Gesamtplan der Grabungsschnitte 1-5. Umzeichnung: Sabrina Bachmann, Heimbuchenthal

Gesamtplan der Grabungsschnitte 1-5

In den Jahren 2011 und 2012 wurde der Palas der Burg Wildenstein von den Burgfreunden Wildenstein in Zusammenarbeit mit dem ASP archäologisch untersucht. Anlass hierzu bot ein Schaden im Kellergewölbe des Palas, der im Herbst 2010 festgestellt wurde und dringenden Handlungsbedarf offenbarte. Neben Arbeiten im Keller selbst und der ursprünglich angedachten „Entschuttung“ über dem Kellergewölbe, erwiesen sich auch an dessen nördlicher und westlicher Außenseite Bodeneingriffe als erforderlich. Ziel der Grabungen war die fachgerechte archäologische Freilegung und Dokumentation der bestehenden Bausubstanz zur Erfassung des Erhaltungszustands im Vorgriff der Sanierung des Baukörpers. Gleichzeitig wurde im Kellergewölbe des Palas eine Sondage bis auf Höhe des gewachsenen Felsens angelegt. Hinzu kam die nachträgliche Dokumentation der 2011 wenige Wochen vor Grabungsbeginn durchgeführten, unsachgemäßen Bodeneingriffe nördlich des Palas1.

Die Ausgrabung durch das ASP beinhalteten insgesamt sechs Schnitte:

Schnitt 1

Schnitt 1 umfasst den nördlichen Zugang zum Gewölbekeller und das nördlich davor liegende Wegepflaster. Der mit einer hölzernen beziehungsweise steinernen Treppe versehene, tonnengewölbte Zugangsschacht des Kellers wurde kurz vor Niederlegung des Palas (Periode 6) nochmals umgebaut. Damals wurde die Treppe nach den beiden obersten Stufen mit einem etwa einen Meter breiten Plateau ausgestattet. Daneben erweiterte man deren westliche Mauerwange. Dies war notwendig geworden, als man zwischen der westlich des Treppenschachtes errichteten Rampe zum Erdgeschoss des Palas (Schnitt 3) und dem Kellerzugang einen kleinen, rechteckigen Raum anlegte. Bei den Untersuchungen zeigte sich sehr bald, dass dieses Areal bereits in den 1990er Jahren zwecks Abfuhr des Abraumes aus der Gewölbekellerverfüllung bis auf den gewachsenen Felsen ausgeräumt worden war. Zudem hatten rezente Ausbesserungen an den Mauerstrukturen die relativchronologische Bauabfolge teilweise unkenntlich gemacht. Die Wegepflasterung nördlich der Kellerrampe war bereits in den 1990er Jahren freigelegt worden. Eine Zuweisung zur neuzeitlichen Nutzungsphase (Periode 6) ist aufgrund der Schichtanschlüsse, insbesondere im Bereich der Zugangsrampe zum Erdgeschoss des Palas (Schnitt 3), sicher. Das Pflaster selbst wurde mehrfach teilerneuert. Besonders im Zuge der Umgestaltung des Kellerzugangs erfolgten erhebliche bauliche Veränderungen.

Schnitt 2

Durch Blidenbeschuss verursachter Prellschaden an der Nordwand des Palas (im Bereich des rechten Maßstabs)

Durch Blidenbeschuss verursachter Prellschaden an der Nordwand des Palas (im Bereich des rechten Maßstabs)

Schnitt 2 beinhaltet ein kleineres Gebäude, das der Nordostecke des Palas vorgelagert ist. Dieses wird eingeschlossen von der nördlichen Palasmauer sowie der von dort abzweigenden und nach Norden zu dem in die Ringmauer integrierten Turm führenden Mauer. Letztere kann der spätmittelalterlichen Ausbauphase (Periode 5) zugewiesen werden. Bei dem weitgehend aus Spolien errichteten Baukörper handelt es sich um einen mit einem Stampflehmboden versehenen, ursprünglich etwa einen halben Meter über dem Wegeniveau liegenden Raum unklarer Zweckbestimmung. Von ihm führte eine kurz vor Aufgabe der Burg (Periode 6) errichtete Treppe auf das Tonnengewölbe des Treppenschachtes. Ältere Schichten konnten bei der Nachuntersuchung eines im Frühjahr 2011 angelegten Raubgräberschachtes erfasst werden, welcher außerhalb der östlichen Treppenwange bis auf den gewachsenen Felsen in die Erde getrieben worden war. Die in diesem Zusammenhang im Profil dokumentierte Schichtenabfolge erfasste sämtliche Perioden der Besiedelungs- und Bebauungsgeschichte der Burg. Sie belegt, dass der Palas bereits zur frühen Stauferzeit in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts (Periode 1) errichtet worden ist. In der rieneckerzeitlichen Nutzungsphase im zweiten Drittel des 13. Jahrhunderts (Periode 2) fällt die Konzentration von Schlachtabfällen auf. Die Belagerung und Teilzerstörung der Burg durch den Erzbischof von Mainz 1260 (Periode 3) ist durch einen bis zu 20cm mächtigen Brandhorizont dokumentiert. Dieser liegt etwa 20cm unterhalb des Wegepflasters (Schnitt 1). Aus der gleichen Zeit stammt ein Prellschaden an der nördlichen Außenmauer des Palas. Er entstand durch den von Norden aus erfolgten Beschuss mit einer Blidenkugel. Die über der hochmittelalterlichen Brandschicht liegenden Schutt- und Planierungsschichten weisen auf zwei weitere, eventuell nur partielle Schadensereignisse in den nachfolgenden Nutzungsphasen hin.

Schnitt 3

Renaissancezeitliche Rampe zum Erdgeschoss des Palas

Renaissancezeitliche Rampe zum Erdgeschoss des Palas

Schnitt 3 liegt westlich des Treppenschachts zum Palaskeller. Beim Abräumen des Versturzes aus dem 18. Jahrhundert trat eine gepflasterte Zugangsrampe zutage, die zu einem nachträglich in die massive nördliche Palasmauer eingebrochenen, nur einen Meter breiten Türdurchlass zum Erdgeschoss führt. Das Fehlen einer Türlaibung und die provisorische Flickung des Durchbruchs sprechen ebenso wie die nur bedingt sinnhafte Einbindung von Spolien im Bereich der Türschwelle dafür, dass die Baumaßnahme hastig und mit wenig Sorgfalt durchgeführt wurde. Sie dürfte erst anlässlich der renaissancezeitlichen Umnutzung der Burg als Kellerei (Periode 6) erfolgt sein. Die circa zwei Meter breite Nische zwischen Rampe und Kellertreppe wurde bei dieser Gelegenheit durch Vorsetzten einer Mauer zu einem in sich geschlossenen Raumkörper umgewandelt. Die Schichtanschlüsse sprechen dafür, dass der mit einem Stampflehmboden ausgestattete Raum einen spätmittelalterlichen Vorgängerbau (Periode 4) besessen haben dürfte. Ein darunter gelegener, rechteckig gemauerter Sockel, dessen apsidiale Anbindung an den Palas ihn der Stauferzeit (Periode 2) zuweist, kann als ältestes Bauteil des Schnitts angesprochen werden. Eine beim Wiederaufbau der Burg zu Beginn des 14. Jahrhunderts (Periode 4) errichtete, von der Nordwestecke des Palas nach Westen zur Ringmauer verlaufende Wand trennte den Zwickel westlich des Palas (Schnitt 5) vom Hof ab. Sein Zugang über eine bis dahin unbekannte Tür konnte zu Grabungsbeginn freigelegt werden. Bei allen nach der Belagerung von 1260 durchgeführten Bauvorhaben (Perioden 4-7) griff man auf Spolien der hochmittelalterlichen Burgbebauung (Perioden 1-2) zurück. So stellte man beispielsweise vor der Ostwange der gepflasterten Rampe einen staufischen Bossenquader auf, der in Zweitverwendung als Prellstein für Karren fungierte.

Schnitt 4

Schnitt 4 bildet den Kernbereich der archäologischen Untersuchungen der Jahre 2011/2012. Ursprünglich war hier die Entschuttung des über dem noch weitgehend intakten Kellergewölbe (Schnitt 6) gelegenen Erdgeschosses des Palas vorgesehen. Aufgrund der zahlreichen bereits zu Beginn der Maßnahme sichtbar werdenden Baubefunde war es nötig, die Fläche händisch ohne Zuhilfenahme von Maschinen bis auf dessen Bodenniveau abzutiefen2. Das Erdgeschoss des Palas hatte sich unter den Schuttmassen an vielen Stellen bis auf Deckenhöhe im Aufgehenden erhalten. Im Versturz lagen zahlreiche Hausteine von Tür- und Fenstergewänden sowie die Einfassungen zweier Kamine.

Südwand des Palas mit darin integriertem, stauferzeitlichem Kamin

Südwand des Palas mit darin integriertem, stauferzeitlichem Kamin

Zeichnungen der rechten Wange der profilierten Kamineinfassung in der Südwand des Erdgeschosses des Palas sowie der zugehörigen Spolie mit Säulenbasis. Zeichnungen: Maria Nitschke, Münster

Zeichnungen der rechten Wange der profilierten Kamineinfassung in der Südwand des Erdgeschosses des Palas sowie der zugehörigen Spolie mit Säulenbasis

Die Zwickelverfüllungen des Gewölbes wurden aus statischen Gründen nur in einer etwa einen Meter breiten Sondage untersucht. Hier konnten in der Nordostecke und der Südostecke des Palas zwei Konsolsteine freigelegt werden. Sie lassen sich der Periode 1 bis 3 zuweisen. Die Konsolen sind für die Rekonstruktion des ursprünglichen Erdgeschosses maßgeblich. Den Raum muss man sich als durchgängigen, großen Saal vorstellen. Der etwa einen Meter unter dem Laufniveau des 14. Jahrhunderts liegende Fußboden besaß die Form eines auf Kragsteinen aufliegenden, hölzernen Bretterbodens mit Balkenunterzügen. Einen weiteren Hinweis auf dieses Raumkonzept geben die Wangen eines Kamins in der Mitte der Südwand. Dieser weist in seinem Aufbau deutliche Parallelen zu den Kaminen in den Wohn- und Repräsentationsbereichen der Wildenburg bei Kirchzell auf. Noch im Baubestand erhalten sind die beiden, den Feuerraum seitlich flankierenden, Kaminwangen. Ihre Vorderseite zeigt jeweils eine stark abgearbeitete, vorgesetzte Halbsäule. Die Kaminwangen dienten als Auflager für die auf Konsolsteinen ruhende, ursprünglich in den Raum auskragende Rauchabzugshaube. Mit einer Breite von etwa eineinhalb Metern konnte in dem Kamin sicher niemals ein Feuer entzündet werden, mit dem sich der gesamte Raum ausreichend aufheizen ließ. Der Raumheizung kam folglich weniger eine funktionale denn eine repräsentative Aufgabe zu. Der Rittersaal konnte über eine Tür in der Mitte der Westwand betreten werden. Ein weiterer Zugang könnte im Bereich der Nordostecke gelegen haben3. Aus dem Schutt der Erdgeschossverfüllung stammen die Reste eines zweiten Kamins der im Obergeschoss ebenfalls in die Südwand des Palas eingebaut gewesen sein dürfte. Seine rechte Seitenwange wurde bereits bei Entschuttungen in den 1990er Jahren geborgen.

Blick von Norden auf das Erdgeschoss des Palas

Blick von Norden auf das Erdgeschoss des Palas

Im 14. Jahrhundert (Periode 4) erfolgte eine grundlegende Umgestaltung des Erdgeschosses des Palas. Der Keller wurde mit einem Gewölbe überfangen. Dieses fußt auf zwei, der Süd- und der Nordwand nachträglich vorgesetzten, Wänden. Die Analyse des in den Gewölbezwickeln geborgenen Fundmaterials lässt vermuten, dass der darauf aufliegende Estrichboden in der Osthälfte des Palas bald nach Einbringung des Gewölbes angelegt worden ist. Zu diesem Zeitpunkt verabschiedeten sich die Bauherren von dem Konzept eines die gesamte Geschossfläche einnehmenden Raumes. Damit vollzog man den Übergang von der Repräsentationsarchitektur zu einer primär funktionsbestimmten Raumnutzung. In seiner Aufteilung wurde das Erdgeschoss des Palas nun spätmittelalterlichen Raumkonzepten, die aus dem städtischen Fachwerkbau übernommen wurden, angeglichen. Ob es so möglich war urbanen Wohnkomfort auf die Burg Wildenstein zu übertragen darf bezweifelt werden, blieb doch der rahmengebende Baukörper nach wie vor ein staufischer Palas. In dieses Konzept passt auch die Einbindung eines Wirtschafts- und Lagerbereichs in der Nordwestecke des Erdgeschosses. Südlich davon geht das Pflaster in einen sorgfältig gesetzten Plattenbelag über. Nachträgliche Einsinkungen im Süden glich man durch den Auftrag eines zweiten Plattenbelags aus. Er wird im Norden, Osten und Westen von einem etwa 20cm breiten Gräbchen umfriedet. Dieses diente ursprünglich zur Aufnahme der Schwellbalken einer Bohlenstube. Ein Mörtelbett fixierte die Balken auf der Gewölbeaufschüttung. Bohlenstube und Wirtschaftsbereich schließt sich im Osten ein schmaler, längsrechteckiger Raum an. Er ist ebenfalls mit einem Plattenbelag ausgestattet und sowohl an seiner West- als auch an seiner Ostkante von Balkengräbchen flankiert. Ein großer Raum mit Estrichboden nimmt das restliche Geschoss ein. Der südliche Teil dieses Raumes wurde in der Renaissance (Periode 6) durch den Einbau einer nord-süd-orientierten Mauer konzeptionell verändert. Westlich davon stand ein Kachelofen. Als Fußboden diente ihm anstelle des Estrichbodens eine Pflasterung aus in Lehm eingebetteten Bieberschwanzziegeln. Ein klar definierter Übergang zwischen diesem Bodenbelag und dem nördlich anschließenden Estrich legt nahe, dass man in dieser Zeit eine Zweiteilung des östlichen Raumes vornahm.

Die Kleinparzellierung des Erdgeschosses dürfte sich, wie dem Inventar von 1559 zu entnehmen ist, auch im ersten Obergeschoß fortgesetzt haben. Dies lässt sich durch das Versturzmaterial aus dem darüber liegenden Geschoss referenzieren. Der Einbau des massiven ost-west-orientierten Tonnengewölbes im Keller brachte zwangsläufig die Aufgabe beziehungsweise die Umwandlung der Eingänge und Fenster sowie des Kamins mit sich. So wurde ein Fenster westlich des ehemaligen Kamins zugesetzt. Die Kaminrückseite wurde in der Periode 5 mit einer Schießscharte versehen und diente fortan der Verteidigung des Palas im Rahmen des neuen Wehrkonzeptes. Im 16. Jahrhundert (Periode 6) wandelte man die Nische mit Hilfe eines Steinsockels in eine kleine Herdstelle um. Der zweimaligen Umnutzung des Kamins fiel der beidseitige Dekor seiner Wangen mit vorgesetzten Halbsäulen zum Opfer.

Schnitt 5

Blick von Süden in den Küchentrakt mit Herdfundament westlich des Palas

Blick von Süden in den Küchentrakt mit Herdfundament westlich des Palas

Schnitt 5 umfasst den westlich des Palas gelegenen Zwickel zwischen der Fortsetzung seiner nördlichen Mauer und der Ringmauer. Erst nach Ausräumung dieses Areals waren Stabilisierungsarbeiten im Bereich des Aufgehenden der Palaswestmauer möglich4. Der jüngste Laufhorizont (Periode 7) lag unter einer mindestens eineinhalb Meter starken Schuttschicht. In der Raummitte stand ein raumgreifendes Herdfundament. Dessen Stirnseite war ursprünglich mit reliefierten Herdsteinen bestückt. Der westliche Zwickel von Schnitt 5 war durch Spolien vom eigentlichen Küchenraum abgetrennt. Kalkablagerungen, Eierschalen sowie Tierknochen sprechen dafür, dass in diesem Raumteil Eier und Fleisch zwischengelagert wurden. Der spätmittelalterlichen Neubefestigung der Burg im letzten Drittel des 14. Jahrhunderts (Periode 5) kann ein in die Ringmauer integrierter Gang mit zum äußeren Eingangstor weisender Schießscharte zugewiesen werden. Der Raum diente in Zweitnutzung zur Entsorgung der Küchenabfälle bevor man ihn systematisch verfüllte. Er lässt sich über Keramiken an das Ende des 17. Jahrhunderts datierten. Bei der Errichtung des Ganges wurde eine Vielzahl nachträglich zugerichteter Buckelquader in den Baukörper integriert. Diese kamen sowohl in der nach Norden weisenden Außenwand des Ganges als auch bei der Einfassung der Schießscharte zum Einsatz. Der archäologische Nachweis der renaissancezeitlichen Nutzung des Raumes westlich des Palas als Küchentrakt lässt sich mit dem Visitationsprotokoll vom 14. September 1559 gut in Übereinstimmung bringen5.

Die Vorgeschichte des bis ans Ende des 17. Jahrhunderts genutzten Raumes konnte über eine 2012 angelegte Sondage erschlossen werden. Nach Abtrag eines ca. 60cm mächtigen, weitgehend homogenen Lehmauftrags trat in dem insgesamt ca. 200cm tiefen Schnitt eine 60cm starke, dreilagige Strate mit sehr hohem Kalkanteil zutage. Der Befund kann als mehrfach temporär genutzte Kalklöschgrube angesprochen werden6. In ihr ließ sich feiner Kalk zum Tünchen von Innen- und Außenwänden aufbereiten. Die Grube befand sich im Freien und schloss unmittelbar an die Nordwand des Areals an. Die einzelnen Nutzungshorizonte der Grube waren durch etwa handbreite humose Schichten mit massivem Scherbeneintrag voneinander getrennt. Über das Fundgut ist eine Datierung in das 14. und 15. Jahrhundert möglich (Periode 4/5). Der Kalklöschgrube fielen ältere Einbauten und Laufhorizonte vollständig zum Opfer. Ein in seinem Fundament vergleichsweise schlampig angelegter Pfeiler in der Raummitte dürfte als Auflager für eine hölzerne Galerie gedient haben, über die man vom Obergeschoss des Palas zum Aborterker gelangte. Dieser heute nicht mehr erhaltene Baukörper war in die Nordwestecke der Ringmauer integriert.

Schnitt 6

Zeichnerische Dokumentation der Fundlage der Nachgeburtstöpfe im Keller des Palas. Umzeichnung: Sabrina Bachmann, Heimbuchenthal

Zeichnerische Dokumentation der Fundlage der Nachgeburtstöpfe im Keller des Palas

Schnitt 6 wurde als Sondage in der Nordwestecke des Gewölbekellers des Palas angelegt. Das heutige Laufniveau liegt lediglich 20cm bis 50cm über dem gewachsenen Felsen. Mit dem Auftrag eines leicht kiesigen Sandstein-Lehm-Gemisches schuf man spätestens im 17. Jahrhundert eine stabile Grundlage für einen 5-10cm starken Stampflehmboden. Bemerkenswert war der Fund von drei unter den Stampflehmboden eingestellten Nachgeburtstöpfen. Im Jahre 2012 wurde der verstürzte Bauschutt im östlichen Drittel des Kellerinnenraumes ausgeräumt. Die Verschüttung ist darauf zurückzuführen, dass die Ostwand des Palas im 19. Jahrhundert vermutlich zum Gewinn von Hausteinen vollständig abgetragen worden war. Bald danach dürften Teile der auf dem Gewölbe auflagernden Zwickelverfüllungen sowie des im Erdgeschoss befindlichen Mauerversturzes in den Keller abgesackt sein. Bereits die Untersuchungen in Schnitt 4 zeigten, dass es sich bei dem Tonnengewölbe in Schnitt 6 um einen späteren Einbau in den Palas handelt. Es wurde unter Beibehaltung der bestehenden Außenmauern aufgeführt. Im Gegensatz zu einem vergleichbaren Befund im „Templerhaus“ in Kleinwallstadt7, bei dem der Gewölbeeinbau mit einer beträchtlichen Bodenabtiefung im von ihm überfangenen Raum einherging, behielt man im Palaskeller der Burg Wildenstein das bis dahin bestehende Fußbodenniveau bei. Ein Tieferlegen hätte mit dem Abtrag des gewachsenen Felsens einhergehen müssen. Da man neben dem großen Arbeitsaufwand auch eine Destabilisierung der stehenden Palasmauern befürchtete, dürfte man von dieser Maßnahme Abstand genommen haben. Der ursprüngliche Stampflehmboden einschließlich seiner Rollierung wurde jedoch vollständig ausgetauscht.

Mit den Grabungen 2012 im Palaskeller wurde die desolate Struktur der historischen Bausubstanz offenbar. Der vollständige Abtrag der Ostwand des Palas sowie von Teilen eines vorgelagerten Stützpfeilers haben massiv zu einer Destabilisierung der Statik des gesamten Gebäudes beigetragen. Primäres Ziel der Sanierungsarbeiten der Folgejahre wird es sein, die Ostmauer bis auf Gewölbeoberkante neu aufzuführen, um damit die Palaswände, die ihrerseits als Wiederlager des Gewölbekellers dienen, zu stabilisieren.

Weiterführende Literatur:

David Enders, Zerstörung von Burgen. Untersuchungen zu einem Phänomen des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit mit Beispielen aus dem Spessart. (Masch. Masterarbeit), Bamberg 2014.
Christine Engler, Keine Burg weit und breit? Die Burgenlandschaft des westlichen Spessart vom 12. bis 14. Jahrhundert. (Masch. Magisterarbeit), Bamberg 2009.
Adolf Feulner, Bernhard H. Röttger, Wildenstein, in: Felix Mader (Hg.), Bezirksamt Obernburg. Die Kunstdenkmäler von Bayern. Regierungsbezirk Unterfranken XXIII, München 1925, S. 142–146.
Wolfgang Hartmann, Burg Wildenstein. Vor 750 Jahren urkundlich ertmals erwähnt, in: Main-Echo. Ausgabe Obernburg (20./21.11.2010).
Harald Rosmanitz, Christine Reichert, Eschau, Lkr. Miltenberg, Burg Wildenstein. Archäologische Untersuchungen, April/Mai 2011 sowie August bis Oktober 2012. (Masch. Manuskript), Partenstein 2014.
Theodor Ruf, Das Inventar über die fahrende Habe des Grafen Philipp III. von Rieneck in den Schlössern Schönrain, Rieneck, Wildenstein und Lohr (1559), Würzburg 1982.
Theodor Ruf, Die Grafen von Rieneck. Genealogie und Territorienbildung. Diss. phil. Würzburg, 2 Bände, Würzburg 1984.


David Enders und Harald Rosmanitz, Partenstein 2015


 

  1. Es handelt sich um nicht abgesprochene Schurfe Unbefugter. Diese wurden beidseitig des Kellerzugangs angelegt und destabilisierten die umliegenden Baustrukturen in erheblichem Maße. Die Funde dieser undokumentierten Bodeneingriffe liegen nicht vor.
  2. Aus dem damit verbundenen Arbeitsaufwand resultierte eine grundlegende Planänderung. War man ursprünglich davon ausgegangen, die Untersuchung innerhalb einer Grabungskampgne abzuschließen, musste 2012 eine zweite Kampagne folgen, um die östliche Hälfte der Palasverfüllung abzutragen. Zum Schutz des unverhofft zutage getretenen Mauerwerks errichteten die Burgfreunde Wildenstein e. V. im Herbst 2011 über dem gesamten Palas ein Aluminiumdach.
  3. Der dort nachträglich zugesetzte Mauerdurchbruch könnte auch als Fenster, beidseitig flankiert von zwei Sitzbänken bzw. Ansitzen, interpretiert werden.
  4. Der Schuttabtrag in Schnitt 5 erfolgte ohne Zuhilfenahme von schwerem Gerät.
  5. Ruf 1982.
  6. Ein vergleichbarer Befund wurde 2007 im Zwinger westlich der Ringmauer der Burg Bartenstein bei Partenstein aufgedeckt.
  7. Harald Rosmanitz/Kathrin Wrobel, Kleinwallstadt, Lkr. Miltenberg, Marktstraße 13, „Templerhaus“. Archäologische Untersuchungen, 10.-17. Juli 2012 (Masch. Manuskript), Partenstein 2012.