Von wohliger Wärme und Energiesparern

Der Kachelofen von der Ketzelburg*
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von Catrin Ackermann und Harald Rosmanitz

Die älteste Darstellung eines Kachelofens. Umzeichnung einer Miniatur aus einer um 1250 entstandenen Würzburger Handschrift. Bayerische Staatsbibliothek München, Lat. 23256. Umzeichnung: Harald Rosmanitz, PartensteinDer Gebrauch des Feuers zum Kochen und zum Heizen ist ein Grundbedürfnis des Menschen. Man war immer bestrebt, durch technische Innovationen die von der Natur zur Verfügung gestellte Energie möglichst umfassend und angemessen zu nutzen. Dies lässt sich besonders deutlich an der Entwicklung der Raumheizung ablesen.

Die ersten gesicherten Nachweise eines Kachelofens stammen aus fränkischer Zeit1. Man fügte anfangs vereinzelt und später flächendeckend einfache Keramiken in die Ofenwandungen ein. Dadurch wurde die Ofenoberfläche vergrößert, der Wirkungsgrad der Wärmeabstrahlung verbessert und somit auch der Brennstoffverbrauch gegenüber der offenen Feuerstelle erheblich gesenkt. Der Einbau von Keramik verminderte zudem das Gesamtgewicht eines Ofens, da die Dicke der Wandung verringert werden konnte. Diese mehrfach optimierte Raumheizung sollte für annähernd tausend Jahre den Wohnraum in Mitteleuropa entscheidend prägen.

High Tech

Das Einfügen von Gefäßen in eine Lehmkonstruktion hatte schon lange vor der Erfindung des Kachelofens bei römischen und byzantinischen Kuppelbauten sowie bei der Konstruktion gewölbter Brennöfen Anwendung gefunden2. Mit dem Einbau von Keramik ließ sich das Gesamtgewicht erheblich verringern. Ein weiterer Vorteil gegenüber einer offenen Feuerstelle bestand darin, dass die Raumheizung ein geschlossenes System darstellte. Es wurde von einem gesonderten Raum aus beheizt, ohne störende Rauchentwicklung in der Stube befürchten zu müssen. Es ist nicht genau bekannt seit wann die Kachelöfen jene Form besaßen, die wir heute als typisch empfinden. Die Untersuchungen an frühen Kachelöfen, wie sie seit dem 8. Jahrhundert für Südwestdeutschland, für die Schweiz und für das Elsass belegt sind, sprechen dafür, dass die ersten Kachelöfen im Umfeld von Werkstätten standen und zur technischen Ausstattung gehörten. In anderen Fällen legt der Grabungsbefund nahe, dass die Öfen zur Erzeugung von warmer Luft dienten, die in Kanälen zu beheizbaren Innenräumen abgeleitet wurde3.

Spätestens seit Mitte des 11. Jahrhunderts sind jene Öfen archäologisch nachgewiesen, die direkt in der Stube standen und dort in der kalten Jahreszeit für wohlige Wärme sorgten4. Eine vorbildliche Untersuchung der Kachelöfen auf Schweizer Burgen durch Jürg Tauber erbrachte den Nachweis, dass im Mittelalter innerhalb eines Wohnareals gleichzeitig sowohl das offene Feuer im Kamin, als auch die stetige Wärme des Kachelofens verfügbar waren5.

Über das Aussehen der ersten Kachelöfen sind die Informationen nur ungenügend. Die früheste bisher bekannte bildliche Darstellung eines Kachelofens findet sich in einer kurz nach 1250 entstandenen Würzburger Handschrift6. Man darf sich diese Öfen so vorstellen, wie sie auf zwei Fresken in Konstanz und Zürich vom Anfang des 14. Jahrhunderts und auf der Züricher Wappenrolle dargestellt wurden: Es sind jeweils zweistufige Öfen, bestehend aus einem beheizbaren Feuerkasten und einem darüber liegenden Oberofen, der die Wärme des aufsteigenden Rauchs aufnimmt. Die gesamte Ofenkonstruktion steht auf einem gemauerten Sockel7.

Die Erfindung des Kachelofens ist typisch für den Umgang mit technischer Keramik im Mittelalter. Die ständige Suche nach dem Optimieren von Funktion und Form führte zu ständiger Veränderung, allerdings nur beim äußeren Erscheinungsbild. An der einmal gefundenen Funktionsweise wurden keine grundlegenden Änderungen vorgenommen. Neuerungen zur Verminderung des Holzverbrauchs wie der Einsatz keramischer Ofenzüge, Putzkacheln oder Lüftungsklappen sollten erst zu Beginn des 18. Jahrhunderts nachhaltigen Anklang finden8.

Der Kachelofen diente von Anfang an nicht alleine zum Beheizen des Wohnraumes. Er wurde von einer kniehohen hölzernen Bank, der Ofenbank, umschlossen, auf der sich die Bewohner niederlassen und wärmen konnten. Hinzu kommen von der Decke hängende Stangen, an denen sich Kleidungsstücke oder Lebensmittel rußfrei trocknen ließen. Ab 1400 lassen sich Ofeneinbauten wie Backfächer und Wasserblasen archäologisch belegen. Entsprechende Vorrichtungen zum Garen von Speisen und zum Anwärmen von Wasser dürften aber auch die älteren Becherkachelöfen besessen haben.

Die ältesten Ofenkacheln wurden in Form von Bechern auf der schnell drehenden Töpferscheibe geformt und in losem Verband in die aus einem Gemisch aus Stroh, Spelzen, Pferdehaaren und Lehm bestehende Ofenwandung eingebaut9. Aufgrund ihrer thermischen Belastung durch die Strahlungswärme kam für die Ofenkeramik ausschließlich eine unterschiedlich stark gemagerte Masse aus hoch brennendem Irdenwareton zum Einsatz. In die in ihrer Grundform gedrungenen Öfen des hohen und späten Mittelalters waren zwischen 100 und 200 Kacheln dieser Art in loser Folge eingebaut.

 

Die Ofenkacheln von der Ketzelburg

Kacheln gehören zur Gruppe der Baukeramik. Sie waren nicht zur Aufbewahrung von Speisen und Getränken bestimmt, sondern wurden als sichtbare Konstruktionselemente in Öfen verbaut. Bei den auf der Ketzelburg gefundenen Fragmenten ist allerdings eine Unterscheidung zwischen Bau- und Gebrauchskeramik nicht unbedingt einfach, gehören die dort aufgefundenen Kachelfragmente doch zu einer frühen Kachelform, den Becherkacheln, die der Gebrauchskeramik noch stark ähnelt. Unter Becherkacheln versteht man im Allgemeinen Kacheln mit konischer, trichterförmiger oder auch zylindrischer Wandung, die in verschiedensten Formen vorliegen. Ihr Mündungsdurchmesser ist kleiner als ihre Gesamthöhe. Ab dem 13. Jahrhundert wurden sie regelhaft mit der Drehscheibe hergestellt. Die Becherkacheln von der Ketzelburg, die in die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts datieren, belegen, dass diese Fertigungstechnik zumindest am Untermain schon längere Zeit davor in Gebrauch war. Die Wandung ist beidseitig oder auch einseitig gerieft. Die Riefen dienten dazu, die Widerstandsfähigkeit der Kacheln gegen seitlichen Druck zu erhöhen10. Zudem verliehen sie der Keramik in der Lehmwandung des Ofens einen deutlich besseren Halt.

Zwei Gruppen

Die Kacheln von der Ketzelburg kann man in zwei Gruppen unterteilen: Zur ersten Gruppe gehören poröse helle Scherben, die auf der Töpferscheibe hergestellt wurden11. Bei den besser erhaltenen Stücken sind die Drehriefen auf den Außen- und Innenseiten noch deutlich zu erkennen. Die äußeren Randdurchmesser betragen soweit feststellbar zwischen 9,0 und 12,8 cm, die der Böden ca. 4,4 cm. Die erhaltene Wanddicke liegt zwischen 0,5 und 0,8 cm. Die Scherben bestehen aus mit schwarzen und weißen Sandanteilen sowie teilweise auch mit Glimmer gemagerter Irdenware, von weißer bis gelblicher und grauer Farbe. Teilweise kleben Reste von Ofenlehm an den Außenseiten der Keramiken. Sowohl außen als auch innen befinden sich Riefen von unterschiedlicher Breite. Der Hals ist beidseitig glatt gearbeitet und geht fast ohne Zäsur in den leicht verdickten, gerundeten Rand über. Die aufgefunden Unterteile der Kacheln besaßen einen gekniffenen Fuß. Vereinzelt weisen die Fragmente der ersten Gruppe einen Engobeauftrag auf12. Die Kachel wurde noch in lederhartem Zustand mit ihrer Mündung in einen dickflüssigen, stark eisenhaltigen Tonbrei eingetaucht. Im Gegensatz zum eisenarmen Scherben nahm die stark eisenhaltige Engobe nach dem Brennen eine rötliche Farbe an. Becherkacheln mit gerundetem Rand und gekniffenem Fuß sind am gesamten Untermain verbreitet, so in Aschaffenburg13, Frankfurt a. Main14, Großostheim15, Hanau16, Kleinwallstadt17 und Seligenstadt18. Weiter östlich bestückte man die Becherkachelöfen an ihrer Stelle mit reduzierend gebrannten Spitzkacheln. Bis auf die Kacheln von Großostheim ist in allen Fällen eine Vergesellschaftung mit pingsdorfartiger, rot bemalter Feinware nachgewiesen. Damit lassen sich die Becherkacheln der Gruppe 1 in die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts und in das beginnende 13. Jahrhundert datieren19.

Die zweite Gruppe bilden Scherben von rötlicher bis roter Farbe, ebenfalls hart gebrannter Irdenware, die fein mit wenigen schwarzen Magerungsanteilen und Glimmer gemagert sind20. Auch diese Kacheln wurden auf der Töpferscheibe angefertigt, wie die deutlich erkennbaren Drehriefen belegen. Die erhaltene Wandstärke ist mit 0,5–0,6 cm geringer als bei der ersten Gruppe. Der Rand biegt leicht geschwungen aus und steigt dann mit verdickter Randlippe fast vertikal auf. Er ist gerundet und an der Innenseite durch zwei deutliche Kerben vom Hals abgesetzt. Die Wandung weist sowohl an der Außen- wie auch der Innenseite eine enge Riefung auf. Der äußere Randdurchmesser beträgt zwischen 10,6 bis 12,0 cm. Ein zugehöriges Bodenstück mit einem Durchmesser von 5,4 cm war unten glatt abgestrichen und wies noch Spuren eines Schneidedrahts auf. Den Funden und Befunden zufolge gelangten die Becherkacheln noch vor 1187 in die Erde. Ofenkacheln war in der Regel eine nur wenig längere Lebensdauer beschieden als hochwertiger Gebrauchskeramik. Waren die Kacheln in den Ofen eingebaut, musste spätestens alle zwei bis drei Jahre der Ofen komplett demontiert werden, um den durch den ständigen Temperaturwechsel gerissenen Lehmmantel zu erneuern und um der Verrußung des Ofeninneren Herr zu werden. Im Zuge solcher Arbeiten wurden auch einzelne defekte Kacheln ersetzt. So konnten die direkt dem Feuer ausgesetzten Kacheln im Feuerkasten bei Überfeuerung leicht zerplatzen. Aus den Rissen entwichen aus dem Ofeninneren störende oder sogar giftige Dämpfe21. Da man bei den Wartungsarbeiten die noch intakten Kacheln wieder einbaute, konnten andererseits zwischen der Herstellung einer Kachel und ihrer Entsorgung durchaus Jahrzehnte vergehen.

Warum auf der Ketzelburg zwei Gruppen von Becherkacheln geborgen wurden, ist nicht ganz klar. Die Kombinationen beider Kachelformen bei Ausgrabungen auf dem Theaterplatz in Aschaffenburg und in Seligenstadt legen nahe, dass beide Kachelformen in einen Ofenkörper eingebaut waren22. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass auf der nur kurz besiedelten Ketzelburg nacheinander zwei Kachelöfen standen. Auch war die Anlage insgesamt zu klein dimensioniert, um gleichzeitig mit zwei mit Kachelöfen beheizten, repräsentativen Räumlichkeiten aufzuwarten. Andererseits sind die Randformen der Gruppe 2 typisch für Becherkacheln aus dem 13. Jahrhundert23 wohingegen die erste Gruppe eher der Pingsdorfer Keramik imitierenden Vorspessartware aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhundert zuzuweisen wäre. Die drei Fragmente der Gruppe 2 lassen am ehesten an eine Ofenreparatur denken, bei der modernere Becherkacheln zum Einsatz kamen.

Becherkacheln mit gekniffenem Fuß waren am gesamten Untermain zwischen Frankfurt und Aschaffenburg verbreitet. Weiter östlich bestückte man in ihrer Grundstruktur ähnliche Kachelöfen zur gleichen Zeit mit reduzierend gebrannten Spitzkacheln. Karte: Jürgen Jung, Spessart-GISSchauen wir uns die Verbreitung der Kacheln auf dem Burghügel in Haibach an, so erkennen wir eine Konzentration bei den Fundamenten des Wohnturms (Schnitt 4-8)24, sowie im Bereich der Torrampe (Schnitt 13)25. Weitere Kachelfragmente stammen aus dem Grubenhaus und der nordöstlich anschließenden Grabenverfüllung (Schnitt 1 und 3)26. Die Verteilung der Becherkacheln über das gesamte Burgareal und die vergleichbar geringe Fundmenge27 führen uns vor Augen, dass wir es hier keinesfalls mit den Resten eines zerstörten und vor Ort verbliebenen, verstürzten Becherkachelofens zu tun haben. Vielmehr bestätigt die Streuung und Funddichte die Hypothese des systematischen Rückbaus der Burganlage, bei dem alles Verwertbare anderweitig wieder verwendet wurde. Lediglich der beim Abbau des Ofens anfallende Schutt blieb vor Ort.

Der Ofen bei Adel und Bürgertum

Der Großteil der Becherkachelscherben von der Ketzelburg lag unmittelbar neben den Fragmenten des Wohnturms. Außer den Kacheln haben sich bis auf kleinste Ofenlehmreste keine weiteren Spuren des Ofens gefunden. Ähnliches lässt sich für fast alle Öfen sagen, die sich in ähnlichen, in Fachwerktechnik errichteten Gebäuden befanden – standen die Kachelöfen doch in den seltensten Fällen im Erdgeschoss eines nicht unterkellerten Raumes28. Oft wurde das Erdgeschoss als Lagerraum, Werkstätte oder Verkaufsraum genutzt und die Wohnräume befanden sich im Obergeschoss. Demzufolge lassen sich die Überreste von Kachelöfen meist bestenfalls nur noch als verstürzte Haufen oder, wenn noch vorhanden, an aufgehenden Wänden feststellen29.

Das Aussehen des Kachelofens auf der Ketzelburg zu rekonstruieren, ist nicht zweifelsfrei möglich, da sich, wie bereits erwähnt, außer den Kacheln nichts erhalten hat. Auf der Abbildung in dem schon oben genannten Psalter aus Würzburg ist ein mehrstufiger Ofen mit Kacheln mit runden Mündungen zu sehen. Die Handschrift entstand um 1250 und ist damit mehr als ein halbes Jahrhundert jünger als die Ketzelburg. Wahrscheinlich entsprach der Kachelofen auf der Ketzelburg dem Nachbau eines Becherkachelofens in der Bachritterburg bei Kranzach, Kreis Sigmaringen. Die Rekonstruktion gründet ihrerseits auf der Analyse süddeutscher und nordschweizerischer Ofenbefunde, Becherkacheln sowie des verziegelten Ofenlehms30: Von einem quadratischen Fundament steigen die Ofenwände senkrecht auf und bilden so einen eckigen Kasten, auf dem als oberer Abschluss eine Kuppel sitzt.

Der Ofen auf der Ketzelburg war wahrscheinlich, wie der Großteil der heute bekannten mittelalterlichen Kachelöfen, ein so genannter Hinterladerofen, bei dem die Beheizung von einem Nebenraum aus vorgenommen wurde. Dies konnte die Küche oder auch die Diele sein31. Aus praktischen Gründen dürfte der Hinterladerofen mit der Herdstelle in der angrenzenden Küche verbunden gewesen sein, so dass er von dort aus beschickt werden konnte. In die Küche führte man auch den noch warmen Rauch ab. Die Teilung des Erdgeschosses des Wohnturms auf der Ketzelburg in zwei Hälften kann als Hinweis dafür gelten, diese Kombination auch für die Ketzelburg anzunehmen. Die Anlage zweier nebeneinander liegender Räume, mit offener Herdstelle in der Küche und einem Kachelofen im Wohnraum, findet sich im Hochmittelalter fast ausschließlich in adeligen und stadtbürgerlichen Anwesen32.

In der Forschung wird davon ausgegangen, dass spätestens mit dem Aufkommen der ersten Stuben die Voraussetzungen und Bedürfnisse für Kachelöfen geschaffen wurden. Das mittelhochdeutsche und frühneuzeitliche Wort “stube” ist seit Mitte des 12. Jahrhunderts nachgewiesen. Das ältere, seit dem 8. Jahrhundert belegte Wort “stuba” hatte wohl noch eine Doppelbedeutung und wurde sowohl für “heizbares Gemach” und “Baderaum” verwendet. Später bezeichnete die “stube” nur den “heizbaren Wohnraum”. Die frühesten, auf beheizbare Räume bezogenen Erwähnungen stammen aus Kärnten und Südtirol aus den 1190er Jahren. Sie beziehen sich auf Burgen und Adelssitze und werden wenig später auch im Zusammenhang mit Stadthäusern und Klöstern genannt. Dies bestätigt ebenfalls die Annahme, dass der Kachelofen zuerst in die Häuser der sozialen Oberschicht Einzug hielt. In Bauernhäusern scheinen sich die Stuben etwas später als beim Adel, etwa um 1300, etabliert zu haben. Eine rauchfreie Erwärmung der Zimmer ist allerdings auch mit anderen Heizanlagen, wie Warmluftheizungen oder aus Steinen gesetzten Öfen möglich. Im 12. und 13. Jahrhundert, aus dieser Zeit stammen auch die ersten Schriftquellen zu Stuben, tauchen in unserer Region im Fundgut vermehrt einfache Becherkacheln auf. Der Kachelofen dürfte sich zu jener Zeit gegenüber allen anderen Heizformen durchgesetzt haben33.

Ein ganz besonderer Luxus

Wie bei der Errichtung einer Burg so verfolgte man auch mit dem Setzen eines Ofens gleich mehrere Ziele. Der Kachelofen erhöht den Wohnwert und verweist zugleich auf die hohe soziale Stellung des Burgherrn, stellt er doch ein teures Statussymbol dar. Waren die Kacheln zumindest im Hochmittelalter noch vergleichsweise einfach auf der Töpferscheibe zu drehen, bedeutete allein die Anzahl der benötigten Keramiken für den Bauherren einen nicht zu unterschätzenden finanziellen Aufwand. Hinzu kamen die regelmäßigen Wartungsarbeiten und auch unsachgemäßes Heizen konnte schnell zu einer finanziellen Belastung werden. Trotz der auch in ländlichen Siedlungen, wie in Altenberg oder Wülfingen, gefundenen Kachelöfen, ist davon auszugehen, dass sich aufgrund der erheblichen sozialen Unterschiede nur Wenige eine solche Wärmequelle leisten konnte.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass auf der Ketzelburg in einem Obergeschoss des Wohnturms ein Kachelofen stand. Dies ist durch die Funde der Fragmente von Becherkacheln belegt. Sie lassen sich in zwei zeitlich differenzierbare Gruppen einteilen und weisen auf mindestens eine größere Reparatur hin. Das Fundament zeigt eine Zweiteilung der Grundfläche. Dies setzt zwar nicht zwingend eine vergleichbare Teilung für die oberen Wohnräume voraus, macht sie jedoch sehr wahrscheinlich. Durch die Trennung von Wohnraum und Küche, die im 12. Jahrhundert auf Adelssitzen zu finden ist, konnte der Ofen von seiner Rückseite, die mutmaßlich an die Wand zur Küche stieß, beheizt werden. So hielt man den zu beheizenden Raum frei von Rauch. Rückschlüsse auf das ursprüngliche Aussehen des Kachelofens der Ketzelburg sind jedoch mangels eindeutiger Befunde nur begrenzt möglich. Die wenigen Kachelscherben geben zu der Vermutung Anlass, dass der Ofen beim Rückbau der Burganlage vor 1187 systematisch abgetragen und anderweitig wieder aufgebaut wurde.

* Überarbeitete Fassung eines Artikels, veröffentlicht in Harald Rosmanitz, Die Ketzelburg in Haibach. Eine archäologisch-historische Spurensuche (Neustadt a. d. Aisch 2006), S. 85-91.

  1. Madeleine Châtelet, Ofenkacheln. In: Die Franken. Wegbereiter Europas. Vor 1500 Jahren: König Chlodwig und seine Erben (Mainz 1996), 1039f; Madeleine Châtelet u. Jean-Jaques Schwien, Strasbourg. Place des Bateliers. La céramique de du Moyen Âge. In: Archéologie du poêle en céramique du haut Moyen Âge à l’èpoque moderne. Technologie, dècors, aspects culturels. Actes de la table ronde de Montbéliard 23-24 mars 1995. Revue Archéologique de l´Est. Quinzième supplement (Dijon 2000), 15–31.
  2. Rosemarie Franz, Der Kachelofen. Entstehung und kunstgeschichtliche Entwicklung vom Mittelalter bis zum Ausgang des Klassizismus 2 (Graz 1981), 14–16; Otto Lauffer, Zur Geschichte des Kachelofens und der Ofenkachel in Deutschland. Wörter und Sachen. Kulturhistorische Zeitschrift für Sprach- und Sachforschung VI, H. 2, 1914 , 145–174; Rudolf Meringer, Zur Technik des Wölbens mit Töpfen (Kacheln). Wörter und Sachen 5, 1913, 203–204.
  3. Zusammenfassend bei Andrea Bräuning u. Sophie Stelzle-Hüglin, Drei Heizanlagen des ehemaligen Franziskanerklosters in Ulm. Zur Entwicklung der mittelalterlichen Luftheizung. In: Ralph Röber (Hrsg.), Mittelalterliche Öfen und Feuerungsanlagen. Materialhefte zur Archäologie in Baden-Württemberg 62 ( Stuttgart 2002), 35–54; Eva Roth Kaufmann, Ofen und Wohnkultur. In: Guy de Boe u. Frans Verhaeghe (Hg.), Material Culture in Medieval Europe. Papers of the ‘Medieval Europe Brugge 1997’ Conferences Vol. 7 (Zellik 1997), 471–483; Sophie Stelzle-Hüglin, Von Kacheln und Öfen im Mittelalter. Eine quellenkritische Betrachtung zum Forschungsstand. Historische Ausstattung. Jahrbuch für Hausforschung 50, 2004 , 319–339.
  4. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang beispielsweise die Ofenkacheln von der Frohburg, der Burg Schönenwerd oder von Grenchen in der nördlichen Schweiz. Sie lassen sich in die Mitte des 11. Jahrhunderts datieren (Jürg Tauber, Herd und Ofen im Mittelalter. Untersuchungen zur Kulturgeschichte am archäologischen Material vornehmlich der Nordschweiz (9.–14. Jahrhundert.) Beiträge zur Kulturgeschichte und Archäologie des Mittelalters 7 (Olten 1980), 292).
  5. Tauber 1980, 345–359.
  6. Bayerische Staatsbibliothek München, Lat. 23256 (dazu auch Lutz Jansen, Hochmittelalterliche Ofenkacheln im nördlichen Rheinland. Zeitschrift für Archäologie des Mittelalters 29, 2001, 199, Anm. 99 und Eva Roth Heege, Hinterm Ofen ist es warm. In: Andreas Heege, Einbeck im Mittelalter. Eine archäologisch-historische Spurensuche. Studien zur Einbecker Geschichte Bd. 17 (Oldenburg 2002), Abb. 454). Marianne Dumitrache, Matthias Henkel und Hans-Georg Stephan interpretierten das im Hintergrund an einer Stange hängende Dörrfleisch dahingehend, dass der Rauch wie bei einem offenen Herdfeuer im Scheitelpunkt des Oberofens nach außen trat (Marianne Dumitrache, Heizanlagen im Bürgerhaus. In: Stadtluft, Hirsebrei und Bettelmönch. Die Stadt um 1300 (Stuttgart 1992), 281; Matthias Henkel, Ofenkacheln in Hildesheim vom späten 13. bis zum 17. Jahrhundert. In: Karl Bernhard Kruse (Hg.), Küche, Keller, Kemenate. Alltagsleben auf dem Domhof um 1600. Ergebnisse der Grabungen an der Bernwardsmauer (Hildesheim 1990), 132–134; Hans-Georg Stephan, Kacheln aus dem Werraland. Die Entwicklung der Ofenkacheln vom 13. bis 17. Jahrhundert. Schriften des Werratalvereins Witzenhausen 23 (Witzenhausen 1991), 30). Ein archäologischer Nachweis ihrer Überlegungen konnte bislang noch nicht erbracht werden. Des Weiteren wäre zu berücksichtigen, dass bei einer solchen Konstruktion eines der Hauptelemente der Funktionsweise eines Kachelofens fehlen würde: Der Hitzestau. Der Abwärme wäre dann nicht ausreichend Möglichkeit gegeben, ihre Energie an die Kacheln abzugeben, womit die gesamte Konstruktion ab absurdum geführt würde. Annette Kniesche geht bei der Rekonstruktion des Neuenburger Ofens davon aus, dass der Scheitelbereich des Ofens mit einem abnehmbaren Element versehen war, um eine zeitweise schnelle und direkte Erwärmung des Ofens zu ermöglichen (Annette Kniesche, Ein romanischer Ofenkachelfund von der Neuenburg. Burgen und Schlösser in Sachsen-Anhalt 1993, 8). Aus Lübeck (Alfred Falk, Hoch- und spätmittelalterliche Ofenkacheln in Lübeck. In: Manfred Schneider (Hrsg.), Stralsunder Beiträge zur Archäologie, Geschichte, Kunst und Volkskunde in Vorpommern, Bd. 3 (Stralsund 2001), 67) und aus der Schweiz (Jakob Bill, Die Burg Wolhusen „Wiggern“ und ihre Öfen. Archäologie der Schweiz 11, 1988 , 102–105; Annamaria Matter u. Werner Wild, Neue Erkenntnisse zum Aussehen von Kachelöfen des 13. und frühen 14. Jahrhunderts – Befunde und Funde aus dem Kanton Zürich. Mittelalter. Moyen Age. Medioevo. Temp medieval. Zeitschrift des Schweizerischen Burgenvereins 2, 1997, 77–95) sind mehrere Öfen bekannt, die im Scheitel eine Keramik in Form eines Kopfes trugen und dem Ofen so insgesamt ein menschenähnliches Aussehen verliehen. Bei diesen Öfen kann ausgeschlossen werden, dass der Rauch und die Abwärme durch den Oberofen in den zu beheizenden Raum entwich.
  7. Jansen 2001, 198; Tauber 1980, 359–364.
  8. Harald Rosmanitz, Hinterm Ofen ist mir wohl. Zum Einsatz von Keramik im mittelalterlichen Kachelofenbau. In: Ulrich Löber (Hg.), Die zündende Idee – Keramik in der Technik (Koblenz 1997), 25–27.
  9. Andreas u. Gundula Christl, Ein spätmittelalterlicher Topfkachelofen aus der Cottbuser Altstadt. Ausgrabungen und Funde 36, 1991, 91–98; Jansen 2001, 198f.
  10. Sophie Stelze-Hüglin, Von Kacheln und Öfen. Untersuchungen zum Ursprung des Kachelofens und zu seiner Entwicklung vom 11.–19. Jahrhundert anhand archäologischer Funde aus Freiburg im Breisgau. Masch. Diss. (Freiburg 1997), 3; Tauber 1980, 295.
  11. Harald Rosmanitz (Hg.), Die Ketzelburg in Haibach. Eine archäologisch-historische Spurensuche, Neustadt a. d. Aisch 2006, Taf. 19.1–12.
  12. Damit unterscheiden sich die Kacheln deutlich von den Kacheln aus dem Rheinland, die nach Lutz Jansen keinerlei Verzierung aufwiesen (Jansen 2001, 197, bes. Anm. 85).
  13. Aschaffenburg, Theaterplatz (Aschaffenburg, Museen der Stadt Aschaffenburg).
  14. Magnus Wintergerst, Hoch- und spätmittelalterliche Keramik aus der Altstadt Frankfurt am Main. Schriften des Archäologischen Museums Frankfurt Bd. 18 (Frankfurt a. Main 2002), Taf. 24–26.1.
  15. Großostheim, Turmstraße (Aschaffenburg, Museen der Stadt Aschaffenburg/Großostheim, Bachgaumuseum, ohne Inv. Nr.).
  16. Hanau-Steinheim, Schloss (Hanau-Steinheim, Museum Schloss Steinheim).
  17. Kleinwallstadt, „Altes Schloss“, Ausgrabungen 2006.
  18. Seligenstadt, Große Rathausgasse 3 (Egon Schallmayer, Ausgrabungen in Seligenstadt. Zur römischen und mittelalterlichen Topographie. Saalburg-Jahrbuch 43, 1987 , 52f, bes. Abb. 46.276–279); Seligenstadt, Steinheimer Straße 4 (Gesine Weber, Archäologische Ausgrabungen in der Steinheimer Straße 4 in Seligenstadt, Kreis Offenbach. Berichte des Offenbacher Vereins für Naturkunde 100, 2000 , 53, Abb. 10f).
  19. Schallmayer 1987, 47f.
  20. Rosmanitz, Ketzelburg 2006, Taf. 20.1–4.
  21. Dumitrache 1992, 286; Jansen 2001, 204. Hans-Georg Stephan spricht von drei bis zwölf Jahren (Stephan 1991, 32).
  22. Nach freundlicher Mitteilung von Herrn Gerhard Ermischer, ehem. Museen der Stadt Aschaffenburg und Frau Gesine Weber, Kreisdenkmalpflege Offenburg.
  23. Christof Krauskopf, …davon nur noch wenige rutera zu sehen seyn sollen … Archäologische Ausgrabungen in der Burgruine Schnellerts. Kultur und Lebensformen in Mittelalter und Neuzeit 1 (Bamberg 1995), 49f, Taf. 26.
  24. Rosmanitz, Ketzelburg 2006, Taf. 19.1-2; 19.4-19.5.
  25. Rosmanitz, Ketzelburg 2006, Taf. 19.3; 19.7–10; 20.4.
  26. Rosmanitz, Ketzelburg 2006, Taf. 19.11; 19.12; 20.1–3.
  27. Die Fragmente von der Ketzelburg belegen maximal 14 Becherkacheln. Dies entspricht weniger als 10% des angenommenen Besatzes eines Becherkachelofens mit 140–160 Becherkacheln.
  28. Fundamente eines Kachelofens im Niederadelssitz von Eschelbronn im Kraichgau (Tilman Mittelstrass, Eschelbronn. Entstehung, Entwicklung und Ende eines Niederadelssitzes im Kraichgau (12. bis 18. Jahrhundert) (Stuttgart 1996), 52). Weitere Belege für die Fundamente von Becherkachelöfen stammen aus Stadthäusern in Winterthur und Freiburg i. Br. ( Werner Wild, Heizung im mittelalterlichen Winterthur. Die Entdeckung eines Kachelofens aus der Zeit um 1200 vor dem Hause Metzggasse 2. Winterthur Jahrbuch 1997 , 155).
  29. Roth 1997, 476.
  30. Matter/Wild 1997, 77–95; Mittelstrass 1996, 51–55.
  31. Antje Kluge-Pinsker, Vitrine 1, Kachelöfen. In: Das Reich der Salier 1024–1125 (Sigmaringen 1992), 215–218.
  32. Mittelstrass 1996, 54.
  33. Jansen 2001, 205–206; Roth 1997, 474–478.