Das deutsche Wort Siegel geht auf das lateinische Sigillum zurück, eine Verkleinerungsform von Signum (Zeichen, Bild). Im deutschen Sprachraum wird unter einem Siegel der negativ ausgeführte Siegelstempel, Petschaft oder Typar, aber auch der damit erzeugte positive Siegelabdruck verstanden. Das Siegelbild wurde mit Hilfe eines Siegelstempels in eine mehr oder weniger plastische, später erhärtende Siegelmasse wie Wachs oder Siegellack eingeprägt. Bereits im Altertum fanden Siegel im Vorderen Orient, in Ägypten und im Alten Rom Verwendung zur Kennzeichnung und zum Schutz des Eigentums. Dieser Funktion dienen sie bis heute bei der Versiegelung von Dokumenten und Waren, oder bei der Markierung von Handwerksprodukten aus Glas und Keramik – man denke beispielsweise an Bocksbeutel des Würzburger Juliusspitals oder des Bürgerspitals.

Mit dem Siegelstempel aus dem Kloster Elisabethenzell siegelte man zur Beglaubigen von Dokumenten wie Briefen, Verträgen und Urkunden. Das Siegeln von Dokumenten war zunächst ein exklusives Vorrecht des Papstes, des Kaisers und der Könige. Mit Zunahme der Schriftlichkeit begannen auch Geistliche, der niedere Adel und später auch das wohlhabende Stadtbürgertum zu siegeln.

Die Anfertigung der zumeist aus Bronze oder Messing bestehenden Siegelstempel übernahmen im Mittelalter die Goldschmiede. Das Schneiden eines Siegelstempels galt bei diesem Berufsstand als die komplizierteste Arbeit. Nach Absolvierung einer etwa zehnjährigen Lehr- und Gesellenzeit musste bei der Meitserprüfung ein entsprechender Stempel geschnitten werden.

Siegelstemple (Typar) des Priesters Heinrich vom Kloster Elisabethenzell, um 1300, Fd.-Nr. 1208, H. 3,27 cm, Br. 2,25 cm, T. 1,1 cm

Die mittelalterlichen Siegel  der Klöster, von Äbten und Priestern sind meist spitzoval. Im Falle des Typars vom Kloster Elisabethenzell ist es ein kniender Mönch, der eine Kreuzigungsgruppe anbetet. Das Innenbild wird von einer Inschrift umschlossen, beginnend mit S für Sigillum und dem Namen des Besitzers. Neben der Gestaltung des Bildes ist die Schrift ein wichtiges Kriterium für die Datierung des Siegelstempels. Im 13. und 14. Jahrhundert ist sie in gotischen Majuskeln ausgeführt.Auf der Rückseite der Siegelstempel war im 13. und 14. Jahrhundert eine Öse aus einem Steg zur Handhabung herausgearbeitet, an denen das Petschaft an einer Kette oder einem Lederband getragen werden konnte.

Das Typar vom Kloster Elisabtehenzell zeigt eine Kreuzigungsgruppe mit der Umschrift „+ S(igillum) F(ratr)RIS (H)E(n)RICIS (S)ACERDOTIS“. Es ist stilistisch um 1310 zu datieren. In der Inschrift gibt sich der Mönch Heinrich als Eigentümer des Interimsstücks zu erkennen. Er tritt in zwei Urkunden 1323 und 1324 als  Zeuge einer Beurkundung auf. Mit ihm lernen wir aller Wahrscheinlichkeit nach den letzten Prior des Klosters kennen, dessen Lebenswerk und auch sterblichen Überreste die Grabungen auf den Kloster Elisabethenzell 2012–16 zu Tage gefördert haben.


Meist wurden die Siegelstempel, wenn es sich nicht um diejenigen von Städten, Bistümern, Universitäten oder Korporationen handelt, nach dem Tod des Besitzers zerbrochen, um Missbrauch zu vermeiden. Die Reste wurden recycelt.

Archäologische Funde von Siegelstempeln gehören bei Grabungen zu den großen Seltenheiten. Das Typar aus dem Kloster Elisabethenzell lag in einem Brandschutt der Zerstörung des Klosters durch die Herren von Hanau im Jahre 1333. Möglicherweise wurde es vor den anrückenden Truppen oberflächennahe versteckt.