren eine Mönch-Nonne-Deckung mit wesentlich feiner gemagerten Ziegeln aus hell brennendem Ton auf. Sie waren an ihrer Außenseite mit rot brennender Engobe bestrichen. Ähnlich gearbeitete Ziegel fand man bei Augrabungen auf dem Theaterplatz in Aschaffenburg.

Die Bauten innerhalb einer Burg waren von der Vielfalt unterschiedlicher Formen und Baumaterialien bestimmt. Nach bisherigem Kenntnisstand dominierte bei den Spessartburgen vom Ende des 12. Jahrhunderts der Einsatz von Holz, sowohl für die umschließende Palisade als auch für die Innenbebauung, vor allem mit Fachwerkbauten. Spätestens ab der Mitte des 14. Jahrhunderts dominiert in solchen Anlagen der massive Steinbau.

In allen Fällen bildet das Dach einen wichtigen Bestandteil der Konstruktion. Je nach Jahreszeit hält es die Räume warm oder angenehm kühl. Es schützt vor Nebel, Regen, Eis und Schnee. Bei den Burgen kommt noch hinzu, dass ein keramisches oder steinernes Dach Brandgeschosse abhält.

Im Boden hat sich nur ein kleiner Ausschnitt der einstigen Dachdeckung erhalten. Sämtliche Deckungen mit organischen Materialien wie Stroh, Schilf, Reet oder Holzschindeln lassen sich in der Regel nicht mehr nachweisen. Eine solche „weiche Dachdeckung“ hatte den großen Vorteil, dass die benötigten Baumaterialien billig und leicht zu beschaffen waren. Als Werkstoffe mit geringem Gewicht benötigten diese darüber hinaus keine massiven Unterbauten in Form von ausgeklügelten Dachstühlen. Der große Nachteil war die leichte Brennbarkeit. Schon der kleinste Funke konnte hier zur Katastrophe führen. Dies veranlasste die Städte, spätestens ab dem 15. Jahrhundert durch rigorose Vorschriften die weiche Dachdeckung durch Dachziegel, Dachschiefer oder Steinplatten zu ersetzen.

Am häufigsten griff man dabei auf eine Deckung mit gewölbten Ziegeln, die Mönch/Nonne-Dachdeckung zurück. Die Nonne wurde mit ihrer Nase in die Lattung gehängt (Unterpfanne). Die Fuge zwischen den Unterpfannen wurde mit einem ähnlich gebildeten, etwas schmalerem Ziegel, dem Mönch (Oberpfanne) abgedeckt. Zusätzlich mit Mörtel verfugt, ergab das Ganze ein schweres, aber sehr stabiles Dach (mehr als 100kg/qm).

Die bislang auf dem „Alten Schloss“ gefundenen Ziegel gehören – wie auch die 2007 ergrabenen Ziegel vom Gräfenberg bei Rottenberg – sämtlich dem Typus Mönch/Nonne an. Auch auf den Dächern der Burg Bartenstein im Spessart dominierte bis ins 14. Jahrhundert diese Art der Eindeckung. Später setzte sich mehr und mehr die Eindeckung mit Flachziegeln, den glatten und wesentlich besser handhabbaren Bieberschwanzziegeln, durch.

Charakteristisch für die Mönch/Nonne-Ziegel ist ihre glatte, durch Verstreichspuren gekennzeichnete Oberfläche. Die Stärke der Ziegel variiert zwischen 1,2cm und 1,4cm.

Dass im „Alten Schloss“ in Kleinwallstadt bereits in der Mitte des 13. Jahrhunderts ziegelgedeckte Bauten standen, lässt sich mit ähnlichen Beobachtungen aus den ältesten Planierungshorizonten von der Burg Bartenstein in Übereinstimmung bringen. Auch dort griff man bereits vergleichweise früh auf diese aufwendige und kostspielige Art der Gebäudeeindeckung zurück. Kostpielig war das Ganze übrigens gleich in zweierlei Hinsicht: Die Ziegel mussten in einem aufwendigen Verfahren von Zieglern gefertigt werden. Für die schwere Dachlast war eine Unterkonstruktion aus gebeilten und gesägten Balken notwendig, die ihrerseits wiederum auf massivem Mauerwerk auflagern musste.

Die Dachziegel vom „Alten Schloss“ setzen damit eine bis ins kleinste durchkalkulierte Bauplanung voraus. Ohne entsprechende, langwierige Planung und ausreichende finanzielle Grundausstattung wäre die Anlage eines solchen Daches undenkbar. Hinzu kommt der Einsatz von Fachleuten wie Zimmerleuten und Zieglern.