Die archäozoologische Analyse des Hundeskeletts von
der Ketzelburg*
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von Milan Aldorf

Im Labor für Paläobotanik und Paläoökologie in České Budějovice wurden die Knochen des Hundes von der Ketzelburg vermessen und untersucht.Im Labor für Paläobotanik und Paläoökologie in České Budějovice (Budweis)1 wurde ein bei den Ausgrabungen auf der Ketzelburg bei Haibach im Jahre 2004 gefundenes Hundeskelett analysiert2. Das Skelett lag in einer in den Felsen eingetieften Grube innerhalb des Wohnturms, ungefähr 0,8 m unter der Oberfläche. Der Tierkörper wurde sorgfältig mit flachen Steinen abgedeckt. Darüber befindet sich ein Stampflehmboden, der mit der Nutzung des Wohnturms in Zusammenhang steht. Gefäßscherben aus der Grubenverfüllung sowie aus den darüber liegenden Auffüllungen datieren in das Ende des 12. Jahrhunderts. Die Anlage wurde nach wenigen Jahrzehnten aufgelassen und nie wieder aufgebaut. Aus archäologischer Sicht kann das Hundeskelett damit mit hoher Wahrscheinlichkeit in die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts datiert werden.

Da das Skelett direkt auf dem gewachsenen Felsen auflag, war eine Blockbergung nicht möglich. Die Entnahme des Skeletts erfolgte in zahlreichen, fotografisch dokumentierten Einzelschritten. Die entnommenen Knochen wurden dabei jeweils gesondert verpackt. Bei der Hebung des Skeletts wurden einzelne Knochen minimal beschädigt. Sorgfältig für den Transport gesichert wurde das Hundeskelett im Frühjahr 2005 dem Labor für Paläobotanik und Paläoökologie in České Budějovice vorgelegt. Die Knochen waren nicht gewaschen, nur grob gereinigt.

Das Verfahren

Vor dem Kopf des Hundes fand sich ein Knochen. Ging man anfangs von einer Grabbeigabe aus, so ergab die Analyse des Hundeskeletts, dass der Knochen zum linken Vorderbein des Hundes gehörte.

Die anatomische Bestimmung wurde unter Verwendung der Sammlung der naturwissenschaftlichen Abteilung des Archäologischen Instituts der Tschechischen Akademie der Wissenschaften und anatomischer Atlanten durchgeführt3. Das gesamte Skelett wurde metrisch ausgewertet. Die Knochen wurden nach Angela von den Drieschs methodischem Werk vermessen4. Das Alter wurde auf Grund des Verwachsens der Epiphysen festgestellt5 und diente in erster Linie zur Korrelation des anhand der Zähne postulierten Alters6 des Hundes. Die Schulterhöhe wurde anhand der Längenabmessungen der unbeschädigten Langknochen unter Verwendung der von Angela von den Driesch und Joachim Boessneck veröffentlichten Vergleichswerten errechnet7.

Die Knochen wurden im Labor nicht gewaschen, befürchtete man doch ein Zerbröseln bereits beim Einweichen mit Wasser. Das nur grob anhaftende Erdreich wurde entfernt. Nach dem Vermessen der Maximallängen wurden die Knochen wenn möglich zusammengeklebt.

Die Analyse

Das Skelett enthielt 54 ganze und 64 fragmentierte Knochen8. Damit lagen insgesamt 118 Knochen zur Untersuchung vor. Das Gewicht des Skeletts beträgt 334 Gramm. Die Knochen sind sehr brüchig und stark erodiert. Die Farbe der Knochen weist auf saureres Bodenmilieu und auf eine deutliche Nähe eines pflanzlichen Wurzelsystems hin9. Außerdem können wir Verlagerungen durch den Verwesungsprozess oder durch Wurzelwerk beobachten. Vor allem ist an dieser Stelle eine Bodenverschiebung in horizontaler Richtung zu nennen, welche die Entfernung einiger Knochen vom Rest des Skeletts erklären würde. Eine markante Verschiebung wurde beim Radius dextra beobachtet10. Der Schädel ist im Ganzen mit beiden Mandibula erhalten. Es fehlen einige Wirbel, ein Teil des Beckens und ein Teil der Mittelhand- und Fußwurzelknochen. Außerdem fehlen vier Rippen und der rechte Radius11.

Alter, Geschlecht und Todesart

Das Verwachsen der Epiphysen gibt als Mindestalter des Hundes zwei Jahre an. Der Zahnung zufolge kann das Alter auf mehr als 10 Jahre geschätzt werden. Die Alveolarbetten sind stark abgenutzt, das Dentin stark abgewetzt und die unteren Molaren M2 und M3 fehlen ganz. Hinzu kommt eine Vernarbung in der Mandibula. All dies spricht dafür, dass der Hund zum Zeitpunkt seiner Bestattung noch älter gewesen sein dürfte. Der Penisknochen (os penis) zeigt, dass wir es mit einem Rüden zu tun haben.

Die oben erwähnte Verwitterung der Knochen tritt am deutlichsten an den kleinen und kurzen Knochen zu Tage. Davon nicht betroffen sind die spongiösen Knochen, also jene Bestandteile des Skeletts, die ausgeprägte, mit schwammigem Knochenmaterial gefüllte Hohlräume zur Blutbildung aufweisen. Die langen Knochen und der Schädel sind weniger erodiert. Insgesamt erschwert die Oberflächenverwitterung vieler Teile eine genaue Aussage zur Todesursache. Allerdings wurden an der Knochenoberfläche keinerlei Einschnitte, Brandspuren oder Bissmale vermerkt, die auf einen gewaltsamen Tod schließen ließen. Das Fehlen von Bissen spricht dafür, dass der Kadaver bald nach seinem Tod bestattet worden sein dürfte. Zu den registrierten pathologischen Veränderungen gehören Brachymelie – Verbiegung, Verkürzung einiger langer Knochen, insbesondere des Humerus und Femur, in Folge von Veredelung.

Mit Hilfe der Metrik, der detaillierten Vermessung des Knochenmaterials12, lässt sich für den Hund von der Ketzelburg eine Schulterhöhe von 43,2 cm errechnen13. Es handelt sich bei dem Hund um ein Individuum mittleren Wuchses.

Fazit

In den Fundamenten des Wohnturms der Ketzelburg wurde ein über zehnjähriger Hund (Canis lupus f. familiaris) gefunden. Seine Schulterhöhe von 43,2 cm spricht für einen mittleren Wuchs. Am Humerus ist eine für massiveren Körperbau und verkürzte Gliedmaßen typische Krümmung hervorstechendstes Merkmal.

Der Hund weist hinsichtlich seiner Größe und Zahnungscharakters zu keinerlei ins Extreme gehende Merkmale aus, wie wir sie bei den heutigen Hunderassen beobachten können, wie beispielsweise Verkürzung der Gliedmaßen, Robustheit oder Zierlichkeit des Körpers, extreme oder verlängerte Gesichtsteile des Schädels. Der robust gebaute Hundetyp konnte als Schäfer-, Jagd- oder Wachhund dienen.

* Überarbeitete Fassung eines Artikels, veröffentlicht in Harald Rosmanitz, Die Ketzelburg in Haibach. Eine archäologisch-historische Spurensuche (Neustadt a. d. Aisch 2006), S. 103-106

  1. Die Untersuchung durch den Autor fand in der Jihočeská univerzita v Českých Budějovicích, Biologická fakulta katedra botaniky, LAPE – Laboratoř archeobotaniky a paleoekologie statt.
  2. Das Hundeskelett lag in einer in den Felsen eingetieften Grube in Schnitt 7
  3. E. Schmidt, Atlas of Animal Bones (Amsterdam/London/New York 1972), Jan Kolda, Srovnávací anatomie zvířat domácích se zřetelem k anatomii člověka. (Brno 1936); Horst E. König u. Hans-Georg Liebich, Anatomie der Haussäugetiere (Stuttgart/New York 2005).
  4. Angela von den Driesch, A Guide to the Measurement of Animal Bones from Archeological Sites. Peabody Museum Bulletin 1 (Harvard 1976).
  5. Unter Verwendung von Schmidt 1972 u. Robert Barone, Anatomie comparée des mammifè domestiques. Tome I : Osteologie (Paris 1976).
  6. Karl-Heinz Habermehl, Die Alterbestimmung bei Haus- und Labortieren. (Berlin 1975).
  7. Alle Werte sind in Millimetern angegeben. Bei der Auswertung wurde die anatomische Terminologie nach Peter Popesko, B. Hájovská u. J. Kaman, „Nomina anatomica veterinaria“ (Bratislava 1974) u. Kolda 1936 verwendet.
  8. Die fragmentierten Knochen wurden in drei Größenkategorien eingeteilt: mehr als 1/2, weniger als 1/2, sowie kleinste Fragmente.
  9. Keinen Meter von der Fundstelle wächst eine hohe Eiche.
  10. Die Analyse der Knochen ergab, dass der als „Grabbeigabe in Form eines Fleischstück mit Knochen“ angesprochene Knochen unmittelbar vor der Schnauze des Hundes tatsächlich ein aus dem Verbund gelöster Knochen vom Vorderfuß des Hundes ist.
  11. Der rechte Radius ging offenbar verloren, als der Befund mehrere Tage offen lag. Er ist auf der Fotodokumentation noch sichtbar.
  12. Milan Aldorf, Archäozoologische Analyse des Hundeskelettfundes aus der mittelalterlichen Festung Haibach – Ketzelburg. Masch. Manuskript (České Budějovice 2006), Beilage 1–4.
  13. Die Ermittlung der Schulterhöhe erfolgt nach dem Koudelka-Index ( Joachim Boessneck, Kritische Anmerkungen zur Widerristhöhenberechnung aus Längenmassen vor- und frühgeschichtlicher Tierknochen, BLV 22 (4) 1974, 325–348; Driesch 1976).