Topographische Übersicht der Umgebung des Wirtheimer Kringels. Datengrundlage: Bayerische Vermessungsverwaltung; Bearbeiter: Jürgen Jung, Spessart-GIS

Topographische Übersicht der Umgebung des Wirtheimer Kringels

Die Gemeinde Biebergemünd gehört zu den flächenmäßig größten Kommunen des hessischen Spessarts. Das Gemeindegebiet umfasst insgesamt 78,5 km² bei einer Einwohnerzahl von 83901. Die Großgemeinde ist in den 1970er Jahren durch den Zusammenschluss bis dahin eigenständiger Gemeinden entstanden. Zunächst gehörte Wirtheim und Kassel zu Biebergemünd, schließlich kamen die Orte Breitenborn (mit dem Weiler Lützel), Lanzingen und Roßbach dazu. Zuletzt wurde der Ort Bieber angeschlossen, der sich wiederum aus den Ortsteilen Röhrig und Gassen zusammensetzt. Damit umfasst die Gemeinde heute das gesamte Gebiet um das Fließgewässer Bieber von der Quelle bis zur Mündung in die Kinzig. Das Gebiet ist nahezu deckungsgleich mit dem Gewässereinzugsgebiet der Bieber, wobei die Kassel, der Lochborn und der Lützelbach die größten Nebengewässer darstellen.

Der Ortsteil Wirtheim bildet den nördlichsten Punkt der Gemeinde Biebergemünd im unmittelbaren Mündungsbereich der Bieber in die Kinzig. Die Gemeinde Biebergemünd hat hier  überregionale Verkehrsanbindungen mit der Autobahn A66 von Frankfurt nach Fulda sowie der Bahnstrecke Frankfurt-Fulda. Das Gemeindegebiet selbst ist über die Bundesstraße B276 gut erschlossen. Die Bundesstraße führt aus dem Vogelsberg über Brachttal und Wächtersbach, orientiert sich in Wirtheim in den Biebergrund und führt schließlich an der Flörsbacher Höhe im Lohrgrund Richtung Lohr am Main weiter.

Geologische Übersicht der Umgebung des Wirtheimer Kringels. Bearbeiter: Spessart-GIS, Jürgen Jung/ASP; Datengrundlage: Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe; Bearbeiter: Jürgen Jung, Spessart-GIS

Geologische Übersicht der Umgebung des Wirtheimer Kringels

Der Wirtheimer Kringel liegt an einem westexponierten Hang einer spornartigen Anhöhe unmittelbar an den Ort angrenzend. Am höchsten Punkt erreicht die Höhe 203 m über NN. Sie liegt damit rund 60 m höher als das Kinzigtal mit der Ortschaft Wirtheim, die bei etwa 140 m über NN nivelliert. Der Kringel selbst liegt zwischen 180 und 190 m NN. Grundsätzlich ist die Spornlage (höhe 203), ausgehend von der Alteburgshöhe (294 m NN) mit der Ausrichtung nach Norden in das Kinzigtal günstig für den Bau einer befestigten Anlage. Allerdings wäre aus heutiger Sicht der erwähnte Verebnungsbereich geeigneter gewesen und nicht der Oberhangbereich, den die Wallanlage Kringel tatsächlich besetzt. Der Bergsporn ist durch den nördlich angrenzenden Hirschbach stark eingeengt und ist dementsprechend ‚schlank‘ ausgeprägt.

Geologisch betrachtet fällt das Untersuchungsgebiet in den Ausbissbereiches des Buntsandsteins2. Der kristalline Untergrund, der die Basis zunächst für die Ablagerungen des Zechsteins und dann für die Sandsteine der Buntsandsteinzeit bildet, ist in diesem Gebiet aufgewölbt. Dementsprechend bilden in der Umgebung von Wirtheim nur die Gesteinsserien des Unteren Buntsandsteins den geologischen Untergrund aus.

Zu unterst lagern hier die Sedimentgesteine der Calvörde-Formation (suC), des sogenannten Dickbank-Sandsteins3. Dieser wurde in älteren Arbeiten als „Unterer Miltenberger Sandstein“ bezeichnet. Der größte Teil des bis zu 80 m mächtigen Sedimentpaketes steht im Bereich der Talflanken an. Größtenteils in den Kuppenbereichen wird die Calvörde-Folge von den Sandsteinen der Bernburg-Formation (suB) abgelöst. Der etwas grobkörnigere Basissandstein (suBB) erreicht eine Mächtigkeit von 25-30 m. Diese Einheit wurde ursprünglich als „Oberer Miltenberg Sandstein“ bezeichnet.

Erst im Übergang zum Vogelsberg treten der Tonlagensandstein (suBT) zu Tage, der der Miltenberger Wechselfolge der älteren Literatur entspricht4. Er bildet den Sockel im Übergang zur Erhebung der „Vier Fichten“ und erreicht im Profil eine Mächtigkeit von 40-45 m. Bei dem blassvioletten Sandstein sind häufig mehr Tonanteile enthalten, daneben treten zwischen den einzelnen Sandsteinlagen häufig Tonlagen auf.

Die Volpriehausen-Formation im Hangenden gehört bereits dem Mittleren Buntsandstein an. Zunächst bildet der Volpriehausen-Geröllsandstein (smVS) die Basis dieser Formation. Bei diesen Gesteinen handelt es sich um eher mittel- bis grobkörnige Sandsteine häufig mit Tongallen und Geröllen als Einschlüsse. Diese Einheit ist maximal 28 m mächtig. Diese Sandsteine bilden den Untergrund der „Vier Fichten“ nördlich des Kinzigtales bei Neuwirtheim.

Höhenlagen und Verebnungen in der Umgebung des Wirtheimer Kringels. Datengrundlage: Bayerische Vermessungsverwaltung; Bearbeiter: Jürgen Jung, Spessart-GIS

Höhenlagen und Verebnungen in der Umgebung des Wirtheimer Kringels

In der Geologischen Übersicht ist deutlich ein Netz von Verwerfungen zu verfolgen. Häufig sind einzelne Buntsandsteinschollen gegeneinander versetzt. Im Bereich von Hochschollen treten sogar in den Tälern die Ton- und Schluffsteinserien des Bröckelschiefers zu Tage. Dies kann im Bereich des Kasselgrundes und am Hirschbach beobachtet werden, ist ansonsten aber typisch für den Aufbau der Sandsteinstufe, die bei Gelnhausen in nord-südliche Richtung verläuft5.

Neben den Gesteinen des Buntsandsteins treten auch tertiäre Vulkanite entlang der Verwerfungen auf. Im Kasselgrund ist einer von drei kleineren, im Spessart bekannten Vulkanstilen aufgeschlossen und im Steinbruchbetrieb genutzt worden. Die basaltischen Vulkanite stehen in Verbindung zum Vogelsberg-Basalt und den Ausläufern im Nordspessart (Alsberger Plateau) und im Schlüchterner Becken.

Die tertiären Basaltergüsse korrelieren zeitlich mit intensiven Verwitterungsprozessen, die unter einem tropenähnlichen Klima chemisch den Gesteinsuntergrund zersetzten. Bei neueren geologischen Kartierungen im bayerischen Spessart wurde von dieser intensiven Verwitterungen berichtet6, die in der kreide- und tertiärzeitlichen Verwitterungsdynamik begründet ist7. Zuvor hatten die Kartiere im hessischen Spessart bzw. in den Randlagen des Vogelsberges die Verwitterungsbildung beschrieben und interpretiert8. An den „Vier Fichten“ äußert sich diese Verwitterung in einer intensiven Entfärbung der Sandsteine. Die chemische Lösung und Fortführung des eisenhaltigen Bindemittels führt letztlich auch zu einer Aufweichung des Gesteins. Im Übergang zum Vogelsberg können die Reste dieser Verwitterung mehrfach beobachtet werden. Offenbar wurden sie im Umfeld von Basalten häufig konserviert und sind der eiszeitlichen Abtragung nicht zum Opfer gefallen.

Hangneigungen in der Umgebung des Wirtheimer Kringels. Datengrundlage: Bayerische Vermessungsverwaltung; Bearbeiter: Jürgen Jung, Spessart-GIS

Hangneigungen in der Umgebung des Wirtheimer Kringels

Während die Formungsprozesse des Tertiärs weitestgehend auf die Bildung von sogenannten Rumpfflächen ausgerichtet waren, die im Untergrund mit der chemischen Verwitterung korrespondierten, wurden auch initiale Gewässernetze angelegt. Die Kinzig ist ein Beispiel für ein sehr frühes, jungtertiäres Gewässersystem9. Während die heutige Talaue die Schotter und feinkörnigen Sedimente der Eiszeiten führt, die zum Teil in verschiedenen Terrassen gegliedert sind, ist die Ur-Kinzig auf einem höheren Niveau zu suchen. Die Terrassen im Bereich 200 m ü. NN bis auf 250 m ü. NN können den ersten Talbildungsprozessen zugeschrieben werden.

Dementsprechend ist die Verebnung am Kringel bei 200 m ü. NN aufgrund der Höhenposition als Kinzigterrasse zu interpretieren. Auch wenn der Sedimentbestand nicht eindeutig ist, da man Gerölle als eindeutige Beweise für fluvialen Transport vermisst, so muss man die fluviale Formung dennoch annehmen. Entweder wurden nur feinkörnige Substrate in der Urkinzig geführt und evtl. abgelagert oder die fluvialen Sedimente sind unter äolischen oder solifluidalen Ablagerungen der Eiszeiten bedeckt. Die Reliefsituation ist insgesamt aus einer Kombination der tertiären Landschaftsformung mit den Resten der tertiären Rumpffläche in den Höhenrückenbereichen und der eiszeitlichen Formung vorwiegend mit der Eintiefung de Fließgewässer zu sehen. Die Hangneigungskarte veranschaulicht noch einmal den Wechsel von ausgedehnten Flachbereichen und Hangbereichen als Flanken des Gewässersystems.

Landnutzung in der Umgebung des Wirtheimer Kringels. Datengrundlage: Statistisches Bundesamt Wiesbaden 1997; Bearbeiter: Jürgen Jung, Spessart-GIS

Landnutzung in der Umgebung des Wirtheimer Kringels

Insgesamt ergibt sich aus der Zusammenschau der naturgeographischen Gegebenheiten eine naturräumliche Gliederung des Gebietes. Demzufolge wird Wirtheim mit dem Kringel zum „Nördlichen Sandsteinspessart“ zugerechnet10, dem auch noch Talaue der Kinzig zugeschlagen wird. Nördlich der Kinzig liegen zwar vergleichbare geologische Verhältnisse vor, allerdings leiten die Sandsteine hier zum großen Basaltkegel des Vogelsberges über. Diese Einheit wird als Büdinger Wald bezeichnet. Die Landnutzungskartierung zeigt ein für das Buntsandsteingebiet typisches Bild. Im Gebiet dominieren ausgedehnte Wälder an der aktuellen Landnutzung. Während im Büdinger Wald ein hoher Laubholzanteil vorherrscht, sind es südlich der Kinzig die Nadelhölzer. Vermutlich pausen sich in der Waldbestockung historische Nutzungen durch, die im Gebiet von Bad Orb mit der Salzsiederei, im Gebiet um Bieber mit dem Bergbau auf Kupfer und andere Buntmetallen und evtl. im Kasselgrund mit den vorgeschichtlichen Aktivitäten um die Alteburg in Verbindung gebracht werden können. Letztlich wurden die waldfreien Gebiete vergleichbar dem zentralen Glashüttenspessart, im 18. und 19.  Jahrhundert vorwiegend mit schnellwachsenden Nadelhölzern aufgeforstet.

Verkehrsgeographisch war das Kinzigtal in vielen geschichtlichen Epochen nachweislich interessant und eine wichtig Verbindungsachse zwischen den Zentren Frankfurt und Fulda/Leipzig. In diesem Kontext ist auch die geographische Situation des Wirtheimer Kringels zu bewerten. Tatsächlich befindet sich die Anlage an einer besonderen Engstelle im Kinzigtal und gleichzeitig in der Nähe der Aufweitung in Richtung Untermainebene. Ob die Anhäufung von vorgeschichtlichen Ringwallanlagen (Alteburg bei Biebergemünd-Kassel, Hainkeller bei Biebergemünd-Lützel, Burgberg bei Biebergemünd-Bieber) mit der günstigen verkehrsgeographischen Situation zusammenhängt oder mit einer frühen Nutzung der Salzvorkommen bei Bad Orb bzw. der Eisenerzvorkommen im Lochborn bei Bieber, konnte bislang noch nicht abschließend geklärt werden.


Jürgen Jung, Kleinwallstadt 2015

  1. http://www.biebergemuend.de/
  2. Josef Schwarzmeier, Winfried Weinelt, Erläuterungen zur Geologischen Karte von Bayern 1:100 000 Naturpark Spessart, München 1981.
  3. Josef Schwarzmeier, Geologische Karte von Bayern. Blatt Nr. 5923 Rieneck, Augsburg 2013.
  4. Subkommission Perm-Trias, Beschlüsse zur Festlegung der lithostratigraphischen Grenzen Zechstein/Buntsandstein/Muschelkalk und zu Neubenennungen im Unteren Buntsandstein in der Bundesrepublik Deutschland, in: Zeitschrift für Angewandte Geologie 39 (1993), S. 76–81.
  5. Jürgen Siebert, Der Spessart. Eine landeskundliche Studie, Breslau 1934.
  6. Josef Schwarzmeier, Geologische Karte von Bayern. Erläuterungen zum Blatt Nr. 5923 Rieneck, Augsburg 2013.
  7. Jürgen Jung, GIS-gestützte Rekonstruktion der neogenen Reliefentwicklung tektonisch beeinflusster Mittelgebirgslandschaften am Beispiel des Spessarts (NW-Bayern, SE-Hessen). Diss. Geogr. Inst. Würzburg, Würzburg 2006.
  8. Karl-Heinz Ehrenberg, Helmut Hickethier, Erläuterungen zur Geologischen Karte von Hessen 1:25000. Blatt Nr. 5623 Schlüchtern, Wiesbaden 1971. – Karl-Heinz Ehrenberg, Helmut Hickethier, Erläuterungen zur Geologischen Karte von Hessen 1:25000. Blatt Nr. 5620 Ortenberg, Wiesbaden 1978. – Karl-Heinz Ehrenberg, Helmut Hickethier, Erläuterungen zur Geologischen Karte von Hessen 1:25000. Blatt Nr. 5622 Steinau a. d. Str., Wiesbaden 1982. – Gisbert Diederich, Karl-Heinz Ehrenberg, Erläuterungen zur Geologischen Karte von Hessen 1:25000. Blatt Nr. 5721 Gelnhausen, Wiesbaden 1977.
  9. Günter Seidenschwann, Zur pleistozänen Entwicklung des Main-Kinzig-Kahl-Gebietes, Bd. 91, (Rhein-Mainische Forschungen) Frankfurt am Main 1980. – Günter Seidenschwann, Geologie und Geomorphologie des Main-Kinzig-Kreises. Der Naturraum und seine Entwicklung, in: Sabine Wolfram, Claus Bergmann (Hg.), Hanau und der Main-Kinzig-Kreis (Führer zu archäologischen Denkmälern in Deutschland Bd. 27), Stuttgart 1994, S. 13–26.
  10. Emil Meynen, Josef Schmithüsen, Handbuch der naturräumlichen Gliederung Deutschlands (Veröff. Bundesanstalt für Landeskunde), Remagen 1955.