Nichts als Scherben?

Die Funde von der Ketzelburg*
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von Harald Rosmanitz

Im Frühjahr 2006 konnten die Altfunde vom Klosterberg bei Hösbach-Rottenberg gesichtet werden. Dabei stellte sich heraus, dass die Anlage zeitgleich mit der Ketzelburg bestanden hat. Die Ausgrabungen auf der Ketzelburg erbrachten eine Vielzahl von Fundgegenständen. Sie lassen sich ohne weiteres den archäologischen Befunden zuordnen. Damit ist ihr wissenschaftlicher Aussagewert um vieles wertvoller als Alt- und Lesefunde von vergleichbaren Burgstellen aus dem Spessart1. Nur über eine solche Zuordnung gelingt eine Datierung der Befunde, sind gesicherte, weiterführende Aussagen zur Rolle der Ketzelburg in der Burgenlandschaft Unterfrankens zulässig.

Dennoch gestattet uns das Fundgut im vorliegenden Fall lediglich einen eingeschränkten Einblick in das tägliche Leben und die Sachkultur eines hochmittelalterlichen Burgstalls, da keine organischen Materialien wie Holz, Leder oder Textilien im Boden die Jahrhunderte überdauert haben. Hinzu kommt die systematische Ausräumung bei der Aufgabe der Burg.

Dennoch zeichnen die Funde ein facettenreiches und vielfältiges Bild von der Ausstattung der Gebäude und ihrem zugehörigen Hausrat. Zahlreiche Gegenstände und Geräte, die ebenso aus Handwerker-, Bauern- oder Kaufmannshaushalten stammen könnten, zeugen vom Alltag des Adelshaushalts auf dem Burgplateau bei Haibach.

Vor allem nach außen hin versuchte der Adel, diese schlichte Funktionalität des Alltags hinter sich zu lassen und sich so von den anderen sozialen Gruppen abzuheben. Der auf Abgrenzung bedachte höfische Lebensstil betraf besonders die Sachkultur, die ein geeignetes Mittel zur Repräsentation und Legitimation bildete2. Einige Funde spiegeln diese adelige Komponente wider. Für Haibach war es neben zwei Hufeisen, die im 12. Jahrhundert noch selten und teuer waren und vor allem für Schlachtrösser verwendet wurden, vor allem der Nachweis eines Becherkachelofens. Er verdeutlicht, dass man sich auf der Ketzelburg durchaus die neuesten und teuersten Trends in Sachen Wohnungseinrichtung leisten konnte.

Um das ganze Spektrum der Funde aus der Burg vorstellen zu können, wurde fast das gesamte Fundmaterial zeichnerisch aufgenommen3. Das Material befindet sich heute im den Sammlungen des Heimat- und Geschichtsverein Haibach – Grünmorsbach – Dörrmorsbach in Haibach.

Generell muss festgehalten werden, dass sich die Datierung der Funde trotz stratigraphischer Bezüge als sehr schwierig erwies. Der Mangel an eindeutig datierten Vergleichsbeispielen, von denen die wenigsten publiziert sind, erlaubt es lediglich, aufgrund typologischer Vergleiche der Gefäßkeramik Anhaltspunkte anzugeben. Die angeführten Datierungen geben somit nur einen groben Richtwert an4.

Wichtig war uns die Klärung der Frage, ob die Objekte eindeutig und ausschließlich nur einem oder mehreren Zeithorizonten zugewiesen werden können. Aufgrund der Einbindung der Funde in die Stratigraphie ist es möglich, ganz unterschiedliche Objekte wie Hufeisen, Steinbeile oder Webgewichte mit anderen, relativ datierten Funden der Burgstelle, wie der Keramik „Pingsdorfer Art“, zu vergesellschaften. Wir müssen uns damit nicht in jedem Fall auf typologische und stilistische Beobachtungen stützen, zumal diese bei den teilweise sehr langlebigen Formen durchaus problematisch sein könnten.

Das öffentliche Interesse bei der Erörterung des Stellenwerts und der Wertschätzung des geborgenen Fundgutes war schon während der Ausgrabungen enorm. Die Artefakte wurden im wahrsten Sinne des Wortes als begreifbare Nachweise dafür angeführt, dass der Burgstall in Haibach in der Region etwas ganz etwas Besonderes darstellt5. In den meisten Fällen beschränken sich die Untersuchungen der Fundobjekte auf die Typologie und Technologie von Gefäßkeramik, womit man schnell an die Grenzen der Aussagemöglichkeiten stößt. Es entsteht dabei, wie Christiane Keller bei ihrer Analyse der Gefäßkeramik aus Basel feststellen konnte6, oft ein einseitiges und abstraktes Bild von Objekten, die einst Gebrauchsgeräte und Alltagsgegenstände waren. Zusätzlich zu berücksichtigen ist darüber hinaus, dass archäologische Bodenfunde lediglich eine – weitgehend willkürliche – Auswahl darstellen, die unbedingt des Abgleichs mit Schrift- und Bildquellen bedarf. Im Falle der Funde von der Ketzelburg fällt es allerdings schwer, andere Quellengattungen als zeitgleiche Grabungsbefunde heranzuziehen7, um weiterführende Aussagen im Hinblick auf ihren ursprünglichen Kontext, ihre Bedeutung, Funktion und Wertschätzung zu gewinnen.

Die Bearbeitung der Funde von der Ketzelburg kann damit zwar einen wichtigen Beitrag zur Erforschung mittelalterlicher Sachkultur erbringen. Sie ist jedoch nur einer von vielen Bausteinen eines interdisziplinären Großprojektes, an dem Biologen, Geographen, Geologen, Historiker, Kunsthistoriker und Volkskundler ihre Kenntnisse zu einem bunten Webteppich an Informationen zusammenknüpfen8.

* Überarbeitete Fassung eines Artikels, veröffentlicht in Harald Rosmanitz, Die Ketzelburg in Haibach. Eine archäologisch-historische Spurensuche (Neustadt a. d. Aisch 2006), S. 71-74

  1. Hans – Werner Peine, Das Fundmaterial und seine Aussagen zum „alltäglichen Leben“ an der Klockenstraße. In: Bendix Trier (Hg.), Mittelalterliches Leben an der Klockenstraße. Eine Dokumentation des Westfälischen Museums für Archäologie zu den Ausgrabungen 1991 in der Warburger Altstadt (Warburg 1995), 81f. Alt- und Lesefunde von der Ketzelburg sind nicht bekannt.
  2. Hans – Werner Peine, Grauer Alltag und farbige Pracht – Adelshaushalte und höfische Kultur im Spiegel westfälischer Bodenfunde. In: Mamoun Fansa (Hg.), Aus dem Leben gegriffen. Ein Rechtsbuch spiegelt seine Zeit (Odenburg 1995), 261–27o.
  3. Die Fundstücke aus Blei und Eisen waren zum Zeitpunkt der Publikation noch nicht restauriert. Ihre Auswertung ist einer späteren Veröffentlichung vorbehalten.
  4. Dabei ist uns bewusst, dass kleinere Umstellungen im Katalog durchaus möglich sind. Für zahlreiche Fragmente werden erst Neufunde und eine weitere Sichtung der Altbestände Klarheit über ihre zeitliche Einordnung liefern.
  5. Ein solches Alleinstellungsmerkmal erhält die Ketzelburg jedoch weniger wegen seines Fundmaterials. Sie hat diese Stellung vielmehr inne als die am gründlichsten untersuchte und dokumentierte Niederadelsburg im Spessart.
  6. Christine Keller, Gefässkeramik aus Basel. Untersuchungen zur spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Gefässkeramik aus Basel. Typologie – Technologie – Funktion – Handwerk (Basel 1999), 157
  7. Zeitgenössische Schrift- und Bildquellen, die sich mit den Dingen des Alltags beschäftigen, sind für das ausgehende 13. Jahrhundert für den Untermain nicht überliefert. Ebenfalls verzichten müssen wir auf die Vielzahl von Alltagsbezügen auf Altargemälden, wie sie ab dem 15. Jahrhundert verfügbar sind.
  8. Dazu auch Barbara Scholkmann, Sachen und Menschen. Der Beitrag der archäologischen Mittelalter- und Neuzeitforschung. In: Helmut Hundsbichler, Gerhard Jaritz u. Thomas Kühtreiber (Hgg.), Die Vielfalt der Dinge. Neue Wege zur Analyse mittelalterlicher Sachkultur. Gedenkschrift in memoriam Harry Kühnel. Forschungen des Instituts für Realienkunde des Mittelalters und der frühen Neuzeit. Diskussionen und Materialien Bd. 3 (Wien 1998) 1998, 63–83; Sven Schütte, Archäologie und materielle Kultur im Hoch- und Spätmittelalter. Diskussionsbeiträge zur Sachkulturforschung. In: Mamoun Fansa (Hg.), Aus dem Leben gegriffen. Ein Rechtsbuch spiegelt seine Zeit (Odenburg 1995), 105–119.